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28 / 1 / 2021

Ein „emotionales Weltmuseum“ entsteht

Das Spielzeugmuseum beginnt den Umbau und strebt mit neuer Konzeption eine Transformation an

Das Spielzeugmuseum baut um. Neben baulichen Veränderungen ist es vor allem die neue Konzeption, die das Museum grundsätzlich verändern wird: Besucherinnen und Besucher folgen auf vier Etagen künftig 22 Erzählsträngen. Diese stellen den spielenden Menschen in den Mittelpunkt und laden an vielen Stellen zum Mitmachen ein. „Das ganze Leben ist ein Spiel – und wir haben das Zeug dazu“, formuliert Museumsleiterin Prof. Dr. Karin Falkenberg. Wie die Transformation gelingen kann, erklärt sie in unserem Interview.

Frau Falkenberg, das Spielzeugmuseum soll ein „emotionales Weltmuseum“ werden. Ist das nicht ein bisschen großspurig?

Das stimmt. Aber wir haben getestet, ob der Begriff „Weltmuseum“ trägt. Er tut es und verspricht nicht zu viel: Spielzeug ist die große Welt im Kleinen! Wir können tatsächlich mit Spielzeug die Welt erklären und haben viel mehr an Inhalten zu bieten als manches Weltmuseum.

Szene aus einer emotionalen „Spielzeug-Geschichte“, die im Eingangsbereich startet. Bildnachweis: Sunder-Plassmann Architekten

Zum Beispiel?

Nehmen wir die Weltraumforschung. Alle Menschen haben Vorstellungen vom Universum. Auf der technischen Ebene haben wir die Forschungsstation ISS im Spielzeugmuseum, aus Lego im Maßstab 1: 220 nachgebaut. Das ist sehr detailgetreu. Parallel dazu gibt es die Phantasie vom Universum, was sich Menschen über Sterne, Mond und Sonne ausgedacht haben. Nichts anderes findet sich so oft und in so vielen Variationen im Spielzeug wieder.

Mit der Welterklärung haben Sie sich einiges vorgenommen…

Wir werden auch Kinderbücher auslegen, die die Besucher benutzen können und die das Spielzeug in Relation zum Wissen bringen. Wenn ich einem sechsjährigen Kind etwas erklären kann, haben‘s auch die Erwachsenen verstanden.

Auf jedem der Stockwerke sind unterschiedliche Narrative angelegt. Mit welchen Erzählungen empfängt das Spielzeugmuseum seine Besucherinnen und Besucher?

Der Hingucker wird die Kulisse der Spielzeugstadt Nürnberg sein, die aus Lego- und Ankerbausteinen, Teilen aus Metallbaukästen und Playmobil bestehen wird. Sieben Narrative – Spielzeug ist Gefühl und Phantasie, Spielzeug überdauert und es ist politisch, die Wissenschaft spielt und Spielen ist der Antrieb der Welt, vor allem aber ist Spielzeug Nürnberg – geben einen Überblick und sind gleichzeitig die didaktische Matrix.

Für alle gut zugänglich und künftig ein prominentes Element im Eingangsbereich: Skizze der „Spielzeugstadt Nürnberg“. Bildnachweis: Sunder-Plassmann Architekten

Das müssen Sie jetzt aber erklären!

Das Spielzeugmuseum in seiner jetzigen Gestalt erschließt sich vor allem Menschen, die sich mit Spielzeug auskennen. Den Sammlerinnen und Sammlern und Menschen, die sich mit Spielwissenschaften auseinandersetzen. Die Objekte sind jetzt noch nach Art und Material gruppiert, also finden sich beispielsweise Puppen an einer Stelle, Zinnfiguren oder Blechspielzeug an einer anderen. Wir möchten das dynamischer gestalten und Spielzeug für Besucherinnen und Besucher präsentieren, die Spielzeug als Spielende wahrnehmen. Wir gehen in die Tiefe und erklären das Potenzial, das im Spielzeug steckt: Spielen ist der Antrieb der Welt.

