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17 / 2 / 2022

„Gesprayt“ im Memorium Nürnberger Prozesse

Graffitis von Schülerinnen und Schüler der Scharrer-Mittelschule

Das Titelbild stammt von Martina Aisosa Osabuohien aus der Klasse 9a, sie sagt dazu: „Meine Botschaft ist, es ist mir besonders wichtig, dass es Gerechtigkeit gibt. Es soll weiterhin Gerechtigkeit geben. Für uns und unsere Zukunft.“

75 Jahre nach dem Beginn des Nürnberger Prozesses stellten Schülerinnen und Schüler der Scharrer-Mittelschule sich die Frage, welche Bedeutung die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges sowie deren Verhandlung im Nürnberger Prozess heute noch haben. Sophia Brostean-Kaiser vom Memorium Nürnberger Prozesse startete das Projekt in enger Zusammenarbeit mit dem Lehrer Jan Rauch 2020 mit einem Workshop in der Schule, einem Besuch des berühmten Saales 600 sowie der Dauerausstellung im Nürnberger Justizpalast.

Schließlich fand ein Workshop mit dem Graffiti-Künstler Carlos Lorente statt, bei dem die Schülerinnen und Schüler Sprühtechniken ausprobieren konnten. Dann legten sie los und verarbeiteten die Inhalte der eigenen Reflexionen. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Es sind großformatige und knallige Bilder, die im Cube 600 noch bis 17. März 2022 zu sehen sind. Steffen Liebscher vom Memorium Nürnberger Prozesse kuratierte die Ausstellung, Martin Küchle entwarf das Ausstellungsdesign. Zu sehen ist auch ein Film, der den Entstehungsprozess der Werke dokumentiert.

Die farbenfrohen Bilder widmen sich ganz unterschiedlichen Themen. Sie bringen zum Ausdruck, dass Jugendliche wahrnehmen, welches Leid vergangene Kriege und auch Kriege der Gegenwart für die Menschen in den betroffenen Ländern erzeugen. Sie zeigen auch die Hilflosigkeit und Ohnmacht von Kindern, die Krieg erleiden müssen, weil niemand ihn verhindert oder sie daraus errettet.

„Ich möchte damit sagen, dass viele Leute während des Krieges gestorben sind, und dass wir auf andere Menschen achten sollen, dass es nicht wieder zu einem Krieg kommt.“ So kommentiert Marcel Rychlik, 7c, das Graffito „Shoa“ (links), das er mit Moayad Chbat sprühte. Foto: Astrid Betz

Das Graffito „Shoa“ von Marcel Rychlik und Moayad Chbat zeigt Stacheldraht, das Tor von Auschwitz, den Schriftzug Shoa und den gelben Judenstern. Und mittendrin zu sehen, ist ein Kind, das der Gewalt schutzlos ausgeliefert ist. Daneben platziert ist das Werk von Eldin Mustafalic. Das Graffito zeigt eine Pistole und einen Totenkopf mit Stahlhelm vor einer Karte des damaligen Großdeutschlands. Der Titel des Bildes ist „Crime de guerre“, auf Deutsch Kriegsverbrechen. Es soll den mörderischen Angriffskrieg auf Polen im September 1939 symbolisieren. Dem 15-Jährigen ist es wichtig, auch heute Stellung zu beziehen gegen Rassismus und Ausgrenzung. „Wir haben eine Gesellschaft, in der Menschen aus vielen Ländern und Kulturen zusammenleben. Und wenn jemand hierherkommt, soll er sich auch wohl und nicht ausgegrenzt fühlen“, erzählt Mustafalic bei der Eröffnung dem Redakteur Jonas Miller vom Bayerischen Rundfunk.

Die Schülerinnen Lejla Fejzic und Florena Balaj bei der Arbeit. Foto: Olga Henich

Lejla Fejzic und Florena Balaj (8. Klasse) fasziniert die Symbolsprache, mit der insbesondere die Türportale im Saal 600 gestaltet wurden. Sie greifen die dort vertretenen Darstellungen wie das Haupt der Medusa und die Waage sowie andere typischen Justizsymbole wie die Frau mit den verbundenen Augen in ihrem Graffito auf.

Martina Aisosa Osabuohien und Teresa Egede befassen sich mit dem Thema der Gerechtigkeit. Gelingt der Anspruch des Staates und der Zivilgesellschaft, Gerechtigkeit gelten zu lassen? Können sich alle Bürgerinnen und Bürger in diesem Land geschützt fühlen? Oder gibt es da doch immer Unterschiede auch in unserem gegenwärtigen Rechtstaat? Der Schriftzug Justice in leuchtendem Blau bringt zum Ausdruck, dass ihr Kunstwerk Anspruch auf und Sehnsucht nach Gerechtigkeit zugleich formuliert.

Kuzey Uyar und Jusef Tariq beeindruckte der politische Wille und die Entschlossenheit, mit der die Alliierten im Zweiten Weltkrieg und im Nürnberger Prozess bereit waren zu kooperieren. Ihr Graffito trägt somit auch den Titel „Kooperation“. Foto: Jonas Miller

Kuzey Uyar und Jusef Tariq nennen ihr Graffito „Kooperation“. Gesprayt haben sie vier Hände, die einen Kreis bilden. Die Hände symbolisieren die Siegermächte, die sich damals nach mehreren Konferenzen auf einen gemeinsamen Gerichtshof einigen konnten und den Nürnberger Prozess zusammengeführt haben. Die Schüler zeigen sich beeindruckt von dem, was die Alliierten damals realisierten, eben, dass das Leid und die verübten Verbrechen nicht akzeptiert, sondern im Rahmen der Anklage verhandelt und die Verantwortlichen vor Gericht gestellt wurden. Diese Entschlusskraft fehlt heute bisweilen.

Jan Rauch sieht Chancen in dieser Kooperation, da die Schülerinnen und Schüler in Teams künstlerisch sich mit diesem schweren Thema auseinandersetzen konnten. Das Engagement der Schüler hat sich bereits ausgezahlt. Für das Projekt ist die Scharrer-Mittelschule im Wettbewerb „Erinnerungszeichen“ 2020/2021 des bayerischen Kultusministeriums in der Rubrik „Mittelschulen“ mit dem 1. Landespreis ausgezeichnet worden. Auch Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König hat die Ausstellung bereits besucht und sich beeindruckt gezeigt. Die kleine feine Wechselausstellung wird nun um einen Monat verlängert und ist bis zum 17. März 2022 im Cube 600 zu sehen.

Weitere Informationen zur Ausstellung

Beiträge des Bayerischen Rundfunks zur Ausstellung:
BR24 Online-Bericht
Radio-Beitrag Bayern 2
Fernsehbeitrag in der ARD Mediathek


Dr. Astrid Betz, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände und derzeit auch im Memorium Nürnberger Prozesse, begleitete den Prozess der Ausstellungseröffnung in Pandemie-Zeiten und freute sich, dass am Eröffnungstag gleich morgens ein Besucherpaar die Ausstellung sehen wollte.

 

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