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28 / 2 / 2020

„Kauf mir einen bunten Luftballon!“

Zur Geschichte eines kurzlebigen Kinderglücks

Luftballons zählen auf den ersten Blick nicht unbedingt zu den klassischen Spielsachen. Doch wer einmal ein Kind mit einem aufgeblasenen oder sogar mit Helium gefüllten Luftballon hat spielen sehen, weiß: Es gibt wenige Spielsachen, die dynamischer, aufregender, lustiger, erhebender, beglückender, aber auch kurzlebiger und enttäuschender sein können als ein bunter Luftballon. Das Problem an diesem fröhlichen Spielzeug: Oftmals endet der Spaß mit einem lauten Knall.

Eine kurze Geschichte des Luftballons

Die Anfänge des Luftballons liegen beim Schlachten, geht die Idee zu diesem Spielzeug doch zurück auf die geleerten, gewaschenen und anschließend aufgepusteten Harnblasen geschlachteter Tiere. Szenen von Kindern, die mit solchen Tierblasen spielen und sie als Schwimmhilfen nutzen, finden sich auf dem Wimmelbild „Die Kinderspiele“ des flämischen Malers Pieter Bruegel des Älteren aus dem Jahr 1560.

Der erste moderne Luftballon wurde 1824 vom britischen Naturforscher Michael Faraday hergestellt. Aus einer Rohgummi-Masse schnitt er zwei runde Flächen, bestäubte die Innenseiten mit Mehl, damit sie nicht zusammenklebten, legte sie aufeinander und drückte sie an den Rändern zusammen. Anschließend leitete er Wasserstoff in den Hohlraum zwischen den beiden Hälften. Durch das Gas dehnte sich das zusammengeklebte Gummi um ein Vielfaches aus und schwebte zur Decke: Der Luftballon war geboren.

Bereits ein Jahr später, 1825, bot der britische Tüftler Thomas Hancock die Erfindung von Michael Faraday als Bastelset zum Verkauf an – die Luftballons musste man damals mit einer Spritze aus dem mitgelieferten Rohgummi noch selbst anfertigen; außerdem waren sie nicht besondere lange haltbar. Erst 1847 entwickelte J. G. Ingram in London vulkanisierte Luftballons, die durch das Eintauchen von Ballonformen in flüssiges Gummi hergestellt wurden. Durch die Behandlung mit Schwefel erreichten sie außerdem eine größere Dehnbarkeit und waren deutlich robuster als ihre Vorläufer.

Im Jahr 1882 malte der Genrekünstler Fritz Beinke (1842 – 1907) den „Nürnberger Spielzeugmacher“. Kinder bestaunen seine Spielzeugschätze, im Hintergrund vermitteln weiße Zelte eine Jahrmarktsituation. Dieser Mann mit Bauchladen hält auch mehrere Luftballons an Schnüren fest.

Fritz Beinke: Der Spielzeugmacher von Nürnberg.

Die Füllung macht‘s: Vom Wasserstoff zum Helium

Damit Luftballons auch flogen, wurden sie anfangs mit Wasserstoff gefüllt. Das jedoch war nicht ganz unproblematisch: Wasserstoff ist ein reaktionsfreudiges Gas, das sich leicht entzündet. Erst mit der industriellen Förderung und Produktion von Helium zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand sich eine praktikable Alternative. Helium war in vielen Bereichen, wie etwa der Luftschifffahrt, aufgrund seiner vergleichbaren Eigenschaften ein willkommener und ungefährlicher Ersatz für den hochentzündlichen Wasserstoff. Wie so häufig war die erste großflächige Verwendung von Helium in Ballons jedoch erst einmal militärischer Natur. Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurde es als Füllgas von Sperrballons eingesetzt – Fesselballons, die mit Stahlseilen über dem Erdboden festgehalten wurden und feindlichen Piloten den Anflug auf Bodenziele erschweren sollten.

