Sie ist die Neue. Obwohl Monika Dreykorn das Museum Industriekultur seit Anfang Oktober leitet. „Momentan riecht nichts nach Routine“, sagt sie – und das wird wohl für eine Weile so bleiben.
Eingestellt hatte sie sich auf die alsbaldige Schließung des Hauses, in dem eine große Brandschutz-Sanierung ansteht. Doch nun wird alles anders. Die Pause ist verschoben bis wahrscheinlich 2022. Monika Dreykorn sieht das positiv: So bleibt ihr mehr Zeit, über das Haus nachzudenken und Pläne für nötige Veränderungen reifen zu lassen.
Aber wie kommt eine wie Monika Dreykorn, die Germanistik und Geschichte auf Lehramt studiert hat, zum Museum? „Ich fand das Museum Industriekultur immer sehr reizvoll, von Anfang an. Weil es so nah an den Besuchern dran ist“, sagt sie und hält kurz inne. Wenn sie so über ihren Lebenslauf nachdenkt, führe alles auf ein Museum – und eigentlich genau dieses – hin.
Schon im Studium schrieb sie für das Magazin G/Geschichte, in ihrer Abschlussarbeit beschäftigte sie sich mit der „Jüdischen Geschichte im Museum“ und verglich die Didaktik der Jüdischen Museen in Frankfurt und Fürth. Ihre erste Stelle war die Leitung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Standortmarketings der Metropolregion, dann wechselte sie als wissenschaftliche Angestellte zur Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen und baute den touristischen „Infopoint“ für die Bayerischen Museen und Schlösser auf und konzipierte die Bayerische Museumsdatenbank.
Wertvolle Vorerfahrung
2004 machte sich Monika Dreykorn mit ihrem Kulturbüro selbstständig. Unter anderem koordinierte sie die bundesweite Initiative schule@museum, entwickelte Projekte und PR-Strategien für verschiedene Museen, untersuchte Entwicklungsmöglichkeiten der Museumspädagogik und erstellte Nutzungskonzepte. Sie realisierte die Wanderausstellung „Frauen in Franken“ und das Programm „Kindheit um 1920“ im Freilichtmuseum Fladungen, schrieb den Kindermuseumsführer „Leben wie früher“ für das Fränkische Freilandmuseum Bad Windsheim.
„Die Vorerfahrung war wichtig und wertvoll. Denn ich weiß, wie die Wirtschaft und die Medien ticken“, sagt Monika Dreykorn. Hautnah hat sie den Museumsbetrieb in den vergangenen dreieinhalb Jahren erlebt: Sie baute das „Erlebnis Cadolzburg“ mit auf, die Zeitreise in das Spätmittelalter und den herrschaftlichen Alltag auf der Cadolzburg. Ihr liege die Projektarbeit, sagt die 44-Jährige: „Es übt einen großen Reiz aus, wenn etwas Neues entsteht.“
So wie im Museum Industriekultur. Alles umkrempeln – das sei nicht ihr Ding, sagt Monika Dreykorn. Zumal sie die Arbeit ihres Vorgängers Matthias Murko und des kleinen, aber feinen Teams außerordentlich schätzt. Als „die Neue“ geht sie mit einem frischen Blick durchs Haus, möchte in den kommenden Jahren das Profil des Museums schärfen und neue Akzente setzen.
„Wir wollen nürnbergerischer werden“, erklärt Monika Dreykorn, die in Langwasser aufgewachsen ist. Schließlich steht das Museum Industriekultur mit seiner Darstellung der Industrialisierungszeit – neben dem Stadtmuseum im Fembo-Haus, das die große Zeit der Reichsstadt in der Renaissance präsentiert – für die zweite große Blüte Nürnbergs. Das Wachstum der Stadt in die Stadtteile und die Unternehmen haben Nürnberg verändert und geprägt, dieser Takt ist noch heute spürbar“, sagt die Historikerin.
Hier Arbeit, dort Alltag
Dazu will sie unter anderem das Gegenüber von Arbeit und Alltag, die beiderseits der Museumsstraße aufgereiht sind, wieder stärker betonen. Hier die Werkstätten wie Metall- und Druckwerkstatt und der Dampfmaschinensaal, dort die Arbeiterkneipe, der Kolonialwarenladen und das Kino. Nur zum Beispiel.
Darüber hinaus sollen die Stationen die von Auf- und Umbruch geprägte Welt des 19. Jahrhunderts nicht nur museal konservieren, vielmehr will Dreykorn die Themen in die Jetzt-Zeit und in Richtung Zukunft verlängern. Wie arbeiten wir heute? Welchen Wert hat die Freizeit? Wie verändert sich das Verständnis von Arbeit mit der Digitalisierung? Und so weiter.
Den Anspruch, über die Stadt hinaus gültig zu sein, gibt die neue Museumsleiterin nicht auf. Im Gegenteil: Nürnberg sei typisch für die Entwicklung von Städten in der Industrialisierung, wie unter einem Mikroskop ließen sich die Strukturen beobachten und übertragen. „Wenn ich in die Arbeiterwohnung gehe, hat die in Dortmund auch nicht viel anders ausgesehen.“
Aufräumen, umbauen, forschen
Und ach, die Forschungsprojekte. Die Depots sind voll, die Firmenarchive wachsen und die Sammlung könnte auf neue, aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen abgeklopft werden – interessante Projekte gebe es allemal, sagt Monika Dreykorn. Aber das Team, dem früher einmal zehn wissenschaftliche Mitarbeiter angehörten, ist stark geschrumpft. Neben der Leitung gibt es nur eine volle Stelle für die Sammlungs- und Ausstellungsarbeit.
Wenn es nach Monika Dreykorn geht, wartet viel Arbeit. Sie möchte als erstes die Inszenierungen im Haus verstärken. Etwa durch Riech- und Hörstationen und die Möglichkeit, selbst Hand anzulegen.
„Die Erwartung der Museumsbesucher hat sich geändert, aber auch die Einstellung der Museumsmacher zu ihrem Publikum“, sagt sie. Statt vordringlich die klassischen Museumsgänger anzusprechen, adressierten Museen inzwischen die gesamte Gesellschaft. Kinder, Familien, Senioren, Zuwanderer und Menschen, die mit kulturellen Angeboten zunächst einmal nichts am Hut haben – für wen auch immer: Die Schwelle zum Besuch des Museums muss niedrig und leicht zu überschreiten sein.
Dazu kann beispielsweise ein Event die Eintrittskarte sein. Den Spaß an profunder Erkenntnis aber sollen Besucher über die interessanten Themen und den aufschlussreichen Blick in die Vergangenheit gewinnen.