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28 / 1 / 2019

Zu Besuch in Hitlers Oper

Ein früher Rückblick auf die Ausstellung "Hitler.Macht.Oper" im Dokumentationszentrum

Inszenierung von Unterhaltung und Propaganda

„Sehr glücklich“ soll Adolf Hitler gewesen sein, als er am 10. September 1935 gegen Mitternacht das Nürnberger Opernhaus verließ; dies schrieb zumindest Propagandaminister Joseph Goebbels in sein Tagebuch. Am selben Tag hatte in Nürnberg der Reichsparteitag der NSDAP begonnen. Traditionell endete der erste Tag mit einer Festaufführung von Richard Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“. Für diese Aufführung war die Avantgarde deutscher Künstler an die Pegnitz befohlen worden: Maria Müller sang, Wilhelm Furtwängler stand am Pult, Bühnenbilder und Kostüme waren von dem Hitler-Protegé Benno v. Arent eigens entworfen worden.

Festwiesenszene aus Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ von Benno v. Arent 1935. Bildnachweis: Theaterbibliothek des Staatstheater Nürnberg

Zwei Tage später sprach Hitler auf der neu errichteten Hauptribüne auf der Zeppelinwiese vor hunderttausend politischen Leitern und Goebbels notierte „… fulminate Rede. Großes Schauspiel, als die Fahnen kommen.“ Frappierend ähnlich sind die Bilder von diesem Aufmarsch und die aus der „Festwiesenszene“ am Schluss der „Meistersinger“. Auch machen sie die Wechselwirkungen zwischen theatraler Inszenierung und politischer Propaganda deutlich und nachvollziehbar. Und sie stehen „in nuce“ für „Hitler.Macht.Oper“, ein gemeinsames Ausstellungsprojekt des Forschungsinstituts für Musiktheater der Universität Bayreuth, dem Staatstheater Nürnberg und dem Dokuzentrum Reichsparteitagsgelände, die noch bis zum 3. Februar 2019 in der THW-Halle zu sehen ist. Die Schau war angetreten, jene Wechselwirkungen offenzulegen und in einer inszenatorischen Ausstellung für das breite Publikum erlebbar zu machen. Nun ist Zeit für einen Rückblick.

Besucherreaktionen

Seit der Eröffnung sahen nun bereits über 21.000 Besucher die Ausstellung. Die Mehrzahl fand ihren Weg allein, über 600 wurden in rund 40 Führungen die Inhalte nähergebracht. Das Besucherbuch klärt über die Herkunft des Publikums auf und gibt Auskunft über das breite Spektrum an Reaktionen zu dem Dargebotenen: Unter den Besuchern gab es offenbar genauso ältere („Jg. 43“) wie recht junge Personen („Jahrgang 2001/2“). Folgt man den seltenen Herkunftsangaben oder benutzten Sprachen, stammten sie aus ganz Deutschland sowie u.a. aus Äthiopien, Argentinien, Griechenland, Indien, Iran, Italien, Polen, Russland, Spanien, Sri Lanka, Südkorea, Tansania, Tschechien, Türkei, Ungarn, Ukraine, den USA und Zypern.

„Sehr gut“, „very good“, „très bien“, ,,excelente“ sind demnach nur einige der positiven Kommentare zu der „wenig betrachtete[n] Thematik“, die als „phantastische Recherche“ in einem „1-A-Kulissenbau“ „interessante Blickwinkel“ durch eine „schöne Inszenierung“ eröffne. Die Ausstellung sei „brilliant and cleverly curated“, „informativ und interessant“, „anregend“, ein „Highlight“, für das „chapeau“, „Kompliment“ und „herzlichen Dank“ bestätigende Begriffe waren; ein besonderes Lob ging an die „tolle Kuratorenführung“ und die „sehr kompetent[en]“ Führungen durch das Team von Geschichte für alle e.V. In persönlicheren Kommentaren freuten sich ehemalige Ensemblemitglieder, „alte bekannte Namen“ wiederentdeckt zu haben. Festspielbesucher hatten offenbar die Ausstellung für eine „Einstimmung für die Meistersinger-Aufführung, die wir morgen in Bayreuth besuchen wollen“ genutzt. „Beeindruckt“ von der Aktualität wünschen sich wieder andere Besucher „mehr davon“ oder kündigen an, die „wunderbare Ausstellung […] unbedingt weiterzuempfehlen!“

