Was ist neu im Fembo-Haus? „Mehr Kunst“, sagt Dr. Andreas Curtius, Kurator für Gemälde und Skulpturen an den Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg. Und er weiß es ganz genau, denn er hat das Stadtmuseum im Juli mit einer Auswahl von 15 Gemälden aus der Weimarer Zeit bereichert. „Der Wunsch bestand schon lange, mehr Kunstwerke in das Haus zu integrieren. Und die ausgestellte Stadtgeschichte weiter in die Moderne zu führen“, erklärt der Kunsthistoriker. Dass die Museumsleitung ihm zwei Räume im ersten Obergeschoss des Fembo-Hauses in der Burgstraße 15 für die Präsentation „Die Städtische Galerie – Aufbruch in die Moderne“ zur Verfügung gestellt hat, soll auch ein wenig den Deckel einer Schatztruhe lupfen, die Nürnberg besitzt.
Wenn man Andreas Curtius zuhört, weiß man gar nicht, über was man mehr staunen kann. Über das Engagement des damaligen Oberbürgermeisters Hermann Luppe (OB 1920-1933), der – in wahrlich schwierigen Zeiten – erstmals die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg systematisch um 782 Gemälde, dazu Grafiken und plastische Werke erweiterte und zu einer der umfangreichsten kommunalen Kunstsammlungen Deutschlands wachsen ließ? Über die rund 3 600 Gemälde und insgesamt zigtausende Objekte (Grafiken, Kunsthandwerk wie Fayencen, Münzen und Medaillen …) umfassenden – und weiter wachsenden – Sammlungen, die sich im Besitz der Stadt befinden? Oder darüber, dass die Werke verteilt auf mehrere Depots größtenteils der öffentlichen Wahrnehmung entzogen sind? Immerhin können viele Spitzenobjekte als Leihgaben in den Dauerausstellungen des Germanischen Nationalmuseums (GNM) bewundert werden.
Ihren Ursprung hatten die städtischen Kunstsammlungen 1526, als Albrecht Dürer (1471-1528) seine Apostelbilder der Stadt schenkte und sie im Rathaus ausgestellt wurden (heute im GNM). „In reichsstädtischer Zeit kamen die Probestücke der Meister hinzu sowie Schenkungen von Honoratioren, das waren meist deren Porträts. Diese Rathausgalerie war ein Sammelsurium. Erst Hermann Luppe begann, zeitgenössische Kunst aus allen deutschsprachigen Gebieten anzukaufen“, erklärt Curtius. Als Direktor setzte der Oberbürgermeister Fritz Traugott Schulz ein, der Ausstellungen in der Norishalle organisierte und die Erwerbungen in der 1921 eröffneten Städtischen Galerie im Künstlerhaus präsentierte. Damit auch die Arbeiterschaft Kenntnisse über das aktuelle Kunstschaffen erlangen konnten, gab es dauerhaft eintrittsfreie Abendöffnungen.
Als Einheit der stadtgeschichtlichen Dauerausstellung im Fembo-Haus führt die kleine Schau den Bildungsanspruch Luppes weiter, der in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag hätte (6.8.1874-3.4.1945). Der erste Raum widmet sich der Entstehung der Städtischen Galerie und zeigt ein „Best of“ der unter Luppe in den Ateliers der Künstler oder von deren Galeristen erworbenen Arbeiten. Die Auswahl von Curtius berücksichtigt die vielfältigen Kunstrichtungen in der Weimarer Zeit. „Impressionismus, Expressionismus, Neue Sachlichkeit …. Es ist alles dabei, was damals Avantgarde war. Nur ‚extreme Strömungen‘ der Moderne wie der Futurismus und die Abstraktion waren dem Ankaufsgremium zu experimentell.“
So sind impressionistische Werke zu sehen wie „Die Kartoffelbuddler in den Dünen von Zandvoort“ (1891) von Max Liebermann, ein Bildnis des Bildhauers Gustinus Ambrosi (1927) des Tiroler Expressionisten Alfons Walde, das hier noch nie ausgestellt war, und ein 1932 von Conrad Felixmüller im Stil der Neuen Sachlichkeit gemaltes Damenbildnis. Angekauft wurden nicht nur Werke von Männern, sondern auch Bilder von Künstlerinnen wie Dora Hitz (1856-1924) und Maria Caspar-Filser (1878-1968) – „in der Kaiserzeit wäre das noch undenkbar gewesen“.
Eine ungewöhnliche kubistische Ansicht der Nürnberger Kaiserburg in grau-brauner Farbtönung von August Friedrich Kellner (1885-1944) – „mal kein spätromantisches Postkartenidyll“ – hängt gegenüber dem Gemälde „Arbeitslose“ (1932) von Karl Schlageter, das in ähnlich trüber Farbgebung die Zeitläufte widerspiegelt. Der Nürnberger Künstler Hermann Fischer (1877-1947) hielt eine Besuchergruppe in der großen Dürer-Ausstellung des GNM im Jubiläumsjahr 1928 fest. Zum Dürerjahr fand in der Norishalle die große Schau „Deutsche Kunst der Gegenwart statt“, aus der Luppe ebenfalls viele Kunstwerke ankaufen ließ – „trotz Inflation und Wirtschaftskrise“, betont Curtius.
1933 war Schluss mit der Amtszeit von Hermann Luppe, der von den Nationalsozialisten abgesetzt wurde. Und Schluss mit der Städtischen Galerie. „Die Bilder wurden beschlagnahmt und fast alle verbrannt.“ Von einigen Werken blieben nur Schwarz-Weiß-Aufnahmen erhalten, einige andere konnten nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zurückgekauft werden. Dieses letzte Kapitel der Städtischen Galerie schildert der zweite Raum, in dem drei wieder erlangte Gemälde ausgestellt sind.
Eine besondere Geschichte ist mit dem expressionistischen Werk „Kniender Akt am Meer“ (1922) von Alfred Partikel verknüpft. 1937 beschlagnahmt und vom Propagandaministerium im Tausch an einen Kunsthändler abgegeben, muss es versteckt im Atelier des norddeutschen Künstlers Hugo Körtzinger die NS-Zeit und die folgenden Jahrzehnte überlebt haben. „2021 entdeckten die Erben das Gemälde und auf der Rückseite den Stempel der Städtischen Sammlungen Nürnberg und haben es uns als Schenkung zurückgegeben“, erzählt Andreas Curtius. Ein Happy-End, das leider eine seltene Ausnahme bleibt.
Blogbeitrag zum Gemälde von Alfred Partikel
Rückkehr nach 84 Jahren
„Wenn wir so schöne Bestände haben, sollten sie auch gezeigt werden“, findet der Kurator. Die Besucherinnen und Besucher des Stadtmuseums im Fembo-Haus können sich von einer kleinen, aber vielsagenden Auswahl der Nürnberger Kunstsammlungen nun selbst ein Bild machen.
Sonderpräsentation „Die Städtische Galerie – Aufbruch in die Moderne“