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14 / 11 / 2022

Das begehbare Besucherbuch.

Eine Publikumsbefragung mit den Mitteln des Museums

Überlegt man sich, mit welchem Ziel Menschen ihre Wochenend- oder Freizeitaktivitäten verbinden, kommen einem rasch Begriffe in den Sinn, wie „Erholung und Entspannung“, „Ablenkung“, „Neues kennenlernen“ oder „tolle Erlebnisse“. Verschiedene Aktivitäten locken, diese Ziele zu erreichen. Der Museumsbesuch ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Doch was bringt Menschen dazu, diese Aktivität zu wählen und nicht eine der zahlreichen Alternativen? Warum kommen die Menschen ins Museum und was erhoffen sie sich dort? Diesen Fragen geht das Museum Industriekultur im Projekt „begehbares Besucherbuch“ nach und versucht dabei, neue Wege der Ausstellungsbefragung zu erproben.

Worauf fährst du ab?

Die Ausgestaltung einer nutzungsfreundlichen Befragung

Zunächst aber zum Titel des Projekts und damit zur Grundidee: Besucherbücher, auch manchmal Gästebücher genannt, sind eine weit verbreitete Form, um Rückmeldungen vom Museumspublikum einzuholen. Als das Museum Industriekultur nach langer Pause ein solches Buch 2019 wieder in seinem Foyer aufstellte, erfreute es sich großen Zuspruchs und viele Kommentare zum Museumsbesuch gingen ein. Doch die Kommentare waren sehr heterogen und an vielen Stellen hätten die Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter gerne gewusst, warum jemand sich für die Ausstellung begeistert hat, und was bestimmte Personen dazu bewogen hat, ins Museum zu kommen. So entwickelte sich die Idee, genauer nachzufragen und eine Publikumsbefragung zu initiieren, die, wie ein Besucherbuch, die Menschen zum Kommentieren animiert, aber noch gezielter Fragen zum Ausstellungsbesuch und zur Besuchsmotivation stellt. Um dies zu erreichen, sollte das neue Besucherbuch „begehbar“ gemacht werden.

Was holt dich vom Sofa?

Doch was bedeutet dies? Eine Vermutung vorne weg: Die wenigsten Menschen gehen gezielt in ein Museum, um an einer Befragung teilzunehmen, da von gewöhnlichen Befragungen wenig Erlebnischarakter erwartet wird. Um auszuprobieren, was passiert, wenn eine Befragung einen solchen Erlebnischarakter bietet, wurde das Besucherbuch als Ausstellung inszeniert und damit mit den Mitteln eines Museums begehbar gemacht. Es entstand eine kleine Ausstellung, an deren Mitmachelementen Fragen zum Ausstellungsbesuch beantwortet werden können.

Aus allen Rückmeldungen lassen sich Erkenntnisse gewinnen. So auch aus den Gemälden jüngerer Besucherinnen.

Ein Jahrmarkt der zum Mitmachen einlädt

Die Frage, was das Museumspublikum motiviert, ins Museum Industriekultur zu kommen, kristallisierte sich als eine der Hauptfragen der Untersuchung heraus. Die Beweggründe zu ermitteln, warum die Menschen diese Ausstellung als Freizeitaktivität wählen und nicht einfach den Sonntagnachmittag auf dem Sofa verbringen, ist einer der Ziele der Untersuchung. Daher lag es nahe, direkt zu fragen: „Was holt dich von Sofa?“. Um den Erlebnischarakter zu steigern, wurde nun ein Sofa aus der Sammlung in der Ausstellung präsentiert und drumherum können die Besucher nun auf Fähnchen ihre Antworten hinterlassen. Zwei weitere Fragen, die das Museum brennend interessierte, waren die nach gewünschten Ausstellungsthemen und nach präferierten Vermittlungsformaten, wie Führungen, Audioguides oder interaktive Mitmachstationen. Hierzu wurden drei verschiedene Hocker zur Frage nach den Ausstellungsthemen neben dem Sofa platziert und mit der Aufforderung „Was haut dich vom Hocker?“ verbunden. Zwei Fahrzeuge aus der Fahrzeugsammlung des Museums, ein Kindertretauto und ein Mofa, repräsentierten die Frage „Worauf fährst du ab?“. Um zusätzlich zu den Objekten und den Fragen noch den Erlebnischarakter der Befragung zu steigern, wurde die Ausstellung wie ein „Jahrmarkt“ gestaltet. Fähnchen zum Beschreiben laden zum Feedback ein, eine Tablet-Befragung, die Teil eines Eiswagens ist, ermöglicht eine vertiefte und nach Ausstellungseinheiten gegliederte Befragung. Insgesamt macht die Begeisterung, Qualität und Quantität, mit der die Fähnchen beschrieben werden, deutlich: mit einer Steigerung des Erlebnischarakters einer Befragung steigt auch die Beteiligung daran, und damit der Erfolg der Untersuchung.

So wie auf diesen beiden Fähnchen wurden viele Anregungen festgehalten.

Ein Blick aus Publikumsperspektive auf die Ausstellung

Was antworten die Besucherinnen und Besucher nun auf die Fragen im begehbaren Besucherbuch? Dem größten Gegenspieler des Museums, der bequemen Couch, wirken laut Publikumsrückmeldung viele Faktoren entgegen: Für manche, wahrscheinlich jüngere Besucher, sind es die Eltern, für viele aber auch überraschenderweise gutes Wetter – was wahrscheinlich die Ausflugslust steigert, wovon dann auch Museen profitieren. Viele Kinder malten Lieblingsobjekte aus der Museumsstraße auf die Fähnchen, aber auch anderes, Nicht-Museales, woraus sich schließen lässt, dass Malstationen im Museum auf großen Zuspruch stoßen könnten. Wirklich beliebt sind die Rauminszenierungen des Museums, wie beispielsweise die Arbeiterkneipe. Nimmt man hier noch die Ergebnisse aus der Tablet-Befragung hinzu, zeigt sich eine deutliche Tendenz: die Lebensumstände der früheren Zeit wecken das Publikumsinteresse. Auch die Maschinen, die gangbar gemacht wurden, wie die Dampfmaschinen oder die Keilriemenkonstruktion in der Werkstatt, werden deutlich positiv bewertet und wecken den Wunsch, selbst Geräte zu starten und durch „Anfassen“ mehr über die Maschinen zu lernen. Insgesamt lassen sich die Rückmeldungen folgendermaßen zusammenfassen: Die meisten Menschen kommen ins Museum Industriekultur, um etwas Altes zu sehen und dort Neues kennenzulernen und um mit Freunden, Familie und Verwandten dort Zeit zu verbringen und miteinander schöne Erlebnisse zu teilen.

Die Hochräder in der Ausstellung waren beliebte Malmotive und diese Bilder zeugen von verstärktem Interesse für dieses Fortbewegungsmittel gerade beim jüngeren Publikum.

Diese Rückmeldungen, zusammen mit vielen weiteren, fließen in die Überlegungen zur Neukonzeption der Dauerausstellung des Museum Industriekultur ein. Denn die Ausstellungsräume des Museums werden in den nächsten Jahren den neusten Brandschutzbestimmungen entsprechend erneuert und im Zuge dessen stellt sich die Frage, was von der bisherigen Ausstellung bleibt und was dort aktualisiert werden muss, da es inhaltlich nicht mehr aktuell ist oder dem Publikumsinteresse entspricht. Wer das zukünftige Museum mitgestalten möchte, hat noch bis Februar 2023 Zeit, seine Meinung auf einem Fähnchen zu hinterlassen oder ausführlicher die Fragen im Fragebogen auszufüllen.

 

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