Es ist das Stille, Insichgekehrte, Kontemplative, was das Werk des Bildhauers Luis Rauschhuber (1904-1973) auszeichnet. Über viele Jahrzehnte lebte und arbeitete der tiefreligiöse Künstler in Nürnberg und schuf in klarer Formensprache große und kleinere, freistehende und wandgestaltende Skulpturen, denen man an zahlreichen Orten in der Stadt begegnen kann: dem steinernen Kruzifix am Eingang des Johannisfriedhofs, dem Hauszeichen „Die Schreibende“ am Verlagshaus Nürnberger Presse in der Blumenstraße 16, dem Sandsteinfries im Innenhof des Finanzamts Süd in der Sandstraße 20 … und wenn im Rathaus die Stadträte nach oben zum Publikum auf dem Balkon des Sitzungssaals blicken, dann sehen sie an der Brüstung das Sgraffito „Beruf und Handwerk“ von Luis Rauschhuber.
Übersichtsplan der Werke von Luis Rauschhuber in Nürnberg (PDF-Datei 607 KB)

Entwurf für die Großplastik „Der leidende Mensch“ für das Nordklinikum, Terracotta patiniert, um 1972. Foto: Alexandra Foghammar
Dennoch ist sein Name kaum jemandem bekannt, geriet sein umfangreiches Portfolio in Vergessenheit. Dass dies nicht so bleibt, ist zwei Frauen zu verdanken: seiner Tochter Monika Nagel und seiner Enkelin Johanna Junold. Die beiden gestalteten das Arbeits- und Wohnhaus von Luis Rauschhuber um in ein privates Museum, das sie am 1. Juni 2025 in der Königsbergerstraße 49 in Ziegelstein eröffneten.
„Wir wussten nicht, was da alles dran hängt …“, sagt Enkelin Johanna Junold lachend im Rückblick auf die vergangenen zwei sehr arbeitsreichen Jahre. „Wirtschaftlich ist es ein absoluter Wahnsinn gewesen, das Haus zu sanieren!“ Von Luis Rauschhuber ab 1951 in viel Eigenleistung erbaut und mit Anwachsen der vierköpfigen Familie erweitert, war das individuell „und ohne einen rechten Winkel“ konstruierte Gebäude bis zu ihrem Tod 2012 von der Witwe des Bildhauers bewohnt. „Meine Mutter wollte, dass wir es abreißen“, erklärt Monika Nagel, „aber ich wollte es unbedingt erhalten!“ Für sie wurde das Lebenswerk ihres Vaters zum eigenen. Über viele Jahre erfasste sie die über 2000 Skulpturen und Zeichnungen im Nachlass von Luis Rauschhuber. Die Sammlung einem bestehenden Museum anzubieten, das wohl ohnehin nur einen Bruchteil hätte aufnehmen können, kam für die Künstlertochter nicht in Frage. „Die Kunst gehört hierher“, befand Monika Nagel. Und: „Das Werk von Luis Rauschhuber soll gesehen werden.“
So wurde für das mittlerweile in den Besitz von Enkelin Johanna Junold übergegangene Atelier- und Wohnhaus eine neue Bestimmung gesucht. Mit finanzieller Unterstützung und vor allem beratend stand den beiden Frauen dabei die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern zur Seite. Von der befreundeten Kunsthistorikerin Dr. Birgit Rauschert, die sich seit Jahren mit Rauschhuber befasst, kam der Vorschlag für ein „Wohnen im Museum“: den größten Teil des Erdgeschosses, Nebengebäude und den Garten öffentlich zugänglich zu machen und das Obergeschoss sowie die Wohnküche zu vermieten. „Es war nicht einfach, Mieter zu finden, die mit den künstlerisch gestalteten Räumen voller Einbauschränke und Dachschrägen zurechtkommen und damit leben können, dass die Authentizität des Rauschhuber-Hauses samt Garten gewahrt wird“, berichtet Johanna Junold. Nach mehreren gescheiterten Versuchen einer „normalen“ Vermietung gelang es den Erbinnen, die oberen Räume in kunstsinnige Hände zu legen.
