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18 / 4 / 2024

Eine Familie schreibt Stadtgeschichte

Die Tucher Kulturstiftung hält die Erinnerung an das Patriziat wach

Bei „Tucher“ denken viele in Nürnberg und drum herum erst einmal an Bier. Florian Abe nicht: Seit Oktober 2022 ist er der erste wissenschaftliche Referent der gemeinnützigen Tucher Kulturstiftung, die 2012 von den Nachkommen der seit 1307 in Nürnberg nachgewiesenen Patrizierfamilie gegründet wurde. Seine Arbeit über Kreuzweganlagen der Vor-Reformationszeit führte den Doktoranden der Kunstgeschichte zu Hans VI. Tucher und dessen Pilgerbericht aus den Jahren 1479/80 und in 2021 zu einem sechsmonatigen Forschungsstipendium, das die Tucher Kulturstiftung gemeinsam mit dem Germanischen Nationalmuseum alle zwei Jahre auslobt. „Als Fellow hatte ich viel Austausch mit Bernhard von Tucher, dem Geschäftsführer der Kulturstiftung.“ Ein Austausch, der sich nun verstetigt hat.

Florian Abe, wissenschaftlicher Referent der Tucher Kulturstiftung. Foto: Alexandra Foghammar

„Bewahren, erforschen und vermitteln“, nennt Abe die drei Säulen der Kulturstiftung, auf denen sein Tätigkeitsprofil aufsetzt. Im Tucherschloss in der Hirschelgasse, einem zwischen 1533 und 1544 errichteten Sitz der durch Handel zu Wohlstand gekommenen Patrizier, befindet sich der Großteil des Kunstbestandes der Familie – hinzu kommen unter anderem Leihgaben im Germanischen Nationalmuseum.

Das heute im Eigentum des Freistaats Bayern und der Stadt Nürnberg befindliche Tucherschloss zeigt Gemälde, Kunsthandwerk, Möbel und Tapisserien aus dem Besitz der Tucher und gehört zum Verbund der städtischen Museen. Mit Ulrike Berninger, der Leiterin des Museums Tucherschloss, hat die Kulturstiftung etwa jüngst die Restaurierung von zwei Bildträgern aus Elfenbein (um 1840) abgestimmt – ein Beispiel für das „Bewahren“.

Ein vom Goldschmied Wenzel Jamnitzer geschaffener Doppelpokal, der 1564 von Linhart II. Tucher als Hochzeitsgeschenk an seinen Sohn Herdegen beauftragt wurde, ein Bildnis von Hans VI. Tucher aus der Werkstatt von Dürers Lehrer Michael Wolgemut (1434-1519) und ein in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstandenes Prunkservice mit Emaille-Arbeiten aus Limoges sind Spitzenstücke der hochkarätigen Sammlung im Tucherschloss. Wertvolle Wandteppiche aus Flandern gehören noch zur Originalausstattung.

Empfangsraum mit Wandteppich mit großen Blättern und Vögeln, Flandern, Mitte 16. Jh. Foto: Helmut Meyer zur Capellen

„Die Stiftung möchte mit den eigenen Objekten und Archivalien verbundene Projekte angehen, aber auch historische Fragen behandeln, die über die eigenen Bestände hinausgehen, für die wir mit Partnern kooperieren oder Projekte anderer Träger fördern“, erklärt Florian Abe zum Forschungsauftrag. So widmet sich seit April eine Doktorandin der Universität Bonn dem Tucher-Wappen, das eine Person of Colour im Profil zeigt und seit mindestens 1340 von der Familie geführt wird. Heute von manchen als diskriminierendes Motiv unseliger Kolonialzeiten betrachtet, stellt es den in Mittelalter und früher Neuzeit hochverehrten Heiligen Mauritius dar. „Geplant ist auch die wissenschaftliche Bearbeitung des Baumeisterbuchs von Endres Tucher – eine wichtige Quelle zum Bauwesen des 15. Jahrhunderts“, sagt Abe.

Das Tucher-Wappen aus dem Großen Tucherbuch (im Ausschnitt). Leihgabe der Tucher Kulturstiftung im Stadtarchiv Nürnberg, Inv.Nr.: E239/III, 258, fol. 24r (Ausschnitt). Foto: Liliana M. Frevel

Veranstaltungen wie ein geplanter Workshop zu mittelalterlichen Pilgerberichten sollen die Vernetzung mit den Hochschulen stärken. Das seit 2017 ausgeschriebene Tucher-Fellowship möchte Abe gerne bekannter machen. „Bisher haben zwar immer Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker das Stipendium erhalten, aber auch Studierende der Geschichtswissenschaft, Germanistik oder Wirtschaftsgeschichte können sich angesprochen fühlen – wir sind da sehr offen.“ Gewünscht ist, dass sich das Forschungsthema mit der Familiengeschichte verbinden lässt – was angesichts der vielseitigen wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und geistlichen Bedeutung der Patrizierfamilie an Bandbreite nichts zu wünschen lässt.

Gedächtnisbild für Adelheid Tucher, 1483, beauftragt von Hans VI Tucher. Die topgraphisch genaue Wiedergabe der Stadt Jerusalem über der Klage-Szene basiert auf einer Zeichnung, die während der Pilgerreise Hans VI. Tucher durch das Heilige Land entstand.

In der Vermittlung sieht Florian Abe seinen aktuellen Schwerpunkt. Fast alle Kunstgegenstände und einige Highlights des im Stadtarchiv verwahrten Archivmaterials sind im „bavarikon“ aufbereitet, dem Internetportal des Freistaats zu Kunst, Kultur und Wissensbeständen. Um die Inhalte der Stiftung noch breiter zu vermitteln und gleichzeitig mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die sich mit dem patrizischen Kulturerbe beschäftigen wollen, treibt der Kunsthistoriker Auftritte in den Social-Media-Kanälen voran, hat einen „Tucher Kultur Blog“ eingerichtet und geht seit April in einem Podcast „Auf Tuchfühlung“ mit Expertinnen und Experten. Für die Weiterentwicklung des Museums Tucherschloss gibt es Ideen der Museumsleitung für das Storytelling, die sich mit denen der Kulturstiftung decken und die man gerne begleiten würde. Abe blickt auch in Richtung Stadtmarketing: „Augsburg macht das mit den Fugger und Welser sehr schön vor!“

Weitere Informationen zur Tucher Kulturstiftung


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