Da stolziert er auf seinem bronzenen Brunnensockel, den Dreizack in der Hand, zu seinen Füßen Nymphen und Nereiden: Neptun, der Gott des Meeres. Sein Blick ist ein wenig nach unten gewandt, den freien Arm hat er über dem wallenden Lendenschurz unschlüssig in die Hüften gestützt, fast so, als würde er sich gerade fragen: Ja Himmel, wo bin ich denn hier wieder gelandet?
Do Swidanja, Meeresgott!
Sie haben aber auch eine weite Reise hinter sich, dieser Neptun und sein Brunnen. Entworfen im 17. Jahrhundert von Georg Schweigger und Christoph Ritter, sollten sie eigentlich auf dem Nürnberger Hauptmarkt den Schönen Brunnen ersetzen. Technische Probleme verhinderten das Vorhaben, und man lagerte das ganze Figurenensemble für die nächsten hundert Jahre kurzerhand im Bauhof ein. 1797 schließlich erwarb Zar Paul I. den „Neptunbrunnen“ und verschiffte ihn nach St. Petersburg. Ein paar Generationen später bereuten die Nürnberger den Verlust bitterlich und bemühten sich vergeblich um einen Rückkauf. Aber immerhin: Auf Betreiben des Kunsthistorikers Friedrich Wanderer konnten 1896 in Russland Gipsabdrücke genommen und ein Zweitguss angefertigt werden – der dann, wie ursprünglich angedacht, am Hauptmarkt vis-à-vis des Schönen Brunnens aufgestellt wurde.
Zumindest für ein paar Jahre. Im Dritten Reich befanden Julius Streicher und Adolf Hitler, dass die ausladende Installation bei den Reichsparteitagen der NSDAP nur stören würde – nicht zuletzt auch deshalb, weil Brunnen-Stifter Ludwig von Gerngros, ein Hopfenhändler und engagierter Mäzen, jüdischer Herkunft war. Nach einem kurzen Intermezzo auf dem späteren Willy-Brandt-Platz (diesmal war der Brunnen der Straßenplanung im Weg) steht er seit 1962 in einem Betonbecken im Stadtpark.
Ein Meister seiner Zeit
Die wechselhafte Geschichte des Neptunbrunnens hat sicherlich ihren Teil dazu beigetragen, dass er heute wohl das einzige Werk des Bildhauers und Medailleurs Georg Schweigger (*1613) ist, das es auch abseits kunsthistorisch interessierter Kreise zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hat. Dabei war Schweigger zu Lebzeiten durchaus erfolgreich. Er galt diesseits der Alpen als einer der Wegbereiter des Barock und holte Aufträge aus ganz Mittel- und Nordeuropa ein. Bis nach Köln, Prag und Polen exportierte er seine Holzschnitzereien. Heute sind seine Werke unter anderem im Britischen Museum in London ausgestellt. Die Allgemeine Deutsche Biographie rühmte noch 1891 Schweiggers technische Geschicklichkeit und die Feinheit seiner Arbeit. Die kam sicherlich nicht von ungefähr: Seine Figuren formte er der Überlieferung zufolge nach lebenden Vorbildern, wodurch er ihren Bewegungen eine erstaunlich realistische Dynamik verleihen konnte.
Auf Schweiggers Spuren
Georg Schweigger starb am 13. Juni 1690, kinderlos, als überzeugter Junggeselle. Mit den Jahren mag er zwar ein wenig in Vergessenheit geraten sein. Doch vanitas vanitatum, wie man im Barock gesagt hat – selbst die Vergänglichkeit ist vergänglich. Zeit also, das Nürnberger Ausnahmetalent wieder etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Wer Lust dazu hat, fängt am Besten im Nürnberger Stadtpark mit dem Neptunbrunnen an und stattet anschließend dem Johannisfriedhof einen Besuch ab. Dort findet man neben Schweiggers letzter Ruhestätte nämlich auch einige von ihm entworfene Grabtafeln. Insbesondere die aufwändigen Epitaphe von Georg Schwanhardt und Andreas Georg Paumgartner sind dabei einen Blick wert und laden zum Wiederentdecken dieses einzigartigen Nürnberger Künstlers ein.
Ergänzung durch Andreas Curtius, Blogautor und Kurator der Kunstsammlungen:
Georg Schweigger darf als einer der Begründer der deutschen Barockskulptur (M. Mende) gelten. Er schuf neben dem Neptunbrunnen auch zahlreiche Medaillen, von denen sich einige im Bestand der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg befinden, u.a. zu Ehren Albrecht Dürers und Willibald Pirckheimers. Von Schweigger stammt auch das monumentale, vergoldete Christuskind auf der Weltkugel vom Nikolausaltar bzw. Tucheraltar in St. Sebald, das als Leihgabe der Evang.-Luth. Kirchengemeinde St. Sebald in der Schatzkammer des Museums Tucherschloss ausgestellt ist.
Ein sehr schönes Bildnis von der Hand Johann Paul Auers im Bestand der Kunstsammlungen zeigt Georg Schweigger im Alter von 55 Jahren auf dem Höhepunkt seines Erfolges. Es ist im ersten Stock des Stadtmuseums Nürnberg ausgestellt und wurde vor vier Jahren in unserem Katalog zur Geschichte der Nürnberger Kunstakademie publiziert („1662-1806. Die Frühzeit der Nürnberger Kunstakademie“, Nürnberg 2012, S. 134). Es lohnt sich also, die Spurensuche nach Georg Schweigger in unseren Museen fortzusetzen.