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29 / 1 / 2016

The little man of Nuremberg

Der Gaukler und Künstler Matthias Buchinger

Matthias Buchinger war gerade mal 74 Zentimeter groß. Von Geburt an hatte er keine Beine und keine Arme, nur zwei Hüftstumpen und zwei flossenähnliche Extremitäten, die aus deformierten Schultern wuchsen. Niemand konnte damals voraussehen, dass der 1674 in Ansbach als letztes von neun Kindern geborene zwergwüchsige Junge, den seine Eltern zunächst vor den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit verborgen hielten, zu einem der damals bekanntesten „Show-Stars“ mit herausragenden künstlerischen Talenten werden sollte.

Ausstellung im Metropolitan Museum of Modern Art

Vom 8. Januar bis 11. April 2016 zeigt das Metropolitan Museum of Modern Art in New York unter dem Titel „Wordplay. Matthias Buchinger’s Drawings from the Collection of Ricky Jay“ eine Ausstellung mit Zeichnungen sowie Kupfer-und Holzstichen des „little man of Nuremberg“, wie er sich nannte. Sie stammen aus der Sammlung des heute noch lebenden Trickkünstlers Ricky Jay, ein Chronist berühmter, grotesker und wundersamer Artisten, Gaukler und Vaganten der letzten drei Jahrhunderte. Von diesem liegt unter dem Titel „Mattias Buchinger: The Greatest German Living“ auch eine Buchpublikation zum Thema vor.

Bemerkenswert ist auch, dass das Metropolitan Museum im „Members Dining Room“ auch ein passendes Speisenangebot zur Ausstellung anbietet.

“Exhibition Menu” zur Ausstellung im Members Dining Room. Bildnachweis: Metropolitan Museum

Karriere als Trickkünstler im Ausland

Von Leipzig bis Paris, von London bis Belfast drängten sich die Menschen in die Vorstellungen des fränkischen Trickkünstlers, bis zu acht täglich. Trotz seiner Behinderung schoss der „little man of Nuremberg“ aus großer Entfernung das Herz aus dem As, warf zielgenau Messer und Säbel, verblüffte durch Hütchentricks und wurde als begnadeter Zauberer bestaunt.

Wie zeitgenössische Stiche als Veranstaltungsplakate zeigen, unterhielt der armlose Buchinger sein Publikum auch mit einem ganzen Arsenal von Musikinstrumenten, auf denen er mit Hilfe selbst gefertigter Apparaturen gar meisterlich spielte.

König George I war großer Fan von Buchinger

In Nürnberg ließ die besorgte Obrigkeit den „little man“ nicht auftreten, um vor allem Schwangere vor dem damals als furchterregend eingestuften Anblick dieser „Laune der Natur“ zu schützen. In England, Schottland und Irland war Buchinger dagegen – wie auch viele anderer „freaks“ seiner Zeit – eine Jahrmarktsensation, aber auch vielbestaunter Höhepunkt auf den privaten Festivitäten des englischen Adels. Einer der größten Bewunderer des unglaublich geschickten Deutschen, der sich im Englischen Mathew Buckinger nannte, war König George I., der sein Showtalent, seine Fingerfertigkeit ohne Hände, aber auch seine künstlerische Begabung schätzte.

Matthias Buchinger war nämlich trotz seiner Behinderung ein begnadeter Zeichner, Kalligraph und Tüftler. Mit der Hilfe selbst entwickelter Gerätschaften malte der populäre Jahrmarktkünstler höchst artifizielle Stammbäume, portraitierte sich mehrere Male selbst und perfektionierte zur Verblüffung aller ohne Arme und Hände die sogenannte Mikrografie, eine alte jüdische Maltechnik aus dem 9. Jahrhundert: In seinen Locken kann man bei ganz genauem Hinsehen unter anderem die Inschrift von sieben biblischen Psalmen erkennen. Er ließ aus winzigen Textzeilen Figuren entstehen, schrieb in Spiegelschrift und fertigte äußerst kleinteilige Buddelschiffe.

scott-matthias-buchinger

Matthias Buchinger, ein Robbengliedriger. Kupferstich, G. Scott, 1804. Veröffentlicht durch: R.S. Kirby, London, 1.1.1804

Matthias Buchinger verbrachte in England und Irland ein rastloses Künstlerleben. Er war vier Mal verheiratet und soll mindestens 14 Kinder von 8 verschiedenen Frauen gehabt haben. Am 1. Januar 1740 verstarb er mit 65 Jahren als gefeierte menschliche Attraktion in Cork/Irland.

In seiner fränkischen Heimat ist der „little man of Nuremberg“ heute nahezu vergessen.

In Nürnberg erinnert sich heute kaum jemand an den „little man of Nuremberg“, aber die in Ansbach erscheinende Fränkischen Landeszeitung berichtete schon mehrfach über ihn. Auch zum Ende der New Yorker Ausstellung erschien in der Ausgabe vom 9. April 2016 nochmals ein Artikel.

Informationen zur Ausstellung „Wordplay. Matthias Buchinger’s Drawings from the Collection of Ricky Jay“ im Metropolitan Museum

Informationen zur Publikation „Mattias Buchinger: The Greatest German Living“ von Ricky Jay

Artikel der Fränkischen Landeszeitung vom 16. Januar 2016: Berühmter Ansbacher in New York
(PDF-Datei 303 KB)

Artikel der Fränkischen Landeszeitung vom 9. April 2016: Mit der Lupe auf den Spuren Buchingers
(PDF-Datei 470 KB)


 

Titelbild: Matthias Buchinger, mit 13 Szenen aus seinen Auftritten. Jede Szene mit Beschreibung darunter. Kupferstich, Lorenz Beger, zwischen 1700 und 1799.

Bildnachweis für beide Bilder: Wellcome Library, London, Iconographic Collections (ICV No 7232: http://wellcomeimages.org/indexplus/image/V0007014.html und ICV No 7234R: http://wellcomeimages.org/indexplus/image/V0007016ER.html)
Lizenz CC creativecommons: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0

4 Kommentare zu “The little man of Nuremberg

  • Helga Kugler
    17 / 2 / 2016 | 18:23

    Glückwunsch zu diesem überaus interessanten Artikel, der ja anscheinend weitere Kreise zieht
    http://radio.rtl.lu/emissiounen/reportage/1159429.html

  • Lara Hausleitner
    7 / 4 / 2016 | 15:31

    Natürlich ist Buchinger in seiner fränkischen Heimat nicht vergessen – wie kommt es zu dieser Behauptung? In der Fränkischen Landeszeitung, die in Buchingers einstiger Heimatstadt Ansbach in einer Auflage von rund 40000 Exemplaren erscheint, sind schon zahlreiche Artikel und Sonderseiten über den Künstler der Vergangenheit erschienen. Ich habe als Redakteurin und Kunsthistorikerin bereits mehrfach Artikel über ihn publiziert.

    • Brigitte List
      8 / 4 / 2016 | 16:22

      Hallo Frau Hausleitner, vielen Dank für Ihren Hinweis, wir haben unseren Text jetzt dementsprechend ergänzt!

    • Dr. Manfred Vasold
      20 / 4 / 2016 | 18:35

      Sehr geehrte Frau Hausleitner,
      ist es möglich, daß Sie mir den einen oder anderen Beitrag über Buchinger zu-mailen? Ich wäre Ihnen sehr dankbar.

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