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28 / 10 / 2016

„Dem Homo ludens eine Gasse“

Dem Gründer des Deutschen Spielearchivs zum 80. Geburtstag

Recht glücklich sah Bernward Thole am Wochenende vom 8.-10. April 2010 zunächst nicht aus, als die Umzugslaster vor dem Archiv in der Barfüßerstraße in Marburg vorfuhren. 30.000 Spiele, 7.000 Fachbücher und viele Regalmeter sollten an diesem Wochenende verpackt und verladen werden, um anschließend ihre Reise, in insgesamt 7 Lastwägen samt Anhänger, nach Nürnberg anzutreten. Sein, wie er das Archiv gerne nennt, „viertes Kind“ verließ an diesem Wochenende seine Heimat und die Trennung fiel dem Archivgründer wirklich nicht leicht.

Die Räume des Spielearchiv in der Marburger Barfüßerstraße. Bildnachweis: Gerd Andratschke

Die Räume des Spielearchiv in der Marburger Barfüßerstraße. Bildnachweis: Gerd Andratschke

Inzwischen aber überwiegt bei dem Archivgründer doch die Freude über die neue Heimstadt des Spielearchivs in Nürnberg und das Wissen, dass es in öffentlicher Hand gut aufgehoben ist.

„Mein Deutsches Spielearchiv in Nürnberg zu wissen, ist für mich nicht nur emotional, sondern auch fachwissenschaftlich eine Genugtuung und ich darf dies wohl auch als Ausweis meiner über drei Jahrzehnte währenden intensiven Sammler- und Forschertätigkeit verstehen. Ich bin glücklich, dass mit den Museen der Stadt Nürnberg nun eine institutionelle Einbindung gelingt, die einen dauerhaften Bestand dieser Einrichtung gewährleistet.“
(Dr. Bernward Thole, Die Spielebrücke e.V., Marburg)

Ein Interview mit Bernward Thole auf YouTube

In den vergangenen 6 Jahren stand Dr. Bernward Thole dem Archiv und seinen Mitarbeitern immer mit Rat und Tat zur Verfügung – er ließ sein flügges „Kind“ aber auch seine eigenen Erfahrungen machen und neue Ideen und Wege entwickeln.
Heute ist das Deutsche Spielearchiv eine feste Größe im Museumsverbund der Stadt und hat sich von einer in 2000 Umzugskisten verpackten Spielemenge zu einem wissenschaftlich wie pädagogisch nutzbaren Facharchiv entwickelt. Und dabei sind die Potentiale noch längst nicht ausgeschöpft!

Zu Bernward Tholes 80. Geburtstag am 2. November 2016 möchten wir nun gerne die Gelegenheit nutzen, um dem Archivgründer ganz herzlich zu gratulieren und uns für seinen lebenslangen Einsatz für das Spiel und das Spielen bedanken. Denn das Spielearchiv ist bei weitem nicht sein einziger Verdienst rund um das Thema Kulturgut Spiel.

Der Kritiker

Der Grundstein wurde wohl schon in seinem Elternhaus gelegt. Bernward Tholes Mutter war das Spielen mit den Kindern ein Anliegen, sie spielte mit ihnen klassische Brettspiele wie Dame, Halma, Mühle und natürlich Schach. Zunächst zeigten sich die spielerischen Tendenzen dann in seiner Studienwahl der Fächer Neuere Deutsche Literatur und Theaterwissenschaft, in denen er 1971 in Marburg mit seiner Dissertation „Die Gesänge in den Stücken Bertolt Brechts: Zur Geschichte und Ästhetik des Liedes im Drama“ promovierte.

Die Initialzündung zum Thema Spiele geschah dann, als der wissenschaftliche Mitarbeiter Thole 1974 auf die neue Kolumne der ZEIT „Für Spieler“ stieß. Eugen Oker, der erste Spielerezensent, veröffentliche dort nun regelmäßig Berichte über neue Gesellschaftsspiele, die Thole aufmerksam verfolgte. Als dann plötzlich die Beiträge Eugen Okers ausblieben, schrieb Thole kurzerhand selbst eine Spielekritik über mehrere Spiele aus der Heyne-Taschenspiel-Reihe mit der Überschrift „Wenn Worte gewexelt werden“ und schickte die Rezension kurzerhand an die Redaktion. Am 19. Oktober wurde Bernward Tholes erste Spielekritik in der ZEIT abgedruckt.
http://www.zeit.de/1973/43/wenn-worte-gewexelt-werden

