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4 / 6 / 2018

Hitler und das Musiktheater.

Über die Inszenierung einer Ausstellung

Historische Verantwortung

Angeregt durch Forschungsprojekte in Berlin, München und Wien entstand 2013 im Staatstheater Nürnberg der Plan, die eigene Geschichte während des Nationalsozialismus zu ergründen – auch mit Blick auf den besonderen Stellenwert Nürnbergs im Dritten Reich. Die Theaterleitung um Peter Theiler und Johann Casimir Eule fand in Anno Mungen, dem Direktor des Forschungsinstituts für Musiktheater der Universität Bayreuth, einen engagierten Mitstreiter.

Adolf Hitler während des Umbaus im Nürnberger Opernhaus 1935, aus: Robert Plank: Festschrift anlässlich der Wiedereröffnung des Nürnberger Opernhauses, September 1935.

In einer kleinen, interdisziplinär aufgestellten Arbeitsgruppe von Theaterschaffenden, Musiktheaterwissenschaftlern, Historikern und Ausstellungsmachern wurden die Möglichkeiten erörtert, erste Quellen gesammelt und mit der Befragung von Zeitzeugen begonnen. Im Zuge der Vorarbeiten der Jahre 2015 und 2016 wurde ein Finanzierungsantrag an die Deutsche Forschungsgemeinschaft auf den Weg gebracht, der den Transfer der wissenschaftlichen Ergebnisse in Form einer innovativen Ausstellung als Bestandteil hatte. Nachdem der Antrag bewilligt worden war, bildete sich um Anno Mungen ein wissenschaftliches Team mit Silvia Bier, Tobias Reichard (beide Musikwissenschaft) und Daniel Reupke (Geschichtswissenschaft).

Der Weg ins Theater

Um die Ausstellung zu bestücken, begannen sie gemeinsam mit fünf studentischen Hilfskräften die Forschungsarbeit in Archiven und Bibliotheken. Die Tagungen „Leichte Muse“ (2016) und „Hitler.Macht.Oper“ (2017) präsentierten erste Ergebnisse und brachten neue Impulse. Mit dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände wurde außerdem ein kompetenter Partner für die Ausstellungskonzeption gefunden und mit der THW-Halle in der Kongresshalle ein spannungsvoller Ausstellungsort. In der 530 Quadratmeter großen Halle werden nun rund 300 Exponante mit wissenschaftlichen Texten sowie Audio- und Videoschleifen präsentiert.

Dafür entwarf der bekannte Bühnenbildner Hermann Feuchter eine Ausstellungsarchitektur, die ein Theater im Kleinen darstellt. In kulissenmäßiger Machart – mit gitterrostbeplankten Wänden und grau getünchten Flächen – sollen die einzelnen Bereiche wie ein Bühnenbild wirken, das in die Halle gepflanzt wurde. Feuchter beschreibt das Konzept mit einem „Weg ins Theater“, bei dem der Besucher Theaterräume wie das Intendantenbüro, Garderoben, den Gang zur Bühne, die Bühne selbst, den Zuschauerraum und den abschließenden Umgang durchschreiten und dabei die Inhalte der sieben geplanten Vertiefungsbereiche ,erleben‘ soll. Alle Bauaufgaben wurden in großzügiger Weise vom Staatstheater organisiert, von der Zukunftsstiftung der Sparkasse Nürnberg unterstützt und von ausgewiesenen Spezialisten im Kulissenbau ausgeführt – den Frauen und Männern der Theaterwerkstätten.

Sieben Bereiche zwischen „Meistersingern“ und „Götterdämmerung“

2016 gab es erste Entwürfe für das gewaltige Bühnenbild, im Hochsommer 2017 wurde es schließlich beschlossen. Eben noch Modell, ist es nun schon fast vollständig aufgebaut. Texte und Bilder wurden auf Karton gedruckt und – als Anlehnung an das neue Gestaltungsprinzip der 1920er Jahre – in thematisch gruppierten Collagen auf der Architektur befestigt. Die theatrale Kulisse wird so bespielt mit einer historischen Dokumentation, die, wie einst die alljährlichen Reichsparteitage, mit Richard Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ eröffnet wird.

Die Aufgaben des Theaterintendanten als Erfüllungsgehilfe der Spielplanpolitik des Propagandaministeriums wird genauso thematisiert wie der politisch motivierte Umbau des Opernhauses 1935 und eine Reihe weiterer wichtiger Leitfragen: Welche Bedeutung hatten theatrale Inszenierungsstrategien auf dem Reichsparteitagsgelände? Gab es eine spezifisch nationalsozialistische Opernästhetik? Welchen Stellenwert billigte das Regime der unterhaltenden Muse Operette zu?

Ende August 1944 wurden auf Befehl von Joseph Goebbels alle deutschen Theater geschlossen. In Nürnberg wurde als letzte Vorstellung bezeichnenderweise Richard Wagners „Götterdämmerung“ in der Inszenierung seines Enkels Wieland gegeben. Doch die Ausstellung schreitet noch weiter in die Nachkriegszeit, um Brüche und Kontinuitäten zu zeigen. Biografische Stationen lassen bekannte Persönlichkeiten und Zeitzeugen zu Wort kommen, wobei – dank eines von der Mariann-Steegmann-Stiftung geförderten Unterprojekts – ein Schwerpunkt auf den Lebensläufen von Frauen liegt.

Insgesamt soll am Beispiel Nürnberg deutlich werden, welche herausragende Bedeutung das Musiktheater für Hitler und die nationalsozialistische Propaganda hatte und welche Wechselwirkungen zwischen den Inszenierungen auf der Stadtbühne und der Opernbühne bestanden.

Informationen zur Ausstellung „Hitler.Macht.Oper“

fimt. Forschungsinstitut für Musiktheater


Daniel Reupke M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth.

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