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20 / 12 / 2017

Landschaft mit Seeblick

Dutzendteich & Co.

Tutschetey, Tutzenteig, Duschentaich, Tuschenteich, Deutscher Teich – in früheren Jahrhunderten hat man die Sache mit der Rechtschreibung oftmals nicht so eng gesehen wie heute, weshalb die etymologische Herkunft des Dutzendteichs wohl nicht mehr eindeutig zu klären sein dürfte. Als Favoriten finden sich gemeinhin Anlehnungen an alte Dialektformen wie „Dutze“ (Schilfrohrkolben) oder „Tutsche“ (dicke Brühe); eindeutig beweisen kann man allerdings weder die eine noch die andere Herleitung. Relativ sicher lässt sich hingegen sagen, dass der Dutzendteich nichts mit dem Dutzend zu tun hat, wie es ihm oftmals angedichtet wird. Schließlich trug der Teich seinen Namen schon, als es auf dem Gebiet noch 17 Teiche gab. Und eben nicht ein Dutzend.

Lasst uns einen Weiher stauen!

Klarer als die Herkunft des Worts ist indes die Herkunft des Wassers. Der Dutzendteich ist nämlich ein höchstoffizielles Gewässer, quasi mit Brief und Siegel: 1337 erteilte Kaiser Ludwig der Bayer dem Nürnberger Forstmeister Konrad Waldstromer die Erlaubnis, auf dem Reichsgebiet vor den Toren der Stadt eine Anlage aus Nutzweihern zu errichten. Diese erwiesen sich als, nun ja, äußerst nützlich, weshalb sich die ganze Anlage auch rund hundert Jahre später noch in Betrieb befand – und mit der Aufstauung des Langwassers (1430) und der Zuleitung des Fischbachs (1498) sogar noch ausgebaut wurde. Ein paar Jahre später, nachdem die Stadt das Gebiet um die Weiher angekauft hatte, zog man schließlich Dämme auf, um die Wassermassen zu parzellieren. Großer und Kleiner Dutzendteich, Flachweiher und Nummernweiher waren geboren.

Die Quelle am Dutzendteich, kolorierter Kupferstich eines unbekannten Künstlers, um 1830.

Was aber trieb man damals am Dutzendteich? Belegt sind die Nutzung zur Fischzucht sowie die Existenz von Mühlen und Hammerwerken. Selbst in industrieller Zeit wurde das Gelände noch wirtschaftlich verwendet – unter anderem stand hier die Maschinenfabrik von Johann Wilhelm Spaeth (die erste ihrer Art in Bayern), wo Maschinen für den Industriegebrauch produziert und anno 1835 auch die Einzelteile des aus England importierten „Adlers“ zusammengesetzt wurden. Der mag heute bekanntermaßen nicht mehr das Original sein, aber eine der hier gebauten Dampfmaschinen kann man immerhin noch im Museum Industriekultur bestaunen.

Dutzendteich, Ölgemälde von Conrad Wießner (zugeschrieben), um 1820.

Von Ausflügen und Aufmärschen

Wirtschaft aber ist nicht alles. Die idyllische Seenlandschaft im Lorenzer Reichswald zog spätestens ab dem 16. Jahrhundert auch vermehrt Menschen an, die sich einfach nur einen schönen Nachmittag machen wollten. Rasch entstanden die ersten Wirtshäuser, die für das leibliche Wohl der Ausflügler sorgten. Im Sommer gab es die Möglichkeit zum Bootfahren, im Winter zum Eislauf, und bei Volksfesten feierte man das alljährliche Abfischen. Im Zuge der Dritten Bayerischen Landesausstellung von 1906 wurde das Gelände rund um den Dutzendteich – mittlerweile war es auch mit der Straßenbahn erschlossen – schließlich aufwändig umgestaltet.

Lange sollte die so entstandene, weitläufige Parklandschaft freilich nicht bestehen bleiben: Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers hatten sich Dutzendteich & Co. so schnell wie möglich den Bedürfnissen der Reichsparteitage unterzuordnen. Ab 1933 wurde das Gelände mit aller Gewalt in eine nationalsozialistische Kultstätte umgestaltet und mit brachialen Monumentalbauten wie der Kongresshalle oder der Zeppelintribüne zugepflastert – die dann freilich zum Großteil entweder kaum genutzt wurden oder Bauruinen blieben. So auch das Deutsche Stadion, dessen Nicht-Entstehen den beiden Dutzendteichen sowie Flach- und Nummernweihern einen kleinen Bruder bescherte: den Silbersee.

Nur anschauen, nicht reinspringen

Nach Kriegsende war die riesige, hufeisenförmige Baugrube des Deutschen Stadions nach und nach mit Grundwasser vollgelaufen. Während man in den Trümmerjahren den südlichen Arm mit Schutt verfüllte (man hatte ja genug…) und darauf eine Deponie für Sondermüll aufschüttete (mit dabei: hochgiftige Industrieabfälle und Kampfstoffe aus dem Zweiten Weltkrieg), beließ man weite Teile des nördlichen Arms als See. Keine gute Entscheidung: Aus der Deponie – dem heute idyllisch begrünten Silberbuck – wurden mit der Zeit Giftstoffe ausgewaschen und flossen in den Silbersee. Bis heute ist das Wasser dort mit Schwefelwasserstoff verseucht, einem Nervengift, das beim Einatmen innerhalb weniger Sekunden zur Bewusstlosigkeit führt – weshalb das Baden dort auch strengstens verboten ist.

Aus der Baugrube des Deutschen Stadions wurde ein idyllischer, aber giftiger See. Foto: Brigitte List

Anschauen indes ist ungefährlich – und nur zu empfehlen, wie jeder bestätigen wird, der sich an einem warmen Sommertag (oder einem nicht mehr ganz so warmen Herbsttag) schon einmal in der geschichtsträchtigen Nürnberger Seenlandschaft entspannt hat.

Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel „Nürnberger ‚Spazierplätze‘. Zur Geschichte des öffentlichen Grüns“ von Jutta Tschoeke, ehemalige Leiterin des Albrecht-Dürer-Hauses und der Graphischen Sammlung. Er erschien im Katalog „Lust und Lieb hat mich beweget. Nürnberger Gartenkultur“, den die Graphische Sammlung zu ihrer gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum im Fembo-Haus 2008 herausgab. Wir haben aus diesem Artikel eine Blogserie über Nürnberger Grünanlagen gemacht.

Teil 1: Die Hallerwiese in Sankt Johannis
Teil 2: Der Schmausenbuck im Lorenzer Reichswald
Teil 3: Der Nürnberger Stadtpark
Teil 4: Dutzendteich & Co.
Teil 5: Die Rosenau vor den Mauern der Altstadt
Teil 6: Nürnbergs Gartenstadt


Alle Bilder stammen aus den Beständen der Graphischen Sammlung, die jetzt in die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg integriert ist.

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