Nürnbergs älteste öffentliche Grünanlage hat sich in den letzten sechshundert Jahren kaum verändert. Im Norden von der Cnopf‘schen Kinderklinik und den Hesperidengärten begrenzt, im Süden von der Pegnitz, sieht die Hallerwiese heute mit ihrer charakteristischen Anpflanzung mit den drei Linden-Zeilen fast noch genauso aus wie zu Zeiten Albrecht Dürers. Ganz gehörig verändert hat sich hingegen ihre Nutzung – wo sich heute Spaziergänger, Radfahrer und Jogger tummeln, ging es früher oftmals drunter und drüber.
Vom Sumpf zur Eventwiese
Ursprünglich befand sich die Wiese im Besitz der Patrizierfamilie Holzschuher. Viel anfangen ließ sich mit ihr jedoch erst einmal nicht: Da sie mitten im Überschwemmungsgebiet der Pegnitz lag, war sie entsprechend versumpft und konnte trockenen Fußes überhaupt nur auf einen hölzernen Steg überquert werden, der zu den Weidenmühlen hinaus führte. 1379 erwarb der Kaufmann Berthold Haller die Wiese (daher auch ihr heutiger Name); seine Nachkommen ließen das Ufergebiet schließlich trockenlegen und veräußerten das Areal im Jahr 1434 an die Stadt Nürnberg.
Der kam der Verkauf sehr zupass, hatte man damals doch schon seit längerem nach einem neuen Festplatz gesucht. Die Hallerwiese erfüllte die Erwartungen voll und ganz. Bereits 1439, wenige Jahre nach dem Ankauf durch die Stadt, wurde dort ein aufwändiges Armbrustschützenfest mit sage und schreibe 21 Festzelten abgehalten. Aus dem „Stahlschießen“ auf der Hallerwiese wurde rasch eine Tradition, die in der Folgezeit über dreihundert Jahre lang regelmäßig stattfand. Heute erinnert noch der 1904 aufgestellte Schnepperschützenbrunnen an die einstmals beliebten Veranstaltungen. Auch als Platz für Wettbewerbe mit Feuerwaffen oder als Festwiese wurde die Hallerwiese später immer wieder genutzt – Feste und Feierlichkeiten, die den Chronisten zufolge jeweils mit fantastischen Feuerwerken über der Pegnitz beendet wurden.
Hoch die Gläser!
A propos Feierlichkeiten. Im 18. Jahrhundert machte ein besonderes Privatfest im Sichart‘schen Garten Furore, das im Laufe des Abends auf die Hallerwiese ausgedehnt wurde. Es fand am 12. Mai 1754 im Anschluss an einen Sechsorte-Konvent statt, zu dem einige fürstliche Persönlichkeiten in der Stadt weilten – für die Nürnberger Oberschicht Grund genug, sich entsprechend zur Schau zu stellen. Ein Augenzeuge berichtet:
„Das Fest selbst begann mit Ball und Spiel in verschiedenen Zimmern, wobei die nötigen Erfrischungen im Überfluss gereicht wurden; darauf folgte ein vorzügliches Soupée mit einhundert Gedecken an einer figurierten Tafel in Form des Buchstabens ‚C‘ unter Zelten auf der Hallerwiese. Währenddessen wurden der Sichartsche Garten und die Garten-Gebäude vortrefflich illuminiert, wohlgesetzte Instrumental- und Vokal-Musik aufgeführt und unter Losfeuerung von 24 Böllern und Trompeten- und Paukenschall auf die Gesundheit getrunken. Nach aufgehobener Tafel wurde über der vorbei fließenden Pegnitz sofort ein Feuerwerk abgebrannt; die außergewöhnlichen Feierlichkeiten endeten schließlich mit einem Ball, der bis ins Morgengrauen hinein andauerte, unter allgemeinem Beifall und mit schönster Ordnung, wozu zwei starke Kommandos der hießigen Kreismiliz mit zwei Lieutenants postiert waren.“
Wer ohne Sünde ist…
Wer nun aber glaubt, die Hallerwiese sei seit ihrem Erwerb durch die Stadt Nürnberg immer nur ein Ort feucht-fröhlicher Ausgelassenheit oder der Erholung gewesen, der irrt. Ganz im Gegenteil: Abseits von Schützenfesten, Gelagen und Spaziergängen wurde die Wiese auch als Richtplatz genutzt. Seit 1446 fanden hier Urteilsvollstreckungen an Gefangenen statt, die sich solch verdammenswerter Verbrechen wie der Vielweiberei schuldig gemacht hatten – oder uneheliche Kinder erwarteten. Die Bestrafung der Verurteilten war grausam: Man steckte sie in Säcke, warf sie in die Pegnitz und hielt sie bis zum Eintritt des Todes mit Stangen unter Wasser.
Wenn Sie also das nächste Mal über die Hallerwiese spazieren, halten Sie einen Moment inne und gedenken Sie der langen und wechselhaften Geschichte des Ortes – er hat es verdient!
Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel „Nürnberger ‚Spazierplätze‘. Zur Geschichte des öffentlichen Grüns“ von Jutta Tschoeke, ehemalige Leiterin des Albrecht-Dürer-Hauses und der Graphischen Sammlung. Er erschien im Katalog „Lust und Lieb hat mich beweget. Nürnberger Gartenkultur“, den die Graphische Sammlung zu ihrer gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum im Fembo-Haus 2008 veröffentlichte.
Teil 2: Der Schmausenbuck im Lorenzer Reichswald
Teil 3: Der Nürnberger Stadtpark
Teil 4: Dutzendteich & Co.
Teil 5: Die Rosenau vor den Mauern der Altstadt
Teil 6: Nürnbergs Gartenstadt
Informationen und weitere Fotos zu Ausstellung
Alle Bilder stammen aus den Beständen der Graphischen Sammlung, die jetzt in die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg integriert ist.
Tittel Gerd
14 / 8 / 2017 | 17:01
Aifach schäi deä Arrdiggl!/Einfach schön dieser Artikel!