Museenblog Nürnberg

Neueste Beiträge

Kategorien

14 / 6 / 2024

Geist, Glück, Geschicklichkeit

Ein Portrait des Spielesammlers Dieter Mensenkamp

Ein Mann, eine Sammlerleidenschaft und über 5000 Spieleschätze aus vier Jahrhunderten: Dieter Mensenkamp sammelte und kategorisierte 35 Jahre lang Brett-, Karten- und Beschäftigungsspiele. Seit 2021 ist der Großteil seiner bedeutenden Privatsammlung ein Teilbestand des Deutschen Spielearchivs im Haus des Spiels.

Wie wird man (Spiele-)Sammler?

Als Kind spielte Dieter Mensenkamp, Jahrgang 1944, gelegentlich Schach, Mühle oder Mensch ärgere dich nicht. Eine ausgeprägte Spieltradition gab es in seiner Familie nicht. Erst im Erwachsenenalter entwickelte er eine Leidenschaft, die bis zum heutigen Tage andauern sollte: die Faszination für alte Spiele. Schon lange hatten ihn als passionierten Flohmarktgänger die künstlerisch wertvollen Gestaltungen historischer Kinderbücher begeistert. Deren Verlage führten häufig auch Spielesortimente mit großformatigen Bildmotiven und aufwändiger Ausstattung – so kam eins zum anderen.

Der Spielesammler Dieter Mensenkamp mit dem Spiel „Im Zoo“ bei der Eröffnung der Ausstellung „Schätze in Schachteln“ im Nürnberger Spielzeugmuseum. Foto: Simon Weis

An den Grundstein seiner Spielesammlung erinnert sich Mensenkamp gut: das Spiel Im Zoo des Verlages O. & M. Hausser aus Ludwigsburg. Der Kaufgrund war nicht etwa Spielspaß oder Seltenheit, sondern die kuriose und liebevolle Deckelgestaltung. Die Spieleschachtel zeigt einen Elefanten mit Brille, auf dessen Rücken ein eierlegender Hahn sitzt. Bald erweiterte der Sammler seine Spielekäufe um spielbezogene Fachliteratur; sein ursprüngliches Interesse an der Grafik führte über die Beschäftigung mit Spielkategorien und -mechanismen schließlich zur kulturgeschichtlichen Betrachtung von Spielen insgesamt.

Brettspiel „Französisch im Spiel“, Otto Maier, Ravensburg, ca. 1908.

Ein wertvoller Beitrag zur Spieleforschung

Die Sammlung Mensenkamp ist mit über 5000 Objekten aus vier Jahrhunderten die wohl bedeutendste private Spielesammlung im deutschsprachigen Raum. Von frühen kostbaren Einblattdrucken des 17. und 18. Jahrhunderts über aufwändig produzierte Brettspiele mit farbigen Chromolithographien des 19. Jahrhunderts bis hin zu Gesellschafts- und Kartenspielen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts: Die großen und kleinen Schachteln erzählen Spiele- und Kulturgeschichte und bieten der Forschung einen umfangreichen historischen Fundus bis in die 1950er Jahre hinein.

Brettspiel „Ins Frankenland hinein“, Jos. Scholz, Mainz, ca. 1925.

Eine Sammlung ist nur so gut wie ihre Ordnung. Dies musste Mensenkamp gleich zu Beginn seiner Sammeltätigkeit feststellen. Nachdem er für seine Spiele vergeblich ein geeignetes Ordnungssystem gesucht hatte, entschloss er sich kurzerhand, selbst eines zu entwerfen. Um all seinen Spielen gerecht zu werden, wurde dieses System über die Jahre immer komplexer.

Den Anfang machten acht Spieltypen als Hauptkategorien: Brettspiele mit Würfel, Brettspiele ohne Würfel, Glücksspiele, Ordnungsspiele, Geschicklichkeitsspiele, Frage-Antwort-Spiele, Beschäftigungsspiele und Spielesammlungen. Diese acht Bereiche unterteilte Mensenkamp immer weiter, bis sich schließlich 125 Untergruppen herausgebildet hatten. Als Vereinfachung kamen später die „Drei Gs“ hinzu: Jedes Spiel ließ sich entweder dem Oberbereich Geist, Glück oder Geschicklichkeit zuordnen.

Dieter Mensenkamps Sammlungskoffer.

Mensenkamp fotografierte jedes Spiel und vermerkte auf der Rückseite des Abzugs wichtige Angaben wie Inventarnummer, Titel, Herstellerfirma und Jahr. Die Fotos dienten als Karteikarten, sortiert nach Gattungen in einem großen Koffer. Die oft eigens recherchierten Angaben legte er als Inventarzettel dem Spiel bei.

