Hermann Luppe (1874-1945) war von 1920 bis zu seiner Absetzung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg. Der gebürtige Kieler engagierte sich während seiner Amtszeit vor allen Dingen für soziale Projekte. Unter seiner Ägide wurde beispielsweise die akute Wohnungsnot in der Stadt erfolgreich bekämpft. Auch die Neugründung der Volkshochschule – sie besteht als „Bildungszentrum Nürnberg“ bis heute fort und feierte 2021 ihr 100-jähriges Bestehen – geht auf seine Initiative zurück.
Aber vor allen Dingen: die Kunst!
In Erinnerung geblieben ist Hermann Luppe jedoch in erster Linie als bedingungsloser Förderer und Erneuerer der Nürnberger Kunstszene. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt hatte Luppe eine Neuausrichtung der Städtischen Kunstsammlungen vorangetrieben. Porträts von Königen und Regionalpolitikern, Schlachtengemälde und Paradebilder – was sich bisher in den Nürnberger Archiven angesammelt hatte, war zum Großteil nicht mehr zeitgemäß. Luppes Gegenmaßnahme: nicht nur lokale oder regionale Kunst sammeln, sondern stattdessen erstklassige Werke der bedeutendsten deutschen Gegenwartskünstler.
Ausgestellt wurden die angekauften Werke in der Städtischen Galerie im Künstlerhaus. Die Sammlung wuchs rasch, und im Laufe der Jahre konnte man dem Nürnberger Publikum regelmäßig Werke von hochkarätigen Künstlern wie Otto Dix, Lovis Corinth, Max Oppenheimer, Arno Breker, Max Pechstein oder Ernst Barlach präsentieren. Dass Luppe die Kunst dabei nicht als reines Prestigeobjekt betrachtete, sondern sie vielmehr als eine Art „Bildungsangebot“ verstand, zeigte sich auch an der Preispolitik. Es gab regelmäßig kostenfreie Abend- und Samstagsöffnungen, die auch den ärmeren Bevölkerungsschichten einen Besuch der Galerie ermöglichen sollten.
Regionale Förderprogramme
Für Hermann Luppe war die Förderung von Künstlerinnen und Künstlern eine kommunale Aufgabe. Wo früher Mäzene, Fürsten oder kirchliche Würdenträger Kunst finanziert hatten, musste seiner Ansicht nach in den modernen Zeiten der 1920er Jahre die Stadt diese Aufgabe übernehmen. Die Mittel und Wege hierzu waren vielfältig. Neben Ankäufen und Ausstellungen vergab man zum Beispiel Stipendien und rief (unter tatkräftiger Beteiligung des Deutschen Reichs und des Landes Bayern) die Deutsche Albrecht-Dürer-Stiftung ins Leben, die ebenfalls einen Förderauftrag erhielt.
Die Bedingungen für Kunstschaffende waren im Nürnberg der 1920er Jahre also nahezu optimal. Wie sehr man diesen Umstand mit der Person Hermann Luppes verband, zeigte sich 1928. Anlässlich der Feierlichkeiten zum 400. Todestag Albrecht Dürers überreichte der „Reichsverband bildender Künstler Deutschlands e.V.“ dem Nürnberger Oberbürgermeister ein ganz besonderes Geschenk – eine aufwändig gestaltete Kassette, die eine Sammlung von 67 Arbeiten zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler aus Franken enthielt.
Das „Luppe-Album“
Vertreten waren in dieser später als „Luppe-Album“ bekannt gewordenen Sammlung unter anderem Größen wie Rudolph Schiestl (1878-1931) oder Hermann Gradl (1883-1964), die damals zu den bedeutendsten fränkischen Künstlern zählten. Das Gros der Arbeiten stammt aus den 1920er Jahren und wurde zum Teil eigens für das „Luppe-Album“ geschaffen. Naturgemäß findet sich unter den 67 Werken eine Vielzahl unterschiedlicher Techniken und Themen; von Landschaften und Porträts bis hin zu Karikaturen und Akten reicht die Bandbreite. Auch qualitativ sind teilweise recht große Unterschiede auszumachen. Nur beim Stil scheint man sich einigermaßen einig gewesen zu sein. Die überwältigende Mehrheit der Werke ist dem Impressionismus zuzuordnen, nur wenige Ausnahmen fallen dem Kubismus oder dem Expressionismus zu.
Ähnlich wie das hundert Jahre zuvor entstandene „Dürer-Stammbuch“ bietet das „Luppe-Album“ somit in erster Linie einen ungefilterten Einblick in das künstlerische Schaffen einer bestimmten Epoche. Seine Bedeutung liegt weniger in den einzelnen Arbeiten selbst, als vielmehr in seinem Sammlungscharakter – das Ganze ist eben tatsächlich mehr als nur die Summe seiner Teile!
Im Blick der Öffentlichkeit
Anders als das „Dürer-Stammbuch“, bei dem man die enthaltenen Werke von Beginn an einem möglichst breiten Publikum präsentieren wollte, verblieb das „Luppe-Album“ als Geschenk lange Zeit im Privatbesitz Hermann Luppes und seiner Erben. 1996 konnte es von der Albrecht-Dürer-Haus-Stiftung erworben werden und erst 1999 wurde es im Rahmen einer Ausstellung im Albrecht-Dürer-Haus erstmals öffentlich gezeigt. Teile des Albums waren dann wieder 2021 in der erfolgreichen Ausstellung „Luppes Galerie. Die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg in der Weimarer Republik“ zu sehen. Eine kompakte Version dieser Präsentation wird aktuell noch bis Februar 2022 im Stadtmuseum im Fembo-Haus gezeigt – die ideale Gelegenheit also, sich noch einmal mit Hermann Luppe und seinen Bemühungen um die Kunst in Nürnberg zu befassen!
Alle Werke des „Luppe-Albums“ können Sie auf der Website der Kunstsammlungen ansehen
Das „Luppe-Album“ von 1928
Informationen zu Hermann Luppe auf Wikipedia
Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel „Das Luppe-Album“ von Ludwig Sichelstiel. Enthalten im Katalog „Luppes Galerie. Die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg in der Weimarer Republik“, der zur gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum im Fembo-Haus 2021 erschienen ist.
Bildnachweis für alle Foto: Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg