Welches Hobby mögen Leonardo DiCaprio und Wolfgang von Goethe wohl gemeinsam haben? Prof. Dr. Karin Falkenberg, Leiterin des Spielzeugmuseums im Verbund der Museen der Stadt Nürnberg, weiß es. „Die Imkerei“, antwortet sie, „die komplexeste und anspruchsvollste Tierhaltung der Welt!“ Im zweiten Obergeschoss der Karlstraße 13-15 steht sie in der Präsentation „Bienenschwarm und Honigglück – Insektenleidenschaft im Spielzeugformat“, die das Engagement des Hauses für das Thema Nachhaltigkeit nachvollziehbar für Groß und Klein veranschaulicht.
Als bundesweit erstes Museum hat das Spielzeugmuseum im Jahr 2020 eine Strategie vorgelegt, die die Nürnberger Spielzeugwelt mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, den SDGs (Sustainable Development Goals), verknüpft. Im Gewimmel von plüschigen Bienchen in Gelb und Schwarz und vor den als Waben gestalteten Infotafeln an den Wänden wird inhaltlich, in der Darstellung und im „Making of“ deutlich, wie Nachhaltigkeit geht.
„Menschen gibt es seit rund 2 Millionen Jahren, Bienen seit 100 Millionen Jahren – die haben’s drauf“, erklärt die Historikerin. „Alles, was Bienen tun, tun sie für die Gemeinschaft, für den Erhalt ihres Volkes.“ Damit haben sie der menschlichen Zivilisation viel voraus. Ein eigener Lehrstuhl an der Universität in Würzburg beschäftige sich ausschließlich mit der Forschung über Bienen, erzählt sie. „Da stehen wir staunend davor.“
Rund 560 verschiedene Arten von Honig- und Wildbienen habe es in Deutschland gegeben, durch die weitläufig versiegelten Flächen, die Luftverschmutzung und chemische Insektenvernichter seien es jetzt rund 300 Arten weniger. „Fünf Massenaussterben auf unserem Planeten hat die Naturforschung bisher gezählt, das sechste hat bereits begonnen“, sagt Karin Falkenberg. „In den vergangenen zehn Jahren ist die Insektenpopulation um 75 Prozent zurückgegangen.“ Andererseits würde man Bienenvölker, die vor fünf Jahren südlich der Alpen lebten, heute in Hamburg antreffen – als lebende Seismographen für die Klimaveränderung.
Die Spielzeugindustrie greift das Thema Nachhaltigkeit zunehmend auf und so tummelt sich in den Vitrinen von der Biene Maja bis zum Honiggläschen für den Kaufmannsladen, vom Bienenkorb bis zum Leckermäulchen Pu der Bär alles, was mit Bienen und Honig in Verbindung zu bringen ist. Selbstredend, dass es neben dem Imker von Playmobil auch eine Imker-Barbie gibt. Zum ausgestellten Spielzeug erläutern 40 Schrifttafeln, von denen die zehn wichtigsten auch ein 6-jähriges Kind verstehen kann, die Nachhaltigkeitsaspekte rund um die Bienen.
Welche Folgen das Eingreifen von Menschen in die natürlichen Kreisläufe haben kann, wird nicht ausgespart. In der Schau können die Besucherinnen und Besucher dem Bienensummen und Vogelgezwitscher lauschen. Nichts davon ist im chinesischen Sichuan zu hören, erklärt eine Tafel. Unter Mao Tsetung (1893-1976) hatte man weitflächig die Spatzen vertrieben, um das Saatgut zu schützen. In der Folge kam es zu einer explosionsartigen Vermehrung von Insekten, denen man mit Pestiziden zu Leibe rückte. Seither herrscht Stille in der Natur. Im wichtigsten Obstanbaugebiet der Volksrepublik müssen nun Menschen die Bestäubung vornehmen.
Nicht nur der Inhalt dreht sich um das Thema Nachhaltigkeit, auch die Gestaltungsmittel der Ausstellung folgen ihm. „Wir benutzen unsere vorhandenen Vitrinen, die aus Glas sind – nicht aus Acryl. Die Sockel haben wir von der Spielwarenmesse bekommen und mit ökozertifizierter Farbe gestrichen.“ Ein kleines Bücherregal, das Honigwaben nachempfunden ist, war eigentlich Sperrmüll aus einer aufgelösten Ladenausstattung und kam über ein Mitglied des Fördervereins ins Museum. Extra angefertigt wurden lediglich die Infotafeln. „Die Druckerei arbeitet seit 20 Jahren mit umweltschonenden Farben auf Rapsöl-Basis“, betont Karin Falkenberg. Den Druck gleich ganz eingespart haben die handgeschriebenen Beschriftungen in den Vitrinen, die beim Publikum gut ankommen.
Nicht nur bei dieser Präsentation, sondern im gesamten Museumsbetrieb stellen sich die Museumsleiterin und ihr Team immer Fragen wie: „Was machen wir, und geht das nachhaltiger? Bekommen wir das gebraucht?“ Gleichzeitig seien die Museen die größten CO2-Verursacher im Kulturbereich. „Klimaanlagen, Leihverkehr, Besucheranreisen“, zählt Falkenberg auf. Aber auch hier ist das Nürnberger Spielzeugmuseum weiter als andere. „Leihverkehr haben wir wenig, weil wir als Sammlungsmuseum vieles im Haus haben. Auch die Klimaanlagen konnten wir anpassen: Studien des Rathgen-Instituts in Kooperation mit dem Deutschen Museumsbund haben ergeben, dass die Objekte eine größere Breite an Schwankungen vertragen, es muss nicht immer die konstante Temperatur sein.“ Bei 50 Prozent internationalen Gästen ist der Einfluss auf die Transportmittel der Anreisenden begrenzt.
Bis 2030 hat sich das Haus noch viel vorgenommen. Auf dem Weg zum „Emotionalen Weltmuseum“ sollen das informelle Bildungsangebot weiterentwickelt, die Anti-Rassismus- und Diversitätssensibilität weiter gestärkt und die interkulturelle Kommunikation gefördert werden. Wichtig ist der Museumsleiterin die Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz zur Beschreibung und Messung der Nachhaltigkeitsmaßnahmen. „Das ist ein Prozess, bei dem es nicht wie in der klassischen Bilanz um Finanzmittel, Waren, Lieferketten geht – da stehen die Menschen im Mittelpunkt.“ Innerhalb des Museumsverbunds beraten sich die Nürnberger Häuser gegenseitig. Demnächst hat sich die Rostocker Oberbürgermeisterin angekündigt, um sich Know-how abzuholen.
„Wir haben hier 93 000 Objekte, die die Welt im Kleinen darstellen“, sagt Karin Falkenberg zum Schluss. „Damit vermitteln wir als außerschulischer Lernort Wissen, jede und jeder darf sich pflücken, was er will. Und wenn die Kinder beim Rausgehen sagen: ‚Das war cool!‘, dann haben wir künftige Museumsbesucher gewonnen!“ Das wäre dann auch nachhaltig.
Ausstellung „Bienenschwarm und Honigglück – Insektenleidenschaft im Spielzeugformat“