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30 / 4 / 2024

Raus aus dem Elfenbeinturm

Studierende kuratierten die Ausstellung „Beyond Boundaries“ auf dem Freigelände des Museums Tucherschloss

Zehn Studierende, 17 Künstlerinnen und Künstler und ein sehr reales Projekt: Mit der Ausstellung „Beyond Boundaries“ haben angehende Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker ausprobiert, was für viele von ihnen später Berufsalltag sein wird. Eine besondere Herausforderung dabei war, dass die Kunstwerke umziehen – vom großen Schlossgarten in Erlangen in den idyllischen Renaissance-Garten hinter dem Museum Tucherschloss.

„Wie konzipiere ich eine Ausstellung, wie setze ich sie um vom ersten Kontakt mit den Künstlern bis zum Auf- und Abbau? Das kam in meinem Studium leider gar nicht vor“, sagt Ulrike Berninger, die Leiterin des Museums Tucherschloss und Hirsvogelsaal. Sie fühlte sich bei ihrem Studium der Kunstgeschichte Mitte der 1980er Jahre in Erlangen wie im „wissenschaftlichen Elfenbeinturm“.

Das Ausstellungsteam vor der Orangerie in Erlangen. Bildnachweis: Kathrin Walter

Dass eine Gruppe Studierender der Friedrich-Alexander-Universität nun die Gelegenheit bekam, eine reale Ausstellung – noch dazu eine im öffentlichen Raum – zu gestalten, ist einem Zufall zu verdanken. Die Erlangerin Ulrike Götz, die zeitgleich mit Ulrike Berninger Kunstwissenschaft studiert hat und später als Galeristin erfolgreich war, hatte sich mit der Institutsleiterin unterhalten. Diese suchte für den 37. Deutschen Kongress für Kunstgeschichte, der vom 13. bis 17. März 2024 in Erlangen tagte, eine thematische Umrahmung.

Die Idee für ein Projektseminar war geboren. Unter Leitung von Ulrike Götz haben zehn junge Frauen und Männer im Sommerseminar 2023 mit der Auswahl der Künstlerinnen und Künstler begonnen. Jede und jeder sollte den Kontakt zu zwei der Kunstschaffenden herstellen und sie für „Beyond Boundaries“ gewinnen. Parallel dazu wurden vier verschiedene Arbeitsgruppen gebildet: Von Vermittlung (Wie bringen wir Wissen und Informationen ans Publikum? Worauf fokussieren die Führungen?) und Objektgestaltung (Wo werden die Kunstwerke platziert, wie werden sie präsentiert?) über die Öffentlichkeitsarbeit (Erstellen von Flyern und Plakaten bis zu Werbung und Texten für die Webseiten der Universität) bis hin zu Finanzen (Woher kommt das Geld für das Projekt?).

Lars Herrmann: Ostseeblick – Hinter den Grenzen der Kunstgeschichte, 2024.

„Das klingt vielleicht merkwürdig. Aber die letztgenannte Arbeitsgruppe war sehr wichtig für uns, denn wir haben finanziell bei Null angefangen“, erklärt Götz. Inzwischen haben die Kulturstiftung Erlangen, die VR Bank und die Staedtler-Stiftung und einige andere ihre Unterstützung zugesagt. „Das Geld verwenden wir für Versicherungen oder auch den Hubsteiger, den wir für die Installierung der Werke brauchen.“

Unter den gezeigten Werken sind großformatige wie ein Vorhang aus farbigen Plastikstreifen von Michael Göbel, ein 3,50 Meter hohes Banner von Lars Hermann oder eine Installation aufgetürmter Möbel von Roger Libesch. Sie wirken im weitläufigen Erlanger Schlossgarten anders als im überschaubaren Renaissance-Garten des Nürnberger Museums Tucherschloss.

Michael Göbels Vorhang „haze (red)“ (2024) am Durchgang zum sogenannten kleinen Seitengarten.

Und manches Kunstwerk funktioniert am neuen Präsentationsort gar nicht. Die Ansbacher Künstlerin Kerstin Himmler etwa stellt der Schreber-Säule, die 1810 zu Ehren des Mediziners und Naturwissenschaftlers Johann Christian Schreber in Erlangen errichtet wurde, eine Installation aus Metallstäben gegenüber, die die Linien der Ruinensäule „Out of body“ nachvollzieht. Das Objekt nimmt konkreten Bezug – der im Tucherschloss-Garten entfällt. Was tun? „Mein Bestreben ist immer, nicht eine fertige Ausstellung zu übernehmen und irgendwie in den Garten zu „streuen“. Sondern die Kunstwerke sollen sich vielmehr bestmöglich auf den Ort selbst beziehen“, sagt Ulrike Berninger. Eine Lösung ist bereits gefunden: Kerstin Himmler wird ihr künstlerisches Konzept auf die Skulpturen im Seitengarten stehenden Holzskulpturen „Stationen des Lebens / vier Köpfe“ von Andreas Kuhnlein anwenden. Andere Künstler „verkleinern“ ihre Werke oder ändern sie für die speziellen Anforderungen in Nürnberg ab. Denn hier ist alles nicht nur viel gedrängter, sondern der Garten wird außerdem für Museumsveranstaltungen im Freien benötigt sowie auch für private Feiern wie Hochzeiten oder Geburtstage gebucht.

Die Studierenden sind bei diesen Überlegungen und Planungsgesprächen – soweit sie dies mit ihrem Stundenplan vereinbaren können – dabei, haben bereits mehrere Begehungen vor Ort absolviert. Das praktische Arbeiten ist neu für sie, obwohl sie mittlerweile im dritten bis zehnten Semester studieren. „Sie können sagen, welche Augenfarbe Vincent van Gogh hatte – aber es fällt ihnen schwer zu entscheiden, hänge ich das Kunstwerk an diesen oder jenen Baum“, sagt Ulrike Götz.

Aber das ist auch nicht einfach: Der Inhalt der Kunstwerke, der Geist dieser ersten Gruppenausstellung im Tucherschloss, die Struktur des Gartens mit seinen Terrassen, die Sichtachsen und der Bezug auf die historischen Gebäude – alles muss bedacht werden und soll zusammenspielen.

Jedes Werk wird mit einem Info-Ständer zu Künstler und Objekt erklärt, außerdem erstellten die Studierenden eine virtuelle Führung in der App „LiteraTouren“, die vom Bildungscampus Nürnberg zur Verfügung gestellt wurde und einfach heruntergeladen werden kann.

Informationen zur Ausstellung „Beyond Boundaries“


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