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6 / 3 / 2023

Drama um das Panorama

Stadtansicht in zahlreichen Varianten

Sie dürfte äußerst selten bestehen – die Gelegenheit, eine entsprechende Anzahl an Bearbeitungszuständen einer einzigen Graphik an einem Ort vereint zu sehen. Mit ihr wird die Bedeutung des Norica-Bestandes der städtischen Kunstsammlungen deutlich: Die  Spezialsammlung befasst sich mit allen Themen rund um Nürnberg.

Die zahlreichen Varianten der Stadtansicht lassen – mit einem Augenzwinkern – tatsächlich ein kleines Drama um das Panorama erahnen, das sich um 1770 zwischen dem Kupferstecher Johann Christoph Zick und seinem Verleger Johann Georg Leißner abgespielt haben mag. Vermutlich haben beide ihre Tätigkeiten im Bereich der Graphik nebenberuflich ausgeübt, so ist Zick ebenso als Kunstdrechsler bekannt, wie Leißner von Beruf eigentlich Rotgerber war.

Das generelle Thema des Blattes ist die Ansicht Nürnbergs von Südosten mit dem Einfluss der Pegnitz. Über der Stadt schweben, mit Rocaillen und Blütenranken geschmückt, das große und das kleine Stadtwappen. Sie flankieren das zentrale Reichswappen mit dem Doppeladler, dessen dreifache Bekrönung in den beiden ersten Varianten noch fehlt.

Der erste Zustand nennt Verleger und Stecher unten links, unterhalb eines voll beladenen Leiterwagens. In diesem Exemplar, bei dem es sich wohl um einen Probeabdruck handelt, finden sich mit dunkler Tinte ausgeführte Detailkorrekturen von unbekannter Hand.

Der nächste Zustand des Panoramas liegt als koloriertes Blatt vor. Von den genannten Detailkorrekturen findet man keine umgesetzt, stattdessen wurde die Erwähnung des Stechers aus der Platte entfernt.

Der dritte Zustand, hier in Rot gedruckt, ist erneut, diesmal weiter rechts, von Kupferstecher Zick unterzeichnet. Die Stelle, an der zuvor sein Name stand, wird von einem Erdhügel kaschiert. Der Leiterwagen darüber ist nun leer dargestellt. Die Holzstapel in der Bildmitte wurden nach rechts hin vermehrt. Am linken Rand ist ein umzäunter Acker mit Sämann und unten rechts ein Reiter eingefügt, der hinter einem Gebüsch hervorkommt. Die fehlenden Kronen sind nun am Reichsadler ergänzt.

Nach weiterer Bearbeitung (Zustand vier) ist die Signatur des Stechers erneut entfernt worden und hat eine auffallende Fehlstelle hinterlassen.

In der Staffage weitreichend verändert, zeigt sich die darauffolgende, fünfte Bearbeitungsstufe. Die Fehlstelle ist nun von der Darstellung eines Hundes verdeckt. Die zentralen Holzstapel sind ausgetauscht durch eine Kutsche, der eine Gruppe von Handwerksburschen auf ihrem Weg aus der Stadt folgt. Zahlreiche weitere Figuren, insgesamt 27 (!), sind den bisherigen hinzugefügt worden.

Auch der sechste hier gezeigte Zustand ist stark verändert. Der Inschrift nach ist die Druckplatte zwischenzeitlich an den Verlag des Heinrich Daucher übergegangen. Dort, wo bislang Johann Georg Leißner als Verleger genannt war, befindet sich ein Grasstreifen. Der Staffage sind sechs weitere Personen hinzugefügt worden. Etliche Türme, wie die von St. Egidien, das Tiergärtnertor und das Männereisen ragen nun deutlich über die Dachlandschaft hinaus. Weitere Türme und Erker wurden hinzugefügt. Über vereinzelte Gebäude sind Zahlen gesetzt und werden so durch die zugehörige Legende erläutert.

Unter der vertrauten Stadtansicht findet sich eine mit Lettern gedruckte „Kurze Beschreibung der Stadt Nürnberg“. Diese offenbart zum Textende hin die Zielgruppe, für die das Blatt geschaffen wurde: „Mein Freund, da du hierher gereist, hast besehen, was merkwürdig heißt“. Demnach war das Blatt wohl als Souvenir für Reisende gedacht. Aber auch das erklärt nicht die unzähligen und übereifrig vorgenommenen Korrekturen der Details.

Generell ist das Überarbeiten von Druckplatten jedoch nichts Ungewöhnliches. Der Vorgang ist zwar mühsam, aber technisch relativ unkompliziert. Mithilfe eines Schabers wird dabei die zu korrigierende Stelle in der Druckplatte abgetragen, anschließend geglättet und das Motiv neu in das Metall gestochen. Wie das vorliegende Beispiel beweist, kann der Vorgang mehrfach wiederholt werden. Im Jahr 1800 diente unsere Graphik als Vorlage für eine vollständige Neuschöpfung der Stadtansicht durch den Stecher Matthäus Zacharias Ludwig Schmid (tätig 1779–1829). Die Ansicht mit modernem klassizistischem Ornament und einer ebenfalls stattlichen Personenstaffage ist im Verlag des Buchbinders Riecke beim goldenen Schild erschienen.


Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel aus dem Katalog „Der weite Blick. Nürnberger Panoramen aus sieben Jahrhunderten“, der zur gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum im Fembo-Haus 2020 erschienen ist.

Eine Online-Version dieser Ausstellung wurde auch bei Google Arts & Culture veröffentlicht
Nürnberger Panoramen aus sieben Jahrhunderten

Bildnachweis für alle Fotos: Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg

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