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22 / 1 / 2016

Time-Out

Football statt Führerkult auf dem Reichsparteitagsgelände

Mein erstes Mal American Football (als Zuschauer, wohlgemerkt) war irgendwann Anfang der neunziger Jahre. Wir hatten Freikarten für ein Spiel der Noris Rams bekommen, Nürnbergs Antwort auf die Dallas Cowboys und die New York Giants. Neugierig, wie diese ur-amerikanische Sportart, die man damals allenfalls aus Hollywood-Filmen und von Sportschau-Schnipseln her kannte, wohl in echt aussehen würde, machten wir uns auf den Weg zum Austragungsort des Matches: dem Zeppelinfeld.

Was im ersten Moment vielleicht ein wenig befremdlich wirkt – Football auf einem der zentralen Aufmarschplätze der Nationalsozialisten? – hatte schon damals eine lange Tradition. Bereits kurz nach Kriegsende diente das von den Amerikanern kurzerhand in „Soldiers‘ Field“ umgetaufte Zeppelinfeld nämlich nicht mehr nur als Exerzierplatz für Militärparaden, sondern auch als Stadion für Sportveranstaltungen. Bis heute erinnert das Fangnetz eines Baseballfeldes an die ungezwungene Nutzung des geschichtsträchtigen Ortes. Als Haltestangen hat man, ganz pragmatisch, einfach die einstigen Fahnenmasten der umliegenden Tribünentürme verwendet.

Freilich gab es auf dem Areal nicht nur Sport und Spiel. Vom Sudetendeutschen Tag bis hin zu Großgottesdiensten, Rockkonzerten und dem Open-Air-Festival Rock im Park: all das findet oder fand auf dem Zeppelinfeld statt. Einmal im Jahr donnern beim Norisringrennen außerdem die Boliden der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft vorüber, und – aber nein, da gibt es viel zu viel, um hier alles einzeln aufzuzählen. Wer sich einen Überblick verschaffen will, der sollte einfach mal in der Ausstellung „Das Gelände“ im Dokumentationszentrum vorbeischauen.

Rockkonzert auf dem Zeppelinfeld, Mai 2015.

Rockkonzert auf dem Zeppelinfeld, Mai 2015.

Bleibt noch zu erwähnen, dass mir von meinem Tag bei den Noris Rams leider nicht allzu viele Einzelheiten in Erinnerung geblieben sind: die mattweißen Yard-Markierungen auf dem zertretenen Rasen; die Anfeuerungsrufe der Cheerleader während der Time-Outs („Let’s go, Defense, let’s go!“); das minutenlange Warten zwischen sekundenlangen Spielzügen. Am Ende gab es, glaube ich, einen recht deutlichen Sieg, und die Mannschaft wurde gebührend gefeiert.

Wenige Jahre später löste sich der Verein übrigens aus Personalmangel auf. Seit einiger Zeit aber wirbeln seine Nachfolger, die Nürnberg Rams, wieder recht ordentlich durch die 2. Liga – und das wie gewohnt auf dem Zeppelinfeld.

Informationen zum künftigen Umgang mit dem Reichsparteitagsgelände

Informationen zur Ausstellung „Das Gelände – Dokumentation. Perspektiven. Diskussion.“

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