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22 / 6 / 2021

So schaut’s aus, das Haus des Spiels

Der Architekt Robert Rechenauer zum geplanten Umbau des Pellerhauses zum Haus des Spiels

Das Pellerhaus wird zum Haus des Spiels: Wie überführt man ein historisches Gebäude in eine moderne Nutzung? Welche Überlegungen stellen die Planer an? Was bedeutet das für die Stadt und die künftigen Nutzer? Das erklärt der Münchner Architekt Robert Rechenauer, der die Sanierung plant und umsetzen wird.

Das Augenfälligste zuerst: Das am Egidienberg in der Nürnberger Altstadt gelegene Pellerhaus wird sich öffnen. Statt vergitterter Fenster werden künftig große Scheiben und bunte Markisen das Erdgeschoss des Haus des Spiels schmücken. Darin – ein ebenerdiges Bistro mit Außengastronomie, das auch den Egidienberg beleben soll.

Die niedrigen Raumhöhen, die eines der größten Probleme des bestehenden Hauses darstellen, bricht Rechenauers Planung an dieser Stelle auf: Die Decke des Bistros im Erdgeschoss wird geöffnet, sodass Großzügigkeit spürbar wird. Das darüber liegende Stockwerk bleibt dabei in Teilen erhalten. Auf der damit geschaffenen Empore wird sich später die Präsentationsfläche des Haus des Spiels befinden. Das ist der größte Eingriff, vieles andere – wie der den Nürnbergern gut bekannte ehemalige Lesesaal der Stadtbibliothek – wird bleiben. Aus gutem Grund.

Empore überhalb des Cafes.

Geschichte in die Zukunft weitererzählen

Auf Bauen im Bestand hat Robert Rechenauer sich spezialisiert, sein Büro hat in Nürnberg beispielsweise das frühere Seniorenheim „Wastl“ zur Hochschule für Musik umgebaut und das Mozarteum in Salzburg modernisiert. Was reizt ihn an den alten Gemäuern? „So ein Haus erzählt viel über den Wandel der Zeit. Wir greifen die Geschichte auf und ermöglichen eine Weitererzählung“, sagt Rechenauer.

Beim Pellerhaus ist dies besonders interessant. Zum einen sei es „eines der spannendsten Stücke der Architekturgeschichte, die der Wiederaufbau in Deutschland hervorgebracht“ hat. Zum anderen kulminierten im Haus mehrere Wendepunkte der Nürnberger Stadtgeschichte: Erbaut in der Spätrenaissance (1602-1607), stand das historische Pellerhaus für den ungeheuren Reichtum und das Geltungsbedürfnis seines Besitzers Martin Peller – eines Kaufmanns, der mit internationalem Handel überaus erfolgreich war – sowie für die Wirtschaftskraft und das kulturelle Potenzial der Reichsstadt Nürnberg. Die Epoche der Romantik verklärte den Blick auf die Vergangenheit und rühmte den Prachtbau aus der Hand von Jakob Wolff d. Ä. Das Haus wurde 1929 von der Stadt Nürnberg erworben und nach einer umfassenden Sanierung als Stadtarchiv genutzt.

Der historische Innenhof des Pellerhauses. Foto: Stefan Meyer

Bomben zerstörten das Pellerhaus im Zweiten Weltkrieg nahezu gänzlich. Erhalten blieben nur der Keller, der achteckige Treppenturm sowie Teile des Arkadenhofes. Im Zuge des Wiederaufbaus wurden das Pellerhaus und das Nachbargrundstück im Osten von 1955 bis 1957 als Neubau ausgeführt. Die Gestaltung des Turmbaus über dem historischen Sockel und das rechts anschließende Magazin – nach Plänen der Architekten Fritz und Walter Mayer – gelten als klassisch für die 1950er Jahre.

Dieses moderne Pellerhaus, das Stadtbibliothek und -archiv vereinte, wurde 1998 unter Denkmalschutz gestellt. Von 2008 bis 2018 rekonstruierten die Altstadtfreunde e.V. den aufwändig mit Arkadengängen gestalteten Innenhof. Aufgrund seiner 50er-Jahre-Architektur erfuhr das Gebäude vor kurzem eine besondere Würdigung – die Aufnahme in die Liste der Denkmäler von nationaler Bedeutung durch das Landesamt für Denkmalpflege.

Die Fassade des Pellerhauses im Stil der 1950er Jahre. Foto: Deutsches Spielearchiv Nürnberg

Auffrischung soll Jüngere und Kreative ins Haus holen

„Mir ist es ein Anliegen, dass die eigene Zeit Eingang findet“, sagt Robert Rechenauer. Völlig freie Hand hat er dabei nicht. Zum einen soll das Denkmal erhalten bleiben und dann „verfügen wir nicht über die finanziellen Mittel eines Martin Peller. Wir planen und bauen auch nicht für eine Privatperson, sondern für die öffentliche Hand – also für uns alle.“

Es gilt deshalb, die Mittel klug einzusetzen und damit maximalen Nutzen zu erreichen. Das Haus des Spiels sei die perfekte Nutzung, sagt der Architekt: Als große Veranstaltungsräume können der ehemalige Lesesaal und das oberste Geschoss des Turms genutzt werden, das Foyer wird umgestaltet und das Bistro kommt neu dazu. Dort, wo es die Raumhöhen erlauben, werden Büros eingerichtet. Außerdem sollen Coworking-Flächen und ein Playlab entstehen, die Jüngere und Kreative ins Haus ziehen.

