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17 / 4 / 2018

Vom Bleichen und Flanieren

Die Rosenau vor den Mauern der Altstadt

Im 13. Jahrhundert erwarb der katholische Deutschherrenorden im Südwesten Nürnbergs einige Ländereien, um dort Versorgungsgärten anzulegen. Der noch junge Orden – er war erst 1190 während des Dritten Kreuzzugs in einem Feldlazarett im Heiligen Land gegründet worden – war zu dieser Zeit bereits ein wichtiger Faktor im wirtschaftlichen und sozialen Leben der Stadt. So betrieb er nicht nur zahlreiche Mühlen und Güter, sondern auch Spitäler und „Siechkobel“ für Leprakranke. Neben den Versorgungsgärten legte der Orden in seinen frisch erworbenen Besitztümern auch noch einen Fischweiher mit einer Insel an, auf der eine Bleiche errichtet wurde. Diese sollte dem Gebiet seinen späteren Namen geben: die Deutschherrenbleiche.

Exkurs für Wäschemuffel: wozu überhaupt bleichen?

Textilien wurden früher aus Naturfasern hergestellt – Leinen, Hanf, Baumwolle. Diese haben eine gelblich-braune Eigenfärbung, so dass sie vor dem eigentlichen Färbeprozess weiß gebleicht werden müssen. Anonsten bleiben später deutlich sichtbare Unreinheiten im Gewebe. Das Bleichen war ein langwieriger Prozess, der mehrere Wochen in Anspruch nehmen konnte. Hierzu wurden die frisch gewebten Tuche auf Rasenflächen ausgebreitet und konstant feucht gehalten, so dass Licht, Luft und die Photosynthese des Rasens für ein langsames Ausbleichen der Stoffe sorgen konnten. Nachgeholfen wurde unter anderem mit Holz- oder Pottasche, bisweilen auch mit Natron, Soda, Ammoniak oder menschlichem Urin. Bleichen war ein einträgliches Geschäft: Alleine in Nürnberg gab es um das Jahr 1500 drei große (Neubleiche, Insel Schütt und Deutschherrenbleiche) und rund ein Dutzend kleinere Betriebe, bei denen Stoffe gebleicht werden konnten.

Die Deutschherrenbleiche, westlich der Nürnberger Stadtmauer, Ausschnitt aus einem Stadtplan des 17. Jahrhunderts.

Von der Bleiche zur Rosenau

In den folgenden Jahrhunderten verlor der Deutschherrenorden durch Kriege, Reformation und Säkularisierung zunehmend an Einfluss. Nach und nach fielen die weitläufigen Ländereien des Ordens in staatliche Hände – so auch 1806 das Gebiet rund um die Deutschherrenbleiche, das in den Besitz des Königreichs Bayern überging und 1825 nach Nürnberg eingemeindet wurde. 1827 erwarb der umtriebige Geschäftsmann Johann David Wiß das Areal und verwandelte es innerhalb kürzester Zeit in einen gewaltigen Vergnügungspark, komplett mit pittoresken Brückchen, einem Felsenkeller, einer Gastwirtschaft und einem Tanzpavillon im chinesischen Stil. Selbstredend war der Eintritt in die exklusive Parkanlage der (zahlenden!) Oberschicht vorbehalten.

Gebleicht wurde da auf der Deutschherrenbleiche natürlich schon lange nicht mehr. Wiß hatte sich auf der Insel im Weiher einen Privatgarten anlegen und eine Villa im maurischen Stil erbauen lassen, die sogenannte „Alhambra“. Vergnügungspark? Alhambra? Deutschherrenbleiche? Das klang in den Wiß’schen Ohren alles reichlich schief, also musste ein neuer Name her. Fündig wurde Wiß bei seiner Frau Rosina Alix: Ihr zu Ehren taufte er den Park „Rosenau“. (Für weniger romantisch veranlagte Leser existiert natürlich auch die Version, dass er seinen Park einfach nach dem gleichnamigen Schloss Rosenau bei Coburg benannt hat – immerhin der Geburtsort von Prinz Albert, der sich später mit Königin Viktoria von Großbritannien vermählen sollte.)

Und dann – das Übliche

Der Wiß’sche Vergnügungspark hatte keinen Bestand. Bereits vierzig Jahre nach ihrer Errichtung musste die „Alhambra“ wegen Baufälligkeit wieder abgerissen werden, und dem Park drohte bald darauf die Umwidmung in Bauland. Nach einigen Verwicklungen fiel die Rosenau schließlich an die Stadt Nürnberg zurück, die die Anlage der gesamten Öffentlichkeit zur Verfügung stellte und sie für Fest- und Massenveranstaltungen nutzte: Konzerte, Tänze, Feuerwerksvorführungen sowie Kahn-, Schlitten- und Kegelpartien standen nun regelmäßig auf dem Programm.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Rosenau praktisch vollständig zerstört. An ihrer Stelle befindet sich heute der Rosenaupark, ein deutlich kleineres begrüntes Naherholungsgebiet – ohne den charakteristischen Weiher allerdings, der aufgrund der zunehmenden Bebauung des Umlands und dem damit einhergehenden Versiegen seiner Zuflüsse nach dem Krieg leider zugeschüttet werden musste.

Die Rosenau von Norden. Aquarell von Johann Adam Klein, 1839.

Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel „Nürnberger ‚Spazierplätze‘. Zur Geschichte des öffentlichen Grüns“ von Jutta Tschoeke, ehemalige Leiterin des Albrecht-Dürer-Hauses und der Graphischen Sammlung. Er erschien im Katalog „Lust und Lieb hat mich beweget. Nürnberger Gartenkultur“, den die Graphische Sammlung zu ihrer gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum im Fembo-Haus 2008 herausgab. Wir haben aus diesem Artikel eine Blogserie über Nürnberger Grünanlagen gemacht.

Teil 1: Die Hallerwiese in Sankt Johannis
Teil 2: Der Schmausenbuck im Lorenzer Reichswald
Teil 3: Der Nürnberger Stadtpark
Teil 4: Dutzendteich & Co.
Teil 6: Nürnbergs Gartenstadt


Alle Bilder stammen aus den Beständen der Graphischen Sammlung, die jetzt in die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg integriert ist.

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