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27 / 8 / 2025

Hard und Heavy

Rock und Metal in der Fränkischen Schweiz

Na, erinnern sich die Älteren unter uns? Etwa an einen ohrenbetäubenden Auftritt der britischen Rocker „Humble Pie“ Mitte der 1970er im To Act, nach dessen Besuch man drei Tage lang fast nichts hören konnte. Oder an Paul Stanley, Gitarrist der US-Band „Kiss“, wie er 1984 bei einem Konzert in der Hemmerleinhalle sein Musikinstrument krachend zerlegte. Waren Sie dabei?

Jens Kraus kann sich daran nicht erinnern, dafür ist der Leiter des Fränkische Schweiz-Museums Tüchersfeld zu jung. Aber als der promovierte Archäologe vor zwei Jahren im Radio hörte, dass „Metallica“ im Februar 1984 ihren ersten Auftritt in Deutschland in „Neunkirchen bei Nürnberg“ absolviert hatte, wurde er neugierig: „Es gibt ja zwei Neunkirchen bei Nürnberg. Wenn es Neunkirchen am Sand in Mittelfranken gewesen wäre, wäre nichts passiert – aber es war das oberfränkische Neunkirchen am Brand. Und dann lag das Thema auf der Straße“, erzählt der Leiter des Regionalmuseums. „Bands, die heute Stadien füllen, spielten bei uns in der Fränkischen Schweiz!“

Bühne beim 3rd Summernight Festival vor der Hemmerleinhalle.

Zwei spätere Super-Bands traten oft hintereinander an einem Abend auf, wie am 2. Dezember 1979 „AC/DC“ und „Judas Priest“ – „aus heutiger Sicht Wahnsinn!“, findet Jens Kraus. Fasziniert von dem Kontrast, dass in den 1970er und 1980er Jahren Rock- und Metal-Fans in Scharen in die damals beschauliche 5 000 Einwohner-Gemeinde mit ausgeprägter Trachten-Tradition strömten, um einen Abend mit „Iron Maiden“ und „Mötley Crüe“ zu verbringen, ging er der Sache auf den Grund.

Lange vor Wacken war Neunkirchen am Brand das Mekka des Hard Rocks und des Heavy Metals. Zu verdanken hatte die Gemeinde dies einerseits einem lokalen Unternehmer. Georg Hemmerlein, Besitzer eines Zementwerkes, ließ 1973 eine nach ihm benannte Halle errichten, die als Showroom für seine Betonfertigprodukte konzipiert war. Andererseits war die Stadt Nürnberg von einem Auftritt von „The Sweet“ 1973 in der Meistersingerhalle „not amused“ gewesen: „Nicht ordnungsgemäßes Nutzen der Stuhlreihen durch die Konzertgäste führte dazu, dass die Nürnberger Kulturpolitik solche Musikanten für unerwünscht erklärte“, schildert Kraus. Da kam die 3 500 Besucher fassende private Hemmerleinhalle in Neunkirchen als Ausweichstätte gerade recht.

Zwischen 1976/77 und 1988 hatte die heutige Großeltern-Generation mit der Hemmerleinhalle ein Sehnsuchtsziel, in dem die damals misstrauisch beäugten, langhaarigen und überwiegend männlichen Jugendlichen etwas ganz anderes hörten als Volksmusik oder Schlager. Bis nach Frankfurt am Main und München reichte das Einzugsgebiet, aus dem die Fans anreisten. Zumeist kamen sie jedoch aus den Regionen um Neunkirchen und Forchheim und vor allem aus den Kasernen der rund 40 000 rund um Nürnberg stationierten US-amerikanischen Soldaten. „Die GIs waren die Cashcow“, meint Jens Kraus. „Wenn Manöver stattfanden, sanken die Besucherzahlen beträchtlich.“ Dass auch nach dem weitgehenden Abzug der US-Truppen noch genügend Zeitzeugen aufzutreiben sind, erfuhr der Museumsleiter nach einem Aufruf über Facebook. „Das Thema ist unglaublich emotional, und die Rock-und-Metal-Fans sind unglaublich gut vernetzt. Wir waren davon ausgegangen, dass sich vielleicht fünf Zeitzeugen melden, die uns etwas von damals erzählen können. Das wurde bei weitem übertroffen!“

Lag minutenlang um den Hals von Ritchie Blackmore: ein „Rainbow“-Fan-Schal.

