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27 / 10 / 2017

Von Ballonfahrten und anderen Großveranstaltungen

Der Nürnberger Stadtpark

1349 kommt es in Nürnberg zu einem blutigen Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung. Das Judenviertel am heutigen Hauptmarkt wird zerstört, 562 Juden werden ermordet, ihre Überreste vor den Stadttoren verbrannt und mit dem Schutt ihrer Häuser zugeschüttet. Der Ort erhält den Namen „Judenbühl“. Vierhundert Jahre lang wird das Gelände als Bauern- und Bauhof genutzt, ehe man es Mitte des achtzehnten Jahrhunderts zur ausladenden Parkanlage umgestalten lässt. Die unrühmliche Vergangenheit des Orts hat man da längst verdrängt oder ins Reich der Legenden verbracht. In Zukunft soll der neue Park als prachtvolle Bühne für Großveranstaltungen dienen.

Geometrischer=Grund Riss des Judenbühls. Aquarellierte Federzeichnung eines unbekannten Künstlers, um 1770.

In die Lüfte…

Die lassen nicht lange auf sich warten. Am 12. November 1787 findet auf dem Judenbühl die „achtundzwanzigste Aërostatische Reise“ des französischen Ballonfahrers Jean-Pierre Blanchard statt. Sie war, wie uns der Regensburger Schriftstecher, Kupferdrucker und Augenzeuge Johann Meyer versichert, ein so außergewöhnliches Spektakel, dass Geschäfte geschlossen blieben, die Wachen vor den großen Kirchen verdoppelt und „der so bekannte Kristkindels-Markt aufgeschlagen und auch bei Nacht erleuchtet“ wurde. Sogar das Militär lässt man aufmarschieren, um den Startplatz von Blanchards Ballon zu sichern. Man befürchtet Unruhen.

Auffahrt des Herrn Blancharts zur 28sten seiner Luftreißen auf dem Judenbühl bey Nürnberg, d: 12ten Novemb: 1787. Kolorierte Radierung von Friedrich Albrecht Annert, 1787.

Eine Stadt im Ausnahmezustand

Angesichts der schieren Menschenmassen war das auch gar nicht so abwegig. Blanchards Ballonfahrt war dank der tatkräftigen Mithilfe des Nürnberger Gastwirts (heute: „Eventmanagers“) Johann Wilhelm Roth nämlich rasch zum wahren Touristenmagneten mutiert – und zur munter sprudelnden Einnahmequelle für Nürnberger Händler und Geschäftetreibende. Von nah und fern strömen die Leute herbei, um dem extrovertierten Franzosen zuzujubeln und ihn (gegen einen kleinen Obolus, versteht sich) in die Luft aufsteigen zu sehen.

Als Blanchard gegen halb zwölf Uhr vormittags die Gondel seines Ballons betritt und die Auffahrt beginnt, ist der Judenbühl nur noch ein „unabsehbares Feld von Menschen“, wie es Johann Meyer beschreibt. Wir dürfen uns das Ganze also getrost als ein Spektakel à la Rock im Park vorstellen. Mit ebensovielen Zuschauern, nur eben im 18. Jahrhundert, als in Nürnberg gerade einmal rund 30.000 Menschen lebten.

Erinnerung an das Deutsche Sängerfest in Nürnberg 1861. Stahlstich von Lorenz Ritter nach einem Entwurf von Christian Böhrer, gedruckt bei C. Berg, Nürnberg, 1861.

Sänger, Könige und neue Namen

Auf Blanchards Triumphflug folgen weitere Großveranstaltungen auf dem Judenbühl: politische Massenkundgebungen, Volksfeste, das Erste Deutsche Sängerfest im Jahre 1861 und die ersten beiden Bayerischen Landes-, Industrie- und Gewerbeausstellungen von 1882 und 1896, beide mit jeweils rund zwei Millionen Besuchern. „Judenbühl“ heißt der Ort damals allerdings schon lange nicht mehr: Nachdem König Maximilian II. 1855 dem Nürnberger Volksfest einen Besuch abgestattet hat, bittet ihn die Stadt um seine Erlaubnis, das Gelände nach ihm bennen zu dürfen. Der König ist geschmeichelt, das „Maxfeld“ geboren.

Vogelschauansicht der Bayerischen Landes-Ausstellung in Nürnberg 1882. Holzstich von J. Geyer nach einer Zeichnung von Adolf Gnauth, 1882.

Aber nicht nur der Name wandelt sich, sondern auch das Aussehen. Längst hat sich die Schlichtheit der ursprünglichen Parkanlage mit ihrer geometrischen Anpflanzung von Linden und Rosskastanien dem Zeitgeschmack anpassen müssen. Auf Betreiben des Nürnberger Kaufmanns und Politikers Georg Zacharias Platner war der Park bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts im englischen Stil neugestaltet worden – mit einem künstlichen See, Fontänen und einem neugotischen Prunkbau, der als Restaurant diente. Zu den beiden Landesausstellungen folgen weitere Veränderungen, schließlich gilt es, diverse prachtvolle Ausstellugsgebäude im Park unterzubringen.

Ansicht des Hauptgebäudes der Bayerischen Landesausstellung in Nürnberg, 1896. Radierung von Lorenz Ritter, gedruckt von J. Berg, Nürnberg, 1896.

Vom Maxfeld zum Stadtpark

Im Zuge der Industrialisierung wird das Maxfeld bereits ab 1865 städtebaulich erschlossen. Wo noch bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein Felder und Obstgärten blühten, werden nun Häuser und Wohnblöcke aus dem Boden gestampft, um die stetig wachsende Bevölkerung der Stadt unterzubringen. Die ursprüngliche Parkanlage rund um den ehemaligen Judenbühl indes bleibt bestehen. Sie bildet heute, mit einigen Erweiterungen, den Nürnberger Stadtpark.

Im Stadtpark zu Nürnberg. Holzstich von Otto Meyer-Wegner, um 1897/98.

Für diesen ist die Zeit der großen Massenveranstaltungen allerdings wohl endgültig vorbei. Kein Blanchard wird sich hier mehr in die Lüfte erheben, kein Sängerfest und keine Landesschauen die Menschen in Scharen heranlocken. Trotzdem ist der Stadtpark auch heute noch einer der schönsten (und grünsten!) Flecken Nürnbergs – und bietet seit 1962 außerdem dem geschichtsträchtigen Neptunbrunnen des Bildhauers Georg Schweigger eine neue Heimat.

Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel „Nürnberger ‚Spazierplätze‘. Zur Geschichte des öffentlichen Grüns“ von Jutta Tschoeke, ehemalige Leiterin des Albrecht-Dürer-Hauses und der Graphischen Sammlung. Er erschien im Katalog „Lust und Lieb hat mich beweget. Nürnberger Gartenkultur“, den die Graphische Sammlung zu ihrer gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum im Fembo-Haus 2008 herausgab. Wir haben aus diesem Artikel eine Blogserie über Nürnberger Grünanlagen gemacht.

Teil 1: Die Hallerwiese in Sankt Johannis
Teil 2: Der Schmausenbuck im Lorenzer Reichswald
Teil 4: Dutzendteich & Co.
Teil 5: Die Rosenau vor den Mauern der Altstadt
Teil 6: Nürnbergs Gartenstadt

Außerdem hatten wir im Sommer 2016 einen Blogbeitrag zur Geschichte des Neptunbrunnens veröffentlicht
Georg Schweigger oder: Die Reise des Neptunbrunnens


Alle Bilder stammen aus den Beständen der Graphischen Sammlung, die jetzt in die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg integriert ist.

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