Erklärter „Spitzenreiter“ unter den Neujahrswünschen von anno dazumal war, anders als heute, nicht etwa Gesundheit, sondern schlicht „Prosit!“. Per Kartengruß prostete man sich aus der Ferne zu und stieß auf das kommende Jahr an. Gute Vorsätze spielten gar keine Rolle. Glücklich sollte es werden, das nächste Jahr, fröhlich und heiter, ohne Sorgen und Nöte.
So finden sich in dieser kleinen Auswahl aus den Jahren 1901 bis 1931 mit wenigen Ausnahmen, wie die Beispiele aus der Zeit des Ersten Weltkriegs belegen, vor allem Winteridyllen, Kindermotive, Glückssymbole und natürlich Humorvolles.
In diesem Sinne: Viel Spaß beim Schmökern!
Prosit Neujahr!, gelaufen 1908
Ein entzückendes, liebevoll gestaltetes Motiv von Gertrud Caspari (1873 – 1948), der bedeutenden deutschen Kinderbuch-Illustratorin, die mit ihrer Darstellungsweise der Kinderwelt und ihrer Protagonisten das Kinder- und Bilderbuchgenre revolutionierte.
Und nochmals ein Prosit auf das neue Jahr. Der gutgelaunte Postillion erhebt sein Glas auf das Jahr 1901 und hält dem Betrachter eine Tasche voll guter Wünsche entgegen (auch die Absenderin ist zu entziffern: Fortuna). Fast ein wenig verschämt dagegen wirkt das Prosit der jugendlichen Schönheit auf der nachkolorierten Karte vom 30.12.1912.
Schlittenfahren als Neujahrsvergnügen, abgestempelt am 31.12. der Jahre 1911 und 1912.
Die Karte rechts stammt von dem Dresdner Maler Alfred Mailick (1869 – 1946), der sich als Ansichts- und Glückwunschkarten-Illustrator einen Namen machte und eine schier unglaubliche Vielzahl von Motiven hinterlassen hat.
Eine weitere Neujahrskarte des vielseitigen Illustrators Mailick, versandt im Januar 1911. Hier nähert er sich dem Stil des sogenannten Japonismus, der auch nach seiner Blütezeit im späten 19. Jahrhundert offenbar noch Liebhaber hatte.
Das Motiv des Schornsteinfegers in Kindergestalt begegnet uns immer wieder auf historischen Neujahrskarten. Angeblich seit dem Mittelalter gilt der rußige Geselle als Glücksbote, Kinder stehen für Unschuld und Reinheit, vergleichbar dem Neuanfang zum Jahreswechsel (oder wie Hans Fallada es ausdrückte: Ein neues Jahr hat so lange eine weiße Weste, bis man sie anzieht).
Die Beiden auf dem verschneiten Dach übrigens wärmen sich an heißem Silvester-Punsch. Letzterer war sehr beliebt und obendrein deutlich günstiger als Sekt, geschweige denn Champagner.
Geldsegen für die einen, gemeinsames Zukunftsglück für die anderen, Hauptsache die guten Wünsche stehen im Zeichen des Hufeisens! Beide Karten wurden Silvester 1912 innerhalb Nürnbergs aufgegeben.
Zwei elegante Karten mit geprägten, feinen Jugendstil-Dekors aus den Jahren 1909 und 1910. Links ein Bouquet aus vierblättrigen Kleeblättern in einer filigranen Schale, darunter ein Medaillon mit ländlicher Winteridylle, gerahmt von ornamentalen Formen.
Karten mit eingedruckter Neujahrszahl sind eine Seltenheit geworden, mal abgesehen von Dienstjubiläen und runden Geburtstagen. Hier zwei Beispiele aus einer Zeit, als Jahreszahl-Karten noch in Hülle und Fülle angeboten wurden. So temporeich der kleine Chauffeur auf dem Weg ins Jahr 1906, so heimelig die verschneite Neujahrsnacht 1912 mit Glockenklang und Christrosen.
Und noch eine Idylle wie aus dem Bilderbuch, zur Post gebracht am 31. Dezember 1908. Allerdings sprießen hier schon die Glücksbringer schlechthin aus dem Boden – Fliegenpilze! Dazu frisches Grün, Glücksklee und Vergissmeinnicht – Frühlingserwachen, wohin das Auge sieht. Wenn das nicht Hoffnung macht auf ein baldiges Ende des Winters…
Die bekannten Glückssymbole finden sich auch auf diesen beiden Karten, allerdings, wie eingangs erwähnt, deutlich verhaltener präsentiert. Eher feierlich mutet die Gestaltung der linken, Silvester 1914 abgestempelten Karte an. Schon ganz im Zeichen des mittlerweile fast zweieinhalb Jahre andauernden Krieges hält auf der Silvester 1916 gestempelten Karte eine Schleife in den Farben der Reichsflagge die beiden Hufeisen zusammen.
Die Bänder samt Siegel sind gelöst, der kleine Tannenzweig, der wohl den Kistendeckel zierte, liegt noch da. Gerade zum Vorschein gekommen sind ein Brieflein, ein Döschen Lavendelpastillen, zwei Flaschen Champagner, Trauben und andere Leckereien.
Nach dem verlust- und entbehrungsreichen Krieg scheint dieser, Silvester 1918 datierte Neujahrsgruß wie eine Hoffnung auf bessere Zeiten, auf künftige Festlichkeiten und Genüsse.
Aus dem Jahr 1931 stammt diese originelle Zeppelin-Karte. Die „fliegenden Zigarren“ am Himmel zu entdecken, war auch in den 1930er Jahren noch ein besonderes und glückliches Ereignis. Tauchte ein Zeppelin auf über der Stadt, wurde davon nicht nur in Zeitungen berichtet, sofort gingen auch Ansichtskarten in Druck, die Ort und Zeit dokumentierten (häufig wurden die jeweiligen Luftschiffe ins Bild montiert, aber das störte niemanden).
Hier im Bild erinnert der mächtige Lichtstrahl des Zeppelins an einen Kometenschweif, der obendrein, einem Füllhorn gleich, Glücksymbole und den immer willkommenen Geldsegen zur Erde purzeln lässt.
Zu guter Letzt ein humorvoller Neujahrsgruß, gelaufen innerhalb Nürnbergs im Dezember 1910. Wohlwollend betrachtet, könnte mit diesem Motiv tatsächlich Nürnberg gemeint sein (fränkischer Sandstein, Eckchörlein im Hintergrund und eine Stadtkirche, die an St. Lorenz erinnert). Wie auch immer, die ordentlich angeheiterte Herrenrunde bringt hier einem befreundeten Paar ihr Neujahrsständchen. Allzu lustig scheinen die beiden am Fenster das gar nicht zu finden, was das launige Quartett aber nicht weiter stört. Den Hut im Nacken, die Zigarette lässig hinterm Ohr, eine Hand an die Wange gelegt, ruft der Herr im braunen Mantel ihnen wohl zu: „Aaaaalles Guuute im Neuen Jaaahr!!“
Und dem schließen wir uns gerne an. Das Team Museum Industriekultur wünscht allen Museumsfreundinnen und -freunden einen guten Rutsch und ein gesundes, glückliches 2022!
JF
2 / 1 / 2022 | 10:16
Toll gemacht, Frau Regine