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13 / 9 / 2021

Heizen in göttlicher und kaiserlicher Gesellschaft

Blick in den Korridor, die Seele des Wolff’schen Rathausbaus

Durch die Zerstörung des Rathausinneren im II. Weltkrieg ist auch das Bewusstsein für dessen prunkvolle künstlerische Ausstattung verloren gegangen. Im zweiten Obergeschoss, wo sich auch heute noch die Repräsentationsräume befinden, zählten neben der Stuckdecke im Hauptgang vier aufwendig gestaltete Renaissance-Kamine, von denen zwei auf dem Gemälde sichtbar sind, zu den Besonderheiten. Repräsentativ in ihrem Erscheinungsbild bestimmen sie mit den Portalen und den Kaiserportraits die Anordnung des Ganges. In ihrem architektonischen Aufbau wirken sie schrankähnlich. Über gusseisernen Türen zieren je ein Tonreliefpaar mit mythologischen bzw. historischen Szenerien zwischen Pilastern die Frontseite, darüber Festons und seitlich anlehnende Karyatiden bzw. Atlanten. Auf den Seitenpartien eines gesprengten Segmentgiebels liegen seitlich des Kaminaufsatzes mythologische Gestalten und rahmen römische Gottheiten, die sich mittig, jeweils in einer Nische stehend, präsentieren. Darunter befinden sich Apollo, Venus mit Amor, Juno und Minerva.

Von Süden aus gesehen, der zweite Kamin – sogenannter Venuskamin – auf dem Gang rechts neben dem Portal zum Kleinen Rathaussaal. Diesen hat auch Paul Ritter erkennbar ins Bild gesetzt.

Der sogenannte Venuskamin. Bildnachweis: Nürnberger Denkmalsarchiv Dr. Nagel

Der dritte Kamin auf dem Gang von Süden aus gesehen, rechts neben dem Portal zum Sitzungssaal ist auf dem Ölgemälde von Paul Ritter ebenfalls im Hintergrund noch erkennbar.

Es handelt sich bei der zentral im Aufsatz gesetzten Nischen-Figur wohl, wie auch Mummenhoff schreibt, um Juno, dargestellt mit ihrem Attribut, dem Pfau.

Darstellung des dritten Kamins auf dem Gang, rechts neben dem Portal zum Sitzungssaal. Abb. Mummenhoff S. 147

Im Zuge des Rathausumbaus bzw. Neubaus wurde um 1890, d.h. kurze Zeit nach Fertigstellung des Gemäldes eine Zentralheizung eingebaut. Zu dieser Zeit kam es ebenfalls zur Restaurierung der Stuckdecke. Das erste südöstlich gelegene Zimmer entlang des Gangs, ursprünglich die Regimentsstube, als Standesamtsbüro genutzt, wurde nach dem Umbau in drei Zimmer aufgeteilt. Das Standesamt wurde in den nördlichen Bereich auf die rechte Gangseite verlegt.

Grundriss Wolff’scher Rathausbau, zweites Stockwerk. Abb. Mummenhoff S. 214

Zur Zeit der Entstehung des Gemäldes hing an der Wand des Rathaus-Hauptganges zwischen den Portalen und Kaminen eine Serie von Kaiserportraits. Laut Katalog über die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg existierten davon 13 Ölgemälde, beginnend mit Rudolph I. (1273-1291) bis Leopold II. (1790-1792). Auf dem Ritter-Bild ist lediglich Joseph II. (1765-1790) links vom Eingang in den Kleinen Rathaussaal identifizierbar. Ritter hat sich bei der Ausführung des Portraits sehr genau an das Original gehalten, wie die Fotografie aus dem Nürnberger Denkmalsarchiv von Friedrich August Nagel aus den 30er/40er Jahren erkennen lässt. Weitere, an der langen Wand aneinandergereihte Kaiser-Darstellungen sind nur andeutungsweise wiedergegeben. Die Kaiser-Portraits befanden sich zuletzt auf der Burg (Raum 32/ Speisesaal), wo sie beim Luftangriff am 2. Januar 1945 verbrannten.


Dies ist der dritten und letzten Teil eines Blogbeitrags zu einem Gemälde des Nürnberger Malers Paul Ritter (1829-1907), das im März 2021 durch die großzügige Unterstützung des Fördervereins Kulturhistorisches Museum Nürnberg e.V. für die städtischen Kunstsammlungen angekauft werden konnte.

Der erste Teil des Blogbeitrags stellt die beteiligten Personen der Beglückwünschungsszene vor.
Kaiserportraits an den Wänden – und Nürnbergs politische Elite mitten im Bild

Der zweite Teil des Blogbeitrags gibt Einblick in die verschiedenen Zeitebenen, in die uns das Gemälde durch den besonderen Darstellungsstil Ritters blicken lässt.
Zwischen Stechstangen, Rössern und Gauklern – Nürnberger Patriziersöhne auf der Stuckdecke


Dr. Silke Colditz-Heusl arbeitet als freischaffende Kunsthistorikerin in Nürnberg und forscht seit vielen Jahren zur Künstlerfamilie Ritter. Sie ist 1. Vorsitzende des Fördervereins Kulturhistorisches Museum Nürnberg e.V.
Unter anderem bietet Sie die zweiteilige Führung „Ritterlich durch die Stadt – Kulturgeschichte mal anders“ an, in der Stadtgeschichte über Themen und Motive aus den Werken Paul Ritters vermittelt wird und am Grab des Künstlers auf dem Johannisfriedhof endet.
Buchbar über
kunstservice-colditz.de

Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung bei Theo Noll vom Förderverein Kulturhistorisches Museum Nürnberg e.V. und bei Ludwig Sichelstiel von den Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg.

Literaturverzeichnis

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