Die Explosionszeichnung zeigt die Raumaufteilung der Stockwerke und die räumlichen Zusammenhänge.

Wo die Decken mit 2,30 Metern zu niedrig sind für eine öffentliche Nutzung, werden – wie bisher – Depots bleiben, in denen das Deutsche Spielearchiv seinen Schatz von mehr als 30.000 Brettspielen unterbringt, aber auch dem Spielzeugmuseum den dringend benötigten Raum für den Sammlungsbestand bietet. „Wir müssen ja nicht die Mona Lisa schützen“, sagt Robert Rechenauer. Aber natürlich sei Klimatechnik in gutem Standard vorgesehen.

Das 1950er Jahre-Treppenhaus mit Blick in den Schmuckhof kann erhalten werden, denn im Osten wie im Westen werden neue Treppenhäuser gebaut und als zusätzliche Fluchtwege zur Verfügung stehen. Zum zentralen Veranstaltungsort, dem bisherigen Lese- und Spielesaal, wird ein Aufzug führen.

Bauphysik, Barrierefreiheit und Brandschutz, Statik, Akustik, Wärmedämmung und nicht zuletzt die Anforderungen des Denkmalschutzes müssen die Architekten der Generalsanierung unter einen Hut bringen. Dass die Übergänge zwischen Turm- und Querbau nicht eben sind und der ganze Komplex in den Hang gebaut ist, erschwert die Aufgabe zusätzlich. Außerdem werden die Besucherinnen und Besucher des Hauses des Spiels künftig nicht nur „Mühle“ oder „Monopoly“ spielen wollen, sondern auch an Computern – als Teil der Nürnberger Kreativwirtschaft – arbeiten. Die dafür erforderliche Infrastruktur und Technik müssen installiert werden – nach neuestem Stand.

Innenansicht des Cafes im Erdgeschoss.

Komplexe Entscheidungsprozesse erfordern Moderation

Deshalb befinden sich die Architekten in einem ständigen Abstimmungsprozess mit dem Hochbauamt, dem Denkmalschutz, den späteren Nutzern und der Kommunalpolitik. „Wichtig ist die Moderation der komplexen Entscheidungsprozesse, sie ist eine Hauptaufgabe von uns Architekten“, sagt Robert Rechenauer. So intensiv wie er hat sich wohl kaum jemand bisher mit dem Pellerhaus beziehungsweise dem künftigen Haus des Spiels beschäftigt, angefangen vom Studium der ursprünglichen Pläne und der verschiedenen Umgestaltungen im Lauf der Jahrhunderte über diverse Besuche vor Ort bis hin zu den Gesprächen mit den Behörden und den Wünschen der künftigen Nutzerinnen und Nutzer.

Anfang Juni hat Rechenauers Büro den Bauantrag abgeben, erfahrungsgemäß dauert die Prüfung ein halbes Jahr. Wann es dann losgehen kann mit dem Umbau? Das hängt vor allem von der Finanzierung und der Entscheidung des Nürnberger Stadtrates ab. „Wir glauben und hoffen, dass es weitergeht. Die Rahmenbedingungen passen“, sagt Robert Rechenauer optimistisch.

Dem Haus des Spiels wohnt ein besonderer Charme inne

Für ihn hat das Haus des Spiels einen besonderen Charme. Zum einen knüpft es an die Geschichte Nürnbergs als Stadt des Spiels an und präsentiert sie in ihrer modernen Ausprägung, zum anderen demokratisiert die künftige Nutzung den historischen Ort: „Das Schöne ist, dass wir alle an dem Haus des Spiels partizipieren können. Wir müssen nicht – wie zu Zeiten Martin Pellers und seiner Nachfahren – draußen stehen und können nur grübeln, was wohl hinter der aufwändig gestalteten Fassade passiert.“

 

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Bildnachweis für alle Visualisierungen: Rechenauer Architekten

2 Kommentare zu “So schaut’s aus, das Haus des Spiels

  • Aleksandra Kapun
    25 / 6 / 2021 | 7:26

    Schade, dass in diesem Beitrag völlig veraltete Fotos vom Innenhof des Pellerhauses gezeigt wurden, nachdem die Altstadtfreunde diesen so toll wiederhergestellt haben!

    • Brigitte List
      27 / 6 / 2021 | 8:03

      Das Foto vom Innenhof wurde im August 2018 aufgenommen als die Restaurierung der Altstadtfreunde abgeschlossen war.

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