Dies war Beginn einer langjährigen Tätigkeit als Spielekritiker. Eugen Oker holte Bernward Thole in sein neues Team bei der Frankfurter Rundschau, für die dieser dann fast 30 Jahre regelmäßig schrieb. Die Themen Spielekritik und Spielpädagogik fanden nun auch einen Platz im Rahmen seiner universitären Arbeit und seinem Engagement bei Volkshochschulkursen sowie in der Jugend- und Seniorenarbeit.

Der Verein und das Archiv

Nun führte eines zum anderen: Die Spielwarenmesse in Nürnberg bot dem Kritiker das „Futter“ für seine Arbeit und ließ ihn gleichgesinnte Spielefreunde kennenlernen. Die immer größer werdende Spielelandschaft verlangte quasi nach Fachleuten, die den Familien und Spielefreunden eine Orientierungshilfe sein könnten. Und so begründete Bernward Thole mit seinen Kollegen den Verein „Spiel des Jahres“, der am 28. August 1978 beim Registergericht der Stadt Nürnberg eingetragen wurde. Dass sich aus diesem „Kritikerpreis“ eine regelrechte Erfolgsgeschichte entwickeln sollte, konnte er vermutlich damals nicht erahnen. Bis heute ist das „Spiel des Jahres“ ein (international!) anerkannter Preis und die Empfehlungsliste des Vereins eine gute Orientierungshilfe für die inzwischen wirkliche unübersichtlich gewordene Spielelandschaft.

Dr. Bernward Thole und Synes Ernst (Journalist und seit 1982 Jurymitglied bei Spiel des Jahres) bei der Kürung des Spiel des Jahres 1996, "El Grande". Bildnachweis: Gerd Andratschke

Dr. Bernward Thole und Synes Ernst (Journalist und seit 1982 Jurymitglied bei Spiel des Jahres) bei der Kürung des Spiel des Jahres 1996, „El Grande“. Bildnachweis: Gerd Andratschke

Aus Bernward Tholes engagierter Journalisten- und Kritikertätigkeit erwuchs nun ein offensichtliches „Problem“, beziehungsweise eine Chance, die er sogleich ergriff und umsetzte: Immer mehr Spiele gelangten ins Thole´sche Haus – schließlich musste er sie als Rezensent spielen und bewerten. Um diese automatisch entstehende Spielesammlung nicht einfach unbenutzt in einen Keller zu verbannen, kam Thole auf die Idee, auf der Basis dieser Rezensionsexemplare ein Spielearchiv aufzubauen, in dem die jüngere Geschichte des Brettspiels dokumentiert und laufend fortgeführt wird. Ganz bewusst wollte er ein „Arbeitsarchiv“, kein Museum. Thole formulierte bei der Eröffnung am 20. Juni 1985 „Ziel ist es, die Spieleproduktion von 1945 bis heute zu dokumentieren und damit Grundlagen für eine intensive Analyse und wissenschaftliche Reflexion der Spieleentwicklung unserer Zeit zu schaffen.“ Damit legte er den Grundstein für eine vermutlich weltweit einzigartige Sammlung, die heute bei den Museen der Stadt Nürnberg ihre Heimat gefunden hat.

Die offizielle Eröffnung des Deutschen Spielearchivs in Marburg 1985: Dr. Bernward Thole, ein Mitarbeiter der Stadt Marburg, Dr. Gerhard Pätzold (Bürgermeister der Stadt Marburg), Tom Werneck (heute Bayrisches Spielearchiv Harr e.V.), Armin Klein (Kulturreferent). Bildnachweis: Gerd Andratschke

Die offizielle Eröffnung des Deutschen Spielearchivs in Marburg 1985: Dr. Bernward Thole, ein Mitarbeiter der Stadt Marburg, Dr. Gerhard Pätzold (Bürgermeister der Stadt Marburg), Tom Werneck (heute Bayrisches Spielearchiv Haar e.V.), Armin Klein (Kulturreferent). Bildnachweis: Gerd Andratschke