Über 200 originale Erinnerungsstücke von 40 Leihgebern kamen zusammen, so dass Kraus am 16. Mai 2025 die Ausstellung „Rockin‘ Franconia – Von Punkern, Rockern & Metalheads“ im Fränkische Schweiz-Museum eröffnen konnte. Autogrammkarten, Tickets, Poster stammen aus der Ära vor dem Merchandising-Boom. Bald zierten bunte Aufnäher Jeanswesten, die damit zur Fan-Kutte wurden und zum obligatorischen Dresscode bei den Auftritten von „Black Sabbath“, „Status Quo“ und „Motörhead“. Andachtsvoll lässt sich ein „Rainbow“-Schal bewundern, den sich Bandleader und Gitarrist Ritchie Blackmore mal kurz von einem Besucher auslieh. Und ja, die von Paul Stanley zerstörte Gitarre konnte von einem Neunkirchner Konzerthelfer geborgen werden und ist nun neben einem Bühnengürtel des Künstlers eindrucksvolles Ausstellungsobjekt.

Mit Aufnähern wird aus der Jeansweste eine Fan-Kutte.

Fotos und Texte über 60 ausgewählte Bands informieren an drei Stellwänden mit Drehelementen – ein geniales „Triptychon“, schrieb in das Besucherbuch ein Tourist aus Essen, den es selbst in jungen Jahren immer wieder in die heimatliche Gruga-Halle zog. Natürlich ist auch Musik zu hören – über Kopfhörer und selbstverständlich von rauschenden Audio-Kassetten, dem Medium jener Zeit. Bootlegs und Interviews mit den bis heute treuen Fans bringen die Stimmung zurück, wie sie 1978 von Frank Zappa oder 1984 von „Metallica“ erzeugt wurde.

Deutlich weniger gut dokumentiert sind die von 1969 bis 1981 in einem ehemaligen Kuhstall in Weißenohe über die Bühne gegangenen Konzerte. Der Club To Act hinterließ sagenumwobene Geschichten um Auftritte von „Hawkwind“ und „Iron Butterfly“, aber wenig Greif- und Zeigbares. „Statt Tickets gab es einfach einen Stempel auf das Handgelenk“, erklärt Jens Kraus. T-Shirts mit den Konterfeis der Bandmitglieder und Tourneedaten kamen mit zunehmender Kommerzialisierung erst später in Gang. Mit 400 Gästen war der Innenraum, in dem die vordersten Zuhörer direkt an der Bühne saßen, voll belegt. „Aber oft waren doppelt so viele da“, wurde Jens Kraus erzählt. Ende der 1970er veränderten sich Musikrichtung und Publikum in Richtung Punk, was das To Act in den Fokus der Polizei rückte. Wegen angeblicher Rauschgiftkriminalität war 1981 Schluss.

Bis zu 18 000 Gäste jährlich zählt das Fränkische Schweiz-Museum Tüchersfeld – und das in einem kleinen, zu Pottenstein gehörenden Ort mit gerade einmal 200 Einwohnerinnen und Einwohnern. Es zeichnet sich ab, dass das Ausstellungsjahr 2025 zu den besucherstärksten Saisons gehören wird. Bis 26. Oktober ist die Rock-und-Metal-Schau geöffnet, man kann hier also noch dabei sein. Und muss die Luftgitarre nicht mitbringen: Ein E-Drum-Set nebst Saiten-Zupfinstrument steht bereit für alle, die ihr Lieblings-Schlagzeug-Solo oder ein unsterbliches Gitarren-Riff nachspielen wollen.

Im Fränkische Schweiz-Museum in Tüchersfeld ist die Ausstellung „Rockin‘ Franconia – Von Punkern, Rockern & Metalheads“ bis 26. Oktober 2025 täglich geöffnet von 10 bis 17 Uhr.
www.fsmt.de

„Tribute-Weekend – Erinnerung an die Hemmerleinhalle“, Freitag und Samstag, 26./27. September 2025, Mehrzweckhalle An der Mittelschule, Schellenberger Weg 26, 91077 Neunkirchen am Brand
Informationen zum Ticket-Vorverkauf:
Flyer zur Ausstellung (PDF-Datei 25 MB)

 


 

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