Museenblog Nürnberg

Neueste Beiträge

Kategorien

14 / 6 / 2017

Buchkunst in Handwerkerhäusern

Altstadtfreunde präsentieren Verlage der Region im Museum in der Kühnertsgasse

Der Alltag der kleinen Leute hat es besonders schwer. Ihm Aufmerksamkeit zu schenken, ist das Anliegen des Museums Kühnertsgasse. Drei spätmittelalterliche Handwerkerhäuser, die die Altstadtfreunde aufwendig saniert haben, erlauben einen Blick in das Leben und Arbeiten unserer Vorfahren. Einen Bogen ins Heute schlägt die Ausstellung „klein aber oho!“, in der 19 Verlage aus der Region ihre Kunst vom 17. Juni bis 3. September 2017 vorstellen.

Inge Lauterbach streift mit dem kritischen Blick der Ausstellungsmacherin durchs Haus, oder besser die Häuser. Denn Nummer 18, 20 und 22 sind verbunden. Sie steigt die steilen Stiegen empor, geht durch die engen Stuben. Hier muss noch ein Plakat aufgehängt werden, dort ein Katalog befestigt. Immer wieder nimmt die Chefin eins der schönen Bücher in die Hand, die Verlage von Hersbruck bis Cadolzburg, von Nürnberg bis Bamberg geliefert haben.

Bekennerschreiben der Büchernarren

Manch eines ist ein wirkliches Kunstwerk mit anmutiger Schrift und sinnhaltigem Satz, illustriert oder als Leporello gefaltet, wie die Werke beispielsweise von Peter Zitzmann oder Guido und Johannes Häfner, die „Brothers in Art“. Andere Bände sprechen durch Thema („Bob Dylan“ oder „Damals in der Steinzeit“) und Titel („Bekennerschreiben“) an. Vitrinen und Ausstellungstische reichen bis unters Dach, ganz oben findet sich ein Büchertisch mit Literatur einfach „zum Mitnehmen“.

„Man staunt, wie aufwendig die ihre Sachen verschönert haben“, das sagt Inge Lauterbach über die Bewohner der Kühnertsgasse in früheren Zeiten. Aber sie könnte genauso gut über die heutigen Büchermacher sprechen, die neben viel Herzblut ganz offensichtlich großes ästhetisches Empfinden und handwerklichen Stolz in ihre Produkte stecken. Hier schließt sich ein Kreis von der Ausstellung zum Museum, ein zweiter ist die Vergangenheit Nürnbergs als bedeutende Drucker- und Verlegerstadt und ein dritter die Vorgängerausstellung „Haderlumpen und Wasserzeichen – vom Papier zum Buch“. Die fertigen Bücher schließen da fast notwendig an, sagt Inge Lauterbach.

Papier- und Buchobjekte von Sabine Neubauer, hangeschöpft und geformt aus der Pflanzenfaser Kozo. Foto: Brigitte List

Von Nagelschmied bis Kompassmacher

In der Kühnertsgasse freilich haben andere Handwerker gelebt und gearbeitet. Metallhandwerker meist wie Nagel- und Zirkelschmiede oder Rotschmiede, die Kannen und Glocken aus Messing gossen. Aber auch Schwarzfärber und Deckweber, Goldschläger und Kompassmacher. All das haben die Altstadtfreunde Nürnberg e.V. mühevoll erforscht und versuchen, einen Eindruck des Alltags in früherer Zeit so getreu wie möglich darzustellen.

Den Aufbau des Museums hat Inge Lauterbach von 2004 bis 2010 als Vorsitzende der Altstadtfreunde maßgeblich betreut, seit seiner Eröffnung 2011 ist das Museum „ihr Baby“. Sie hat die Illustrationen aus den Zwölfbrüderbüchern ausgesucht, die Handwerker porträtieren. Hat mit dem Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim über die Schmiede verhandelt, die 1865 in Lauf in Betrieb genommen wurde und nun als Dauerleihgabe in der Kühnertsgasse beispielhaft eine Werkstatt zeigt. Hammer und Amboss, Zangen und Schraubstock sind ganz real, die Glut in der Esse natürlich nur eine Attrappe.

Alte Werkzeuge der Klingenschmiede. Die Laufer Messer- und Werkzeugschmiede des Michael Bär von 1865 ist eine Überlassung des Fränkischen Freilandmuseums. Bildnachweis: Uwe Kabelitz

Jeden der Balken, die zum Teil seit 1377 halten, kennt sie. Jede Stufe und die vielen Farbschichten, die abgetragen und an einigen Stellen sorgsam erhalten wurden. Inge Lauterbach weiß um die Erweiterungen, die die Hausbesitzer vornahmen, und die ganz und gar unwahrscheinliche Fusion der Häuser 18 und 20. In ihnen lebten einstmals eine Witwe und ein Witwer, die sich zusammentaten und nach der Heirat einen Durchgang schufen.

Spaziergang durch die Epochen

Die Altstadtfreunde haben bei der rund drei Millionen Euro teuren Sanierung darauf geachtet, dass auch verschiedene Epochen zu sehen sind. Die dunkle mittelalterliche Blockstube, deren Wände ganz aus Holz waren und darum besonders gut die Wärme hielten, wie auch die Barockstube mit ihren großen Fenstern, und dem Esstisch mit der langen Eckbank, um den herum sich das Leben der Familie abspielte.

Der Ofen im Biedermeierzimmer (das um 1830 eingerichtet wurde) im 1. Obergeschoss des Hauses Nr. 18. Bildnachweis: Uwe Kabelitz

Das Prinzip übrigens ist bei allen Häusern gleich: Im Erdgeschoss lag die Werkstatt, im ersten Stock wohnte die Familie und unterm Dach war Lagerraum. Was bei der Restaurierung gefunden wurde, ist heute sorgsam in Vitrinen ausgestellt. Messerklingen genauso wie Becher und Schüsseln, die Alltagsgeschirr waren, aber auch eine reich verzierte belgische Raerener Kanne.

Tresor des späten Mittelalters

Die Decken sind niedrig, die Böden haben Schieflage und ein freigeschlagenes Gefach im Fachwerk diente den Bewohnern wohl als „Tresor“. Großzügig und luxuriös ist das Leben damals nicht gewesen. Die Neugier darauf aber ist groß: 3500 Besucher zählt das Handwerkermuseum jährlich, angefangen bei Kindergartenkindern bis zu Geburtstagsgesellschaften, die bei einer Führung in die Vergangenheit eintauchen wollen.

Gut so, findet Inge Lauterbach. Und womöglich weckt die Ausstellung „klein aber oho!“ auch bald das Interesse ganz anderer Zeitgenossen.

Informationen zum Museum Kühnertsgasse und zur Ausstellung

Schreibe einen Kommentar
Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit einem * markiert.

*

*