Unter den kritischen Stimmen fällt zuerst die Kritik an einem in „Kämmerchen aufgeteilte[n] Textbuch“ auf, das „viel zu viel zu lesen“ anbiete, was auch noch entweder zu hoch („Rollstuhlfahrer“) oder zu niedrig („Nackensteifigkeit für große Menschen“) angebracht sei. Manche Besucher hätten gerne auch mehr Originale und mehr Musik gehabt. In diesem Zusammenhang steht das Bedauern „I wish I could read German“ oder die Frage „Why no English“ – für Übersetzungen ins Englische fehlten schlicht Platz und Zeit. „Zu klein“, „zu dunkel“, und „schlecht ausgeleuchtet“ erschwerten offenbar das Lesen zusätzlich. Unerwartet heftige Reaktion zog die in der Ausstellung genutzte, gendersensible Sprache nach sich: Von „nervig“ über „lächerlich“ erklärten durchaus reflektierte Kommentare die Gendersternchen zu einem neuen „Ausdruck ideologischer Volkserziehung“ und für eine Ausstellung über ein historisches Thema „unpassend“. Einen letzten Kritikpunkt stellte die schwierige Erschließung des Raumes dar, bei der das eigentlich wegweisende Farbkonzept nicht ausreichend wahrgenommen wurde, wodurch „ein Leitfaden fehlt[e]“ beziehungsweise die „Ausstellungslogik unklar“ bleibe.

Bemerkenswert ist, dass die visuelle Inszenierung der Ausstellung offenbar wirkte. Dies lässt sich daraus ableiten, dass mehrere fremdsprachige Kommentare, die auch darauf hinwiesen, dass sie die deutschen Texte nicht lesen konnten, dennoch von emotionaler Bewegung, von Überwältigung („overwhelmed“), Bedrückung („depressing“) und Erschütterung („temible“ – span.: furchteinflößend) schreiben. Insgesamt wurde konstatiert: „Ich habe viel Neues gelernt und in diesen Raum passt sie [die Ausstellung] auf den Punkt.“

Pressereaktionen

Nicht verwunderlich ist die beschriebene Breitenwirkung aufgrund der medialen Präsenz der Ausstellung. Insgesamt zählten wir rund 140 bundesweite Pressereaktionen, davon beinahe zwei Drittel im Printbereich. Im Fokus der Berichterstattung stand dabei die Ankündigung und Eröffnung der Ausstellung, wozu es auch Beiträge im „Deutschlandfunk“ und „Bayerischen Rundfunk“ sowie in der „BR-Abendschau“ gab.

Einen zweiten Schwerpunkt nahmen Ausstellungsrezensionen ein: Eine Reihe von Beiträgen in der regionalen Presse („Nordbayerischer Kurier“ 28.12.2018, „Nürnberger Zeitung“ 15.11.2018, usw.) entstanden dabei aus Interviewsituationen mit Projektmitarbeitern. Des Weiteren berichten einige Zeitungen über einzelne Ausstellungsbereiche: Die „Süddeutsche Zeitung“ (14.06.2018) fokussierte  auf die ungewöhnliche Sondergenehmigung zur Aufführung der Operette „Das Schwarzwaldmädel“ im Nürnberg der NS-Zeit, die „Augsburger Allgemeine“ (19.07.2018) beschrieb die Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ in der Nürnberger Inszenierung von Benno v. Arent 1935 als die weltweit erste Musteroper. Während die „Schwäbische Zeitung“ (03.08.2018) eine sachliche Beschreibung lieferte, polemisierte das „Neue Deutschland“ (21.08.2018) über die „Geheimsache Führerklo“ – dort hatte man den „Geheim“-Stempel auf den Umbauplänen für die Führerloge im Nürnberger Opernhaus uminterpretiert – man hatte offenbar übersehen, dass eigentlich alle Opernbaupläne aus Angst vor Luftangriffen generell als „geheim“ eingestuft waren. Der „Tagesspiegel“ (15.08.2018) stellte die „totalitäre“ Indienstnahme von Kunst und Kultur durch den NS heraus, die Internetplattform „Der fränkische Museumsbote“ (16.11.2018) fand in der Ausstellung gar die Widerspiegelung religiöser Symbolik, der sich die Nationalsozialisten bewusst bedienten. „Leselust und eine Lupe“ („Bayerische Staatszeitung“ 24.08.2018) müsse man zwar mitbringen, aber der „Aufwand lohnt sich“ („Süddeutsche Zeitung“ 14.06.2018). Lediglich Dr. Achim Heidenreich von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (22.07.2018) nahm eine kritische Position ein, indem er die These der Inszenierung von Propaganda von vornherein ablehnte und die durch diesen Ansatz verursachte, allzu große Nähe der Ausstellungsmacher zum Ausstellungsthema bemängelte.

