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5 / 10 / 2016

Wohin des Weges?

Nürnberg war ein Zentrum der Kartographie

Was wäre der moderne Mensch ohne Navi und ohne Google Maps? Und doch schlagen wir, bevor es auf Reisen geht, gern den Atlas auf – und spazieren mit dem Finger über die übersichtlicheren Landkarten. Dass Nürnberg eine bedeutende Rolle in der Kartographie spielte, ist heute fast vergessen. Dabei ist mit dem Stadtmuseum sogar ein steinernes Zeugnis erhalten: Das Fembo-Haus war im 18. und 19. Jahrhundert Sitz eines der bedeutendsten Verlage für Landkarten.

Noch heute ist ein Ausstellungsraum den Karten und den berühmten Kartenmachern gewidmet. An erster Stelle steht Johann Baptist Homann, der 1687 als Notar nach Nürnberg kam, sich aber bald dem Stechen von Landkarten zuwandte. Glaubens- und Lebenskrisen trieben ihn nach Wien und Leipzig, bevor er 1697 zurückkehrte und 1702 einen eigenen Verlag für Kartographie gründete, die Homännische Landkartenoffizin.

Johann Winter: Portrait Johann Baptist Homann, Kupferstich um 1724 (Reproduktion).

Johann Winter: Portrait Johann Baptist Homann, Kupferstich um 1724 (Reproduktion).

Ein Atlas über die „gantze Welt“

Seine Karten – darunter eigene Entwürfe wie auch, damals üblich, nach Vorlagen aus Frankreich und den Niederlanden kopiert – waren aktuell, für die damalige Zeit sehr genau und zudem dekorativ. 1707 legte er einen Atlas „ueber die ganzte Welt“ auf, dem neun Jahre später ein „Großer Atlas“ mit 126 Karten folgte. Dabei suchte Homann stets nach Neuem und nach Verbesserungen und arbeitete eng mit Wissenschaftlern zusammen, später wurde er selbst zum Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin ernannt. Insgesamt hatte die Homännische Offizin 200 Landkarten im Programm.

Johann Baptist Homann: Europäische Flußkarte, um 1710 (Reproduktion).

Johann Baptist Homann: Europäische Flußkarte, um 1710 (Reproduktion).

Dass Nürnberg dafür ein so gutes Pflaster war, hatte mehrere Ursachen. Hier lebten vielgereiste Kaufleute, die Beziehungen in alle Welt unterhielten. Die Nürnberger Handwerker fertigten die präzisen Instrumente an, die für Positionsbestimmung und Vermessung unabdingbar waren, und die Druckkunst war hochentwickelt. Überdies trafen in der Stadt weitsichtige Denker und Wissenschaftler zusammen, die die Erkundung der Welt vorantrieben.

Die Grundlagen der Kartographie wurden bereits im späten 15. Jahrhundert gelegt, gleich mehrere berühmte Männer waren daran beteiligt. So lebte der Mathematiker und Astronom Regiomontanus von 1471 bis 1475 in Nürnberg, der als wesentlicher Begründer der Trigonometrie gilt, auf der das Vermessungswesen fußt. Der Nürnberger Tuchhändler Martin Behaim, der sein Glück in Portugal fand, ließ 1492 in der Stadt den ersten erhaltenen Globus der Welt fertigen. Hartmann Schedels 1493 erschienene „Weltchronik“ lieferte mit 1800 Illustrationen, Stadtansichten und einer Weltkarte eine umfassende Vorstellung der damaligen Welt. Nicht zuletzt hatte Albrecht Dürer eine „Unterweisung der Messung“ geschrieben, bei der er Fragen der Perspektive, die Durchführung von Messungen und die Herstellung der benötigten Instrumente beschrieb.

Praktisch: Punkte im Abstand einer Meile

„Epochemachend“ für die Kartographie freilich war Erhard Etzlaub. Schon 1492 hatte der Kompassmacher, „geschworene Feldmesser“ und Astronom eine Umgebungskarte von Nürnberg erstellt, die als älteste Spezialkarte der Welt gilt und eine bis dahin ungekannte Präzision aufwies. 1500 folgte die „Romweg-Karte“. Etzlaub hatte sie nach Süden ausgerichtet, Gebirgszüge eingezeichnet und die Hauptrouten als gepunktete Linien dargestellt. Jeder Punkt bedeutete einen Abstand von einer deutschen Meile, also 7,4 Kilometer. So genau war diese Karte, dass der rund 750 Kilometer lange Donauweg von Nürnberg nach Budapest nur 0,06 Prozent von der heute bekannten, tatsächlichen Länge abweicht. Dagegen konnten Strecken in Italien oder Frankreich durchaus zwanzig bis dreißig Prozent länger oder kürzer sein.

Genauigkeit war zu Zeiten der frühen Kartenmacher entscheidend. Sie entwickelte sich beständig fort und es verwundert nicht, dass Homanns Erben – die Homännische Landkartenoffizin ging zunächst an seinen Sohn Johann Christoph Homann über, der sie 1730 an die Geschäftsführer Johann Georg Ebersberger und Johann Michael Franz vererbte – sich zum Programm machten „nichts zu veröffentlichen, es seye denn Gewissheit in der Sache“. So sind ihre Karten stets mit dem Erscheinungsjahr gekennzeichnet, die Autoren werden genannt und es gibt einen Anfangsmeridian, der die genaue Bestimmung der Orte ermöglicht. Um 1760 sind 550 selbstgestochene Blätter bekannt, der Verlag stieg zu einem der führenden in Europa auf.

Afrika, 1795, gezeichnet von Franz Ludwig Güssefeld (Reproduktion).

Afrika, 1795, gezeichnet von Franz Ludwig Güssefeld (Reproduktion).

Ein Kaufmannshaus als Mittelpunkt des Landkartenhandels

1734 erwarben Ebersberger und Franz das stolze Kaufmannshaus – das heutige Fembo-Haus – in der Burgstraße, sie richteten dort Verlag und Druckerei ein und wohnten mit ihren Familien darin. Allerdings änderte sich das Geschäft: Auf der Welt gab es wenig neue Entdeckungen, dafür erlaubte die Geographie ein genaueres Abbild der Welt. Homanns Erben waren um Besserung bemüht und arbeiteten eng mit Wissenschaftlern zusammen. So entstanden zeitgemäße Kontinentalkarten von Afrika, Europa, Asien und „America“, ab Mitte des 18. Jahrhunderts wendeten sie sich kleineren Gebieten in Deutschland zu – die wiederum sehr genau dargestellt wurden.

Lorenz Ritter: Blick über den Hof auf das Hinterhaus des Verlagsgebäudes, 1877.

Lorenz Ritter: Blick über den Hof auf das Hinterhaus des Verlagsgebäudes, 1877.

Ihre Nachfolger freilich konnten der Konkurrenz immer weniger entgegensetzen: Andernorts hatten die Drucker aufgeholt, geographisch wurden Frankreich und England führend. Die Nacherben verstanden sich nicht als Ideengeber der Kartographie, sondern agierten „nur“ als Verleger. In der Folge konnte Georg Christoph Fembo 1804 und 1813 die Anteile am Haus und der Homännischen Offizin erwerben und führte den Landkartenhandel bis zu seinem Tod 1848 fort.

Informationen zum Stadtmuseum im Fembo-Haus

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