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3 / 1 / 2017

Die Schwarze Kunst

Azubis lernen in der Druckwerkstatt im Museum Industriekultur

Von wegen „Virtual Reality“! Für die angehenden Mediengestalter und Drucker des Verlags Nürnberger Presse sind Bleilettern, Setzkästen und Druckmaschinen in der historischen Druckwerkstatt im Museum Industriekultur der erste und unverzichtbare Schritt ins Berufsleben.

Natürlich sitzt heutzutage jede und jeder, der mit Grafik oder Druck arbeitet, vor einem Computerschirm. Aber die Grundlagen dafür, sagt Ausbildungsleiter Ernst Sommerfeld, erfahren Anfänger am besten „hands-on“. Deshalb beginnen jeweils sechs Azubis ihr erstes Lehrjahr mit einer Woche in der Druckwerkstatt. Sie lernen alles über verschiedene Schriftarten – rund 120 lagern in den Setzkästen – und Schriftgrößen. „Wer einen 48-Punkt-Buchstaben in der Hand gehalten hat, weiß, das ist was Größeres“, sagt Ernst Sommerfeld.

Ernst Sommerfeld an einer Monotype-Setzmaschine. Foto: Erika Moisan

Ernst Sommerfeld an der Monotype-Setzmaschine. Foto: Erika Moisan

Alle Teile sichtbar

Die Azubis setzen eigene Druckzeilen von Hand, lernen die Linotype-Setzmaschine kennen und drucken mit der alten Heidelberger-Druckmaschine. Auch die funktioniert noch – und vor allem sind, im Gegensatz zu modernen und gekapselten Druckmaschinen, die einzelnen Bestandteile vom Antrieb bis zum Zylinder zu sehen. Am Ende der Museumswoche steht ein Produkt aus eigener Hand: ein Plakat zum Beispiel oder eine kleine Broschüre.

Druckzeilen von Hand setzen erfordert Übung. Foto: Ernst Sommerfeld

Druckzeilen von Hand setzen erfordert Übung. Foto: Ernst Sommerfeld

„Die Druckwerkstatt ist eine der ganz lebendigen Einheiten im Museum“, sagt Museumschef Matthias Murko. Regelmäßig demonstrieren fünf ehemalige Schriftsetzer und Drucker die Arbeit von einst, das Museum bietet Spezialführungen für Erwachsene und Vorführungen für Kinder an und über die Zeitungsaktion „Clever Kids“ schnuppern sogar Kindergartenkinder schon Werkstattluft.

Exemplarisches Beispiel für industriellen Wandel

Die „Schwarze Kunst“ fasziniert Generationen – und sie ist das Thema, an dem sich der industrielle Wandel exemplarisch und besonders gut demonstrieren lässt. Angefangen bei Johannes Gutenberg, der um 1450 mit beweglichen Lettern den Buchdruck revolutionierte, über die „einfache“ Kniehebelpresse bis hin zur Setzmaschine Linotype. Von ihr schwärmt Matthias Murko als „der technisch-mechanisch anspruchsvollsten Maschine, die es je gegeben hat“. Sie schmilzt Blei und gießt sogleich Druckzeilen aus, die der Schriftsetzer getippt hat. Dann führt sie die einzelnen Buchstaben, Matrizen genannt, geordnet wieder zurück in den Setzkasten.

Die Linotype-Setzmaschine. Foto: Erika Moisan

Die Linotype-Setzmaschine. Foto: Erika Moisan

Gedacht, gesagt, geschrieben und in wenigen Minuten gedruckt. Wer ließe sich davon nicht beeindrucken? Deshalb stehen selbst Kinder im Museum ganz geduldig Schlange, um von Hand ein Lesezeichen mit dem eigenen Namen auf Papier zu drucken. Wie viel Knowhow dahinter steckt, erfahren die Azubis aus der Zeitung ganz nebenbei. Druckverfahren wie Hoch- und Tiefdruck, Offset-, Sieb- und Digitaldruck sind genauso Thema wie die Frage, was auf einer Farbdose steht. Ganz einfach? Von wegen: Wer mit Farbe druckt, muss wissen, wie schnell oder langsam sie trocknet und welche chemische Zusammensetzung sie hat. Denn die bestimmt, ob und welche anderen Farben und Lacke aufgetragen werden können.

Heinz Schneider, einer der ehrenamtlich tätigen Drucker, erklärt den jungen Leuten den "Heidelberger Tiegel", eine funktionstüchtige Tiegeldruckpresse. Foto: Ernst Sommerfeld

Heinz Schneider, einer der ehrenamtlich tätigen Drucker, erklärt den jungen Leuten den „Heidelberger Tiegel“, eine funktionstüchtige Tiegeldruckpresse. Foto: Ernst Sommerfeld

Nürnberg als Druckstandort

Von den Wänden schauen dabei die Gründerväter herab. Was viele nicht wissen: Nürnberg verbindet eine lange Geschichte mit dem Drucken. Hier wurde 1390 mit der Hadermühle die erste Papiermühle nördlich der Alpen in Betrieb genommen, hier entwickelte sich das Drucken zur Kunst. Der Astronom, Mathematiker und Verleger Regiomontanus eröffnete 1471 eine eigene Werkstatt in der Stadt, Anton Koberger druckte 1493 mit der „Schedelschen Weltchronik“ die erste Zusammenfassung des damaligen Weltwissens und Johann Felsecker 1673 die erste Zeitung. Später druckten Homanns Erben hier Landkarten und stiegen zum führenden Verlag in Europa auf.

Blogbeitrag zu Nürnberg als ein Zentrum der Kartographie

Auch heute ist Nürnberg noch ein bedeutender Druckstandort: Die Nachfolger der bekannten Druckereien Sebaldus und Maul & Belser stoßen tausende Zeitschriften aus, das Sportmagazin Kicker wird hier produziert und an sechs Tagen die Woche erscheinen NN und NZ mit einer Auflage von zusammen 280.000 Exemplaren.

An deren Produktion werden die Azubis des Verlags Nürnberger Presse, die im September im Museum die ersten Handgriffe in ihrem künftigen Beruf gemacht haben, schon bald beteiligt sein.

Informationen zur Führung „Die historische Bleisatzdruckwerkstatt“

Informationen zu den Vorführungen in der Druckwerkstatt

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