Ein Leben für das Spiel

Bernward Tholes Verdienst um das Spiel und das Spielen in über 40 Jahren ist kaum zu ermessen. Gerade in seiner Wirkungsstätte Marburg brachte er das Spiel nicht nur in die öffentlichen Medien, sondern ganz einfach und persönlich an die Tische von Altenheimen, Kliniken, Kinder- und Jugendeinrichtungen. Seiner Zielsetzung der „Förderung des Spiels in Familie und Gesellschaft“ verlieh er durch sein Engagement einen ganz persönlichen Wert. Durch seine wertvolle Netzwerkarbeit schuf er eine Plattform und öffentliche Aufmerksamkeit für das Kulturgut Spiel, das anfangs nur mühsam von dem Etikett „Kinderkram“ zu trennen war. Er bereitete mit den Worten Eugen Okers „dem Homo ludens eine Gasse“ in unserer Gesellschaft.

Heute ist die Spieleszene lebendiger und vielseitiger denn je, trotz der angeblichen Konkurrenz durch das Computerspiel und die digitale Vergnügungswelt. Bernward Thole hat seinen Anteil an dieser wunderbaren Entwicklung.

Wir wünschen noch einmal alles Gute zum Geburtstag und hoffen auf viele weitere spielerische Inspirationen und Jahre voller Spielfreude!

“Menschen spielen mit allem, das sie umgibt, mit Worten, mit der Macht, mit der Liebe, mit der Musik.”
Bernward Thole

Wenn Sie Bernward Thole auch gratulieren möchten, schreiben Sie einen Kommentar!

6 Kommentare zu “„Dem Homo ludens eine Gasse“

  • Ulrica Griffiths
    2 / 11 / 2016 | 11:30

    Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und die besten Wünsche für die kommenden, hoffentlich ebenso spielerischen Jahre! Wir hatten letztes Jahr die Gelegenheit, das Spielearchiv in Nürnberg zu besichtigen, und waren überwältigt. Vielen Dank für dafür und Ihr weiteres Lebenswerk für das Spielen! Ulrica Griffiths & Team, PR-Agentur Griffiths Consulting in München-Haar, Spezialisten für die Zielgruppe Familie & Kind

  • Joe Nikisch
    2 / 11 / 2016 | 11:59

    Lieber Bernward,
    herzlichste Glückwünsche zu deinem 80. Geburtstag. 80 Jahre auf die du wirklich stolz sein kannst. Spiel weiterhin viel.
    Pia und Joe

  • Jonas Richter
    2 / 11 / 2016 | 15:55

    Herzlichen Glückwunsch! Ich bin froh über die Anerkennung, die Gesellschaftsspiele heute genießen, und danke Ihnen dafür dass Sie dazu Ihren Beitrag geleistet haben!

  • Wolfgang Kramer
    2 / 11 / 2016 | 16:31

    Wolfgang und Ursula Kramer
    Lieber Bernward,

    die herzlichsten Glückwünsche zu Deinem 80. Geburtstag.
    Zu Deinem 70. waren wir noch in Marburg bei Deiner offiziellen und Deiner privaten Feier.
    Mein Gott, wie die Zeit vergeht. Beib gesund und habe weiterhin viel Spaß mit Spielen und damit, die Spiele den Menschen näher zu bringen.
    Liebe Grüße Wolfgang und Uschi

  • Wolfgang Lüdtke
    3 / 11 / 2016 | 0:49

    Lieber Bernward,
    Herzlichen Glückwunsch zu deinem 80.
    Ich war zwar nur einmal im Spielearchiv in Marburg, aber das hat mich vor vielen Jahren schon beeindruckt. Vielen Dank für deine Initiativen fürs Spiel. Gerade habe ich deine erste Rezension in der Zeit gelesen. Hat Spaß gemacht.
    Noch viele weitere gesunde Jahre
    und Spiele Grüße
    Wolfgang

  • Ute Schäfer
    28 / 7 / 2019 | 22:51

    Lieber Herr Thole, die sehr verspäteten Glückwünsche erreichen Sie hoffentlich auch heute bei guter Gesundheit und aktiv wie eh und je. Immer wieder denke ich gern an unsere Zusammenarbeit für Spiele in Bibliotheken zurück – eine wertvolle Erinnerung an einen besonderen, mitreißenden Menschen. Ganz herzliche Grüße aus Stuttgart, Ute Schäfer (ehemals ekz)

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