„Je älter, desto lieber“

Auf Flohmärkten, Auktionen und Sammlertreffen suchte Mensenkamp gezielt nach besonderen und gut erhaltenen Spielen. Er betrachtete sich als Universalsammler und beschränkte sich nicht auf ein Thema, einen Verlag oder eine bestimmte Spielfamilie, sondern strebte ein möglichst vollständiges Abbild des Mediums Spiel an. Nur einer Maxime ordnete er seine Sammeltätigkeit unter: „je älter, desto lieber“.

„Was soll Hänschen werden?“, L. Kleefeld & Co, Fürth, ca. 1900.

Eine solche alltagskulturelle Sammlung bringt konservatorische und logistische Herausforderungen mit sich. Manche Spiele, die schlecht gelagert, besonders gerne gespielt oder einfach abgenutzt waren, restaurierte Mensenkamp selbst. Um seiner rasch wachsenden Sammlung Raum zu schaffen, ließ er eine alte Schmiede zum Archiv umbauen. Trotz alledem zwang ihn der Platzmangel schließlich dazu, seine Käufe einzuschränken und das Jahr 1950 als zeitliche Grenze nicht zu überschreiten.

Über die Grenze des Spiels als kulturhistorisches Objekt hinweg wiederum begab sich Mensenkamp selbst nur selten: In der Regel spielte er seine Spiele nur dann, wenn er sich genauer mit dem Spielprinzip und seiner Kategorisierung vertraut machen wollte.

Es ist schwer, ein Lebenswerk abzugeben

Der schwierigste Teil des Sammelns ist der Zeitpunkt, wenn sich das Schicksal des eigenen Schatzes entscheidet, wenn eine Sammlung zu einem Vermächtnis wird. Sie zusammenzuhalten und als Ganzes einer Institution zu übergeben ist in den seltensten Fällen möglich – Dieter Mensenkamp entschloss sich daher, seine Beschäftigungsspiele (z.B. erste Strick- und Häkelarbeiten für Kinder, Bastel- und Gestaltungsspiele) dem Spielmuseum Soltau zukommen zu lassen, während die Hauptsammlung der Gesellschaftsspiele nunmehr im Deutschen Spielearchiv in Nürnberg bewahrt und beforscht wird.

„Hagens Lernspiel, Kriegsspiel“, Verlag Kniestedt & König, Dessau, ca. 1900.

Seine liebsten Stücke, darunter besagtes erstes Spiel Im Zoo, hat Mensenkamp allerdings noch bei sich. Auch mit dem Sammeln konnte er nicht ganz abschließen; seit der Abgabe ist seine neue Sammlung alter Spiele aber lediglich um etwa 50 Exemplare gewachsen.

Wie es in Nürnberg weitergeht

Im Deutschen Spielearchiv wird die Sammlung nun neu verzeichnet und digital erschlossen. Es entstehen Datenbankeinträge mit hochauflösenden Scans von Spieleschachteln und -anleitungen – angesichts der großen Spieleanzahl ein zeitintensives Projekt. Anhand von Mensenkamps Systematik und der bereits digitalisierten Karteikarten ist es aber schon jetzt möglich, bislang nicht vollständig erschlossene Spiele für Forschungszwecke zu verwenden.

Blick ins Depot des Deutschen Spielearchivs Nürnberg. Hier werden rund 40.000 Spiele aufbewahrt. Foto: Uwe Niklas

Zwei kleine Kabinettausstellungen im Haus des Spiels erlaubten bereits erste Einblicke in die facettenreiche Sammlung, doch entfalten diese Schätze der – vor allem auch regionalen – Spielgeschichte ihre ganze Wirkung erst in der Zusammenschau. Bis zum 6. Oktober 2024 zeigt die Ausstellung „Schätze in Schachteln“ umfangreiche und thematisch vielfältige Einblicke in Mensenkamps Sammlung. 52 Exemplare aus der Sammlung erzählen darin von Spieleentwicklung, Spielkultur und dem Einfluss von Zeitgeschichte auf Spiele.

Abschließend ist die Ausstellung nicht nur eine Hommage an diese einzigartige Spielesammlung und an die Sammelarbeit Dieter Mensenkamps, sondern auch eine feierliche Rückkehr vieler Spiele in die Spielwarenstadt Nürnberg, wo sie einst hergestellt wurden. „Schätze in Schachteln“ stellt damit lediglich den Auftakt dessen dar, was die Sammlung Mensenkamp an Potenzial für die Zukunft bereithält; die ersten Schätze sind gehoben, viele weitere dürfen noch folgen.

Interessierte können in regelmäßigen Abständen an Führungen durch den Verein Geschichte für Alle teilnehmen. Zudem bietet die Kuratorin Jana Mathewes Führungen an, bei denen sie einen eingehenden Blick auf die Objekte und hinter die Kulissen der Ausstellung wirft. Das Angebot runden Spiele-Erfinder-Workshops und Spiele-Specials ab.
Ausstellung „Schätze in Schachteln“

 


 

Museenblog abonnieren und keinen Artikel mehr verpassen!
Loading
Schreibe einen Kommentar
Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit einem * markiert.

*

*