Durch den vom Künstler angelegten Skulpturengarten mit Staudenrabatten und Obstbäumen gelangt man in das bautechnisch ertüchtigte und ansonsten original erhaltene Atelierhaus von Luis Rauschhuber. Zu besichtigen sind sein Arbeitsraum – das Herzstück der Anlage –, das damalige Wohnzimmer der Familie, das sogenannte „Höfle“ auf der Gebäuderückseite und ein kleiner, feiner Ausstellungsraum, zu dem ein früherer Schuppen umgestaltet wurde. In allen Räumen sind Plastiken aus Stein, Zement und Bronze, Entwürfe aus Terrakotta oder Gips, Porträts vor allem aus der Anfangszeit seines kreativen Schaffens, Madonnen mit Kind, Engel, Christusfiguren und musizierende Menschen zu sehen. An den Wänden des Ateliers hängen ausgewählte Zeichnungen, die eine eigenständige Werkgattung bilden.
Alle Arbeiten Luis Rauschhubers sind Zeugnisse der konzentrierten Stille und emotionalen Tiefe, die den freien Bildhauer zu seinem unermüdlichen Schaffen inspirierten. Geprägt von einem festen christlichen Glauben widmete er sich zunehmend religiösen Themen und arbeitete viel für Kirchen und Friedhöfe. Seinem Stil blieb er zeitlebens treu und verschloss sich den Modernismen der 1960/70er Jahre. Die von ihm 1947 mitbegründete Nürnberger Künstlergemeinschaft „Der Kreis“ hatte er bereits nach einigen Jahren verlassen.

Luis Rauschhuber bei der Arbeit am Fries „Tanz, Musik, Freude“ für das Finanzamt Süd, 1955. Foto: Atelierhaus Rauschhuber
Wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft und weil er Porträtbüsten auch im Auftrag von NS-Größen anfertigte, blieb ihm Nachruhm bislang verwehrt. „Ich bin der festen Ansicht, dass er sich niemals den Mächtigen angedient hat. Er verabscheute die propagandistische Kunst unter dem Regime der Nazis und fühlte sich zutiefst der Menschlichkeit verpflichtet“, sagt Monika Nagel, die diesen Lebensabschnitt ihres Vaters recherchiert und sich mit damit reflektiert auseinandergesetzt hat. Er habe seine Werke zum Lobe Gottes geschaffen, wie die frühmittelalterlichen Künstler, denen er sich verbunden fühlte.
Luis Rauschhuber selbst hatte notiert, seine Arbeiten seien „in den besten Fällen nur der leise Widerschein göttlichen Willens. Es ist mein Wunsch und meine Hoffnung, dass dieses Werk für viele befruchtend sein möge.“ Seine Tochter wünscht sich, dass die Arbeiten ihres Vaters den Besucherinnen und Besuchern des Atelierhauses etwas geben: „Dass der Mensch beglückt wieder rausgeht!“ Die Enkelin hofft auch auf eine Vernetzung innerhalb der lokalen Kulturszene: „Rauschhuber hat es verdient, sichtbarer Teil der Nürnberger Kulturlandschaft zu werden.“
Wer dazu beitragen möchte, ist jeden Sonntag von 13 bis 16 Uhr im Atelierhaus Rauschhuber in Ziegelstein, Königsbergerstraße 49, herzlich willkommen. Sondertermine und Gruppenführungen können vereinbart werden unter
info@atelierhaus-rauschhuber.de
oder Tel. 01520/7024566
Zur Ausstellung ist ein ausführliches Begleitheft erschienen. Die Vita des Künstlers, Informationen zu seinen Arbeiten und Pläne, die zum Aufsuchen seiner öffentlichen Werke einladen, finden sich auch unter
luis-rauschhuber.de