Nach 1945 stieg die Nachfrage nach Helium rasant an. Man hatte herausgefunden, dass das Gas auch als flüssiges Kühlmittel eingesetzt werden konnte. Als heute allgegenwärtige Füllung von Luftballons wurde es aufgrund der hohen Nachfrage und anfänglich geringen Produktionsmengen erst relativ spät rentabel – auf Jahrmärkten und Volksfesten verwendeten Schausteller und Verkäufer in Mitteleuropa als Füllung für ihre Luftballons noch bis in die 1970er Jahre hinein weiterhin Wasserstoff.

In Luftballons hat Helium allerdings noch einen ganz anderen Vorteil: Da die Schallgeschwindigkeit in Helium rund dreimal so hoch ist wie an der Luft, verzerrt sich die menschliche Stimme, wenn Helium eingeatmet wird. Die entstehende „Micky-Maus-Stimme“ ist nicht nur für Kinder regelmäßig ein großer Spaß. Luftballons sind also doppelt bespielbar. Sowohl die Ballons selbst als auch der Füllstoff Helium tragen zur kurzweiligen Unterhaltung bei.

Heute werden Luftballons in allen Farben und Formen verkauft. Foto: Berny Meyer

Der Luftballon in der Kunst

Auch die Kunst interessiert sich – natürlich – für den Luftballon, schließlich spiegelt sich in ihm die Sehnsucht nach Leichtigkeit, Freiheit und Liebe wider. Unter vielen anderen Künstlern hat sich der Sänger und Komponist Udo Jürgens mit der politischen Bedeutung des Luftballons befasst. Den Text zu seinem Song „Es war einmal ein Luftballon“ aus dem Jahr 1971 verfasste der bekannte Kinderbuchautor James Krüss. Er erzählt von der Überwindung von Grenzen zur Zeit des Kalten Kriegs.

Bekannt ist natürlich auch Nenas Friedenslied „99 Luftballons“. Weniger bekannt hingegen ist seine Entstehungsgeschichte: Im Jahr 1982 besuchte ihr damaliger Gitarrist Carlo Karges ein Konzert der Rolling Stones in West-Berlin. Am Ende dieses Konzerts ließ die Band Hunderte von Luftballons in den Himmel steigen. Aus dieser Beobachtung heraus entwickelte Carlo Karges den Text für „99 Luftballons“, der die damaligen Ängste vor einem Atomkrieg widerspiegelte.

Und heute? Da sorgt zum Beispiel der britische Street Art Künstler Banksy mit Luftballons für Aufsehen. Ab 2004 schuf er eine Schablonen-Wandbilderserie mit dem Titel „Girl with Red Balloon“. Es zeigt ein kleines Mädchen, das nach der Schnur eines herzförmigen, roten Ballons greift. Bei einer Versteigerung im Auktionshaus Sotheby’s im Jahr 2018 hat Banksy dann eine Kopie des Werks unmittelbar nach dem Verkauf vor den Augen aller Anwesenden durch einen im Rahmen versteckten Schredder in Streifen schneiden lassen. Seit März 2019 wird das zur Hälfte geschredderte Luftballon-Bild in der Staatsgalerie in Stuttgart ausgestellt.

Also: Wenn Sie das nächste Mal einen Luftballon aufblasen, denken Sie daran, wie viele Menschen sich schon mit diesem Spielzeug beschäftigt haben – nicht nur Kinder, sondern auch eine Vielzahl von Erfindern und Wissenschaftlern bis hin zu Musikern und Künstlern. Im Luftballon steckt also deutlich mehr als nur Luft!

Der Volksfestraum im 2. Stock des Spielzeugmuseums wurde um eine kleine Präsentation zur Geschichte des Luftballons ergänzt.


Die Medien- und Wirtschaftshistorikerin Dr. Karin Falkenberg ist seit 2014 Leiterin des Spielzeugmuseums in Nürnberg.

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