Prof. Dr. Wolfram Pyta bei seinem Einführungsvortrag zur Vernissage der Ausstellung. Bildnachweis: fimt

Begleitprogramm

In einem Vortrag in der Ausstellung „Hitler.Macht.Oper“ griff der Münchener Kulturwissenschaftler und Ausstellungsmacher Dr. Martin Schmidl die häufig genannten Kritikpunkte auf und wendete sie dahingehend, dass er ein demokratisches Ausstellungkonzept sehe, das weder Wege noch Texte aufzwänge, sondern in der aktiven Erarbeitung der Ausstellung durch den Besucher ungewöhnliche Wahlfreiheiten ließe, die im Gegensatz zur Darstellung des Totalitären stünden.

Schmidls Vortrag war Teil des wissenschaftlich-künstlerischen Begleitprogramms, das als Teil des Ausstellungskonzeptes die Bespielung der Ausstellung (eine Bestuhlung für bis zu 80 Plätze im „Zuschauerraum“ war möglich) beziehungsweise der dafür vorgesehenen Bühne beinhaltete. In diesem Rahmen fanden ein Dutzend Veranstaltungen statt – eine Lesung, drei Vorträge, sechs Konzerte und zwei Performances – in enger Kooperation mit den künstlerischen Kräften des Staatstheaters Nürnberg. Besondere Aufmerksamkeit erhielt hier das „jugendbewegt“-Projekt des Jugendklub des Staatstheaters Nürnberg unter der Leitung von Anja Sparberg mit einer „Beschwörung alter Schatten“ (Herbert Heinzelmann in der NZ) in der Causa Schwarzwaldmädel.

Das Reenactment „Stürme von Beifall“ mit dem Team um den Theaterwissenschaftler Dominik Frank (fimt) und der Schauspielerin Amélie Haller (Universität Gießen) trat an, nationalsozialistische Inszenierungsstrategie in Leni Riefenstahls Propagandafilm „Triumph des Willens“ durch Dekonstruktion freizulegen; die Performance zog weit mehr Zuschauer als vorhandene Stühle in die Ausstellungshalle und darf im deutschsprachigen Raum schon jetzt als ein Pilotprojekt der gerade im Entstehen begriffenen „Künstlerischen Forschung“ gelten.

Amélie Haller performt auf der Bühne der Ausstellung. Bildnachweis: Daniel Reupke/fimt

Epilog

Vielleicht erlaubt man uns am Ende einige wenige, persönliche Wort: Nur noch einige Tage kann die Ausstellung besucht werden, zwei spannende und herausfordernde Jahre gehen für das Projekt zu Ende. Im Sommer werden abschließend zwei wissenschaftliche Begleitbände mit den Titeln „Hitler.Macht.Oper“ und „Erzählte Erinnerung“ in der Reihe „Thurnauer Schriften“ im Verlag Könighausen & Neumann erscheinen.

Das Team des Forschungsprojektes „Hitler.Macht.Oper“ blickt gerne auf eine ereignisreiche Zeit und die vielen positiven Stimmen zur Ausstellung zurück. Wir bedanken uns bei unseren Kooperationspartnern für die gute Zusammenarbeit und bei den Nürnbergerinnen und Nürnbergern für die positive Aufnahme. Es war ein ungewöhnliches Projekt, das allen neue Perspektiven eröffnete.

Das wissenschaftliche Team des Forschungsprojektes in der Ausstellung. Bildnachweis: fimt

Dieser Beitrag ist der dritte Teil einer Blogserie zur Ausstellung „Hitler.Macht.Oper“.

Teil 1: Hitler und das Musiktheater
Teil 2: Die unsichtbare Propaganda


Daniel Reupke ist Historiker und seit 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter am fimt.

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