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12 / 9 / 2017

Menschen, Tiere, Sensationen!

Der Schmausenbuck im Lorenzer Reichswald

Dem Rotbierbrauer Georg Schmaus verdankt er seinen Namen, den mittelalterlichen Sandsteinbrüchen seine Gestalt: der Schmausenbuck. Nürnbergs zweithöchste Erhebung – seit der Eingemeindung von Brunn im Jahre 1972 hat ihm der Brunner Berg den Spitzenrang abgelaufen – bietet heute nicht nur Schneeleopard, Tiger und Co. ein Zuhause, sondern ist auch abseits des Tiergartens beliebtes Ausflugsziel und Naherholungsgebiet.

Georg Paul Buchner: Der Luisensplatz am Schmausenbuck, kolorierte Lithografie, 1832.

Vom Steinbruch zum Vogelherd …

Ob das auch ohne jene Steinbrüche denkbar gewesen wäre, die dem Schmausenbuck mit ihren Schluchten, Einschneidungen und Durchbrüchen überhaupt erst sein heutiges Gesicht gegeben haben? Der Mensch hat den Schmausenbuck im Laufe der Zeit jedenfalls nach seinem Willen umgeformt. Steinbrüche existierten dort nachweislich seit dem 14. Jahrhundert – und wurden bis ins frühe 20. Jahrhundert auch munter genutzt: Der charakteristische rote Sandstein diente unter anderem als Baumaterial für die meisten Nürnberger Kirchen. Bereits Albrecht Dürer war fasziniert von der schroffen, menschengeformten Landschaft und hielt die markanten Steinbrüche in einer Reihe von Aquarellen fest.

Der Schmausenbuck hat die Menschen also schon früher angezogen. 1670 erwarb sein heutiger Namenspatron Georg Schmaus einen Teil des Geländes, um es als „Vogelherd“ zu nutzen – als Fangstation für Vögel, die später im Kochtopf landeten. Das Vogelfangen war durchaus nicht nur ein Zeitvertreib betuchter Bürger, die sich mit Amsel, Drossel, Fink und Star die Mahlzeiten verfeinerten, sondern war auch eine Nahrungsquelle für die ärmeren Schichten. Gefangen wurde am Schmausenbuck (mit Leimruten und Netzen) bis zum Verbot des Vogelfangs zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Philipp Heinrich Dunker: Ansichten und Grundriss der Anlagen des Schmausenbucks bei Nürnberg, Radierung, verlegt bei Riegel und Wiessner, Nürnberg, um 1833. Das topografische Sammelbild zeigt neben einem Grundriss und einer breit angelegten Aussicht auf Nürnberg vierzehn romantische Darstellungen von künstlich gestalteten Felsformationen, Schluchten, Burgen, Lauben, Holzhäusern und Plätzen für allerlei Aktivitäten.

… zum Vergnügungpark …

1830 erwarb Johann Albert Cramer, Großvater des MAN-Mitbegründers Theodor Cramer-Klett, das ehemalige Schmaus‘sche Anwesen und verwandelte es quasi über Nacht in einen Vergnügungspark. Verschlungene Wege, Schweizer Häuser, Einsiedeleien und künstliche Ruinen – mitten in der Industrialisierung hatte die Romantik gerade Hochkonjunktur. Überall im Land schossen verklärte „Ersatzlandschaften“ aus dem Boden und propagierten die Maxime Jean-Jacques Rousseaus: Zurück zur Natur!

So auch am Schmausenbuck. Bis 1844 konnten die Besucher des Cramer‘schen Parks durch eine aufwändige Fantasiewelt wandeln. Dann ging Cramer Bankrott, und das Areal verfiel. Erst 1881, nachdem sich die Parkanlagen schon langsam aufgelöst hatten, begann der „Verschönerungsverein für den Schmausenbuck“ mit der Instandsetzung des Geländes. Höhepunkt war die Errichtung des bis heute bestehenden Schmausenbuckturms auf der „Gritz“, dem höchsten Punkt des Bergrückens.

… und schließlich zum Tiergarten

Auf 65 Hektar beherbergt der Schmausenbuck heute einen der größten zoologischen Gärten Europas, den Tiergarten Nürnberg. 1912 war er am Luitpoldhain auf dem Gelände der Bayerischen Landesausstellung von 1906 eröffnet worden (inklusive künstlicher Bergkulisse aus Beton – auf dem flachen Areal gab es schlichtweg keine Erhebung). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der folgenden Umgestaltung des Reichsparteitagsgeländes musste der Tiergarten im Frühjahr 1939 der Großen Straße und der Kongresshalle weichen.

Orientierungskärtchen für den Schmausenbuck und die Umgebung, Farbdruck, nach 1888.

Für den Tiergarten erwies sich der Umzug als Glücksfall: Die abwechslungsreiche Felsen- und Waldlandschaft am Schmausenbuck bietet den Bewohnern bis heute ideale Lebensräume. In diesem Sinne: wenn Sie das nächste Mal von einem Ausflug auf den Schmausenbuck oder in den Tiergarten zurückkehren, gedenken Sie doch mit einem Schlückchen Rotbier dem alten Braumeister Georg Schmaus, der Nürnberg so einen wunderschönen Flecken Erde beschert hat.

Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel „Nürnberger ‚Spazierplätze‘. Zur Geschichte des öffentlichen Grüns“ von Jutta Tschoeke, ehemalige Leiterin des Albrecht-Dürer-Hauses und der Graphischen Sammlung. Er erschien im Katalog „Lust und Lieb hat mich beweget. Nürnberger Gartenkultur“, den die Graphische Sammlung zu ihrer gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum im Fembo-Haus 2008 herausgab.
Im August hatten wir bereits einen Blogbeitrag zur Hallerwiese veröffentlicht und viel positive Resonanz bekommen. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen weitere Teile dieses Artikels für eine Blogserie über Nürnberger Grünanlagen zu verwenden.

Teil 1: Die Hallerwiese in Sankt Johannis
Teil 3: Der Nürnberger Stadtpark
Teil 4: Dutzendteich & Co.
Teil 5: Die Rosenau vor den Mauern der Altstadt
Teil 6: Nürnbergs Gartenstadt


Alle Bilder stammen aus den Beständen der Graphischen Sammlung, die jetzt in die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg integriert ist.

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