Im ersten Stock heißt eines der Narrative „Menschen lieben Menschen“. Was sehen wir da?

Es geht um Fürsorge, um Familie, um Freunde, um Liebe. Auch Aufklärung findet Widerhall. Wir suchen immer ein Leitobjekt, mit dem wir die Diskussion aufnehmen. Gerade Liebe umfasst mehrere Themen, das ist noch nicht perfekt und muss es vielleicht auch gar nicht sein. Wir haben im Team – mit Christiane Reuter, der Volontärin Mascha Eckert, Urs Latus und mir – den Lockdown für intensive Diskussionen genutzt und haben unsere Vorstellungen auch an Außenstehenden geprüft.

Sie haben sich auch vorgenommen, dass das Spielzeugmuseum inklusiv werden soll, antirassistisch und nachhaltig. Kann das gelingen, wenn Spielzeug unsere Welt doch spiegelt?

Das ist ein Prozess, wir sind auf dem Weg dorthin. Dabei holen wir uns Tipps von denen, die nicht der Mehrheitsgesellschaft angehören. Die Umsetzung ist schwierig, denn wenn man in die Geschichte blickt, geht es um Macht, um Geld und Geltung. Aber wir haben schöne Ideen und wollen das Museum in die Jetzt-Zeit fortführen. In einem Puppenhaus stehen beispielsweise zwei Männer in der Küche, die in der Puppenhaus-Geschichte traditionell Domäne der Frau ist. Wir können die Welt nicht perfekt erklären, aber wir setzen Impulse.

Ein Muss für neue Dauerausstellungen: Prüfung der Inklusionstauglichkeit. Bildnachweis: Sunder-Plassmann Architekten

Besucherinnen und Besucher sollen im Spielzeugmuseum künftig auch spielen können. Wie funktioniert das?

Wir arbeiten nach dem Prinzip der „überwundenen Vitrine“. Neben den klassischen Vitrinen, in denen auch weiterhin kostbare Originale ausgestellt werden, können Menschen spielerisch aktiv werden. Didaktische „Hands on“-Angebote, wie andere Museen sie haben, brauchen wir im Spielzeugmuseum kaum. Wir fordern auf: Nimm doch das Spielzeug in die Hand!

Ein Blick hinter die Kulissen: Gestaltungsproben für die Dauerausstellung im Erdgeschoss. Bildnachweis: Sunder-Plassmann Architekten

Vermitteln wollen Sie aber doch komplexe Zusammenhänge, etwa wenn es um Religion, Gesellschaft und Wirtschaft geht. Ziemlich ambitioniert, oder?

Ich erlebe und begreife Besucherinnen und Besucher als archaische Wesen. Sie können im Museum tun und lassen, wozu sie Lust haben. Sie können einfach durch die Räume schlendern und zum Beispiel ihre Lieblingsobjekte besuchen oder bewusst unseren Roten Faden aufnehmen und auf Entdeckungsreise gehen. Beim Narrativ „Menschen entwickeln Ordnungen“ etwa geht es auch um Religion. Das Transzendente im Leben spüren wir alle, aber die Ausformungen von Religionen sind menschengemacht. Das gilt auch in der Wirtschaft, für die, ganz banal, der Kaufladen steht. Kaufen und Verkaufen und die Kommunikation im Laden folgen eigenen Ordnungen. Wie jedes andere Narrativ endet auch dieses mit dem Satz: … und Nürnberger Spielzeug macht das begreifbar.

Das hört sich wie eine Nabelschau an. Wo bleibt das Weltspielzeug?

Spielen ist überall anders und überall gleich, davon sind wir überzeugt. Das universale Prinzip zeigen wir künftig anhand von Puppen. Und wir gelangen auch über das Narrativ „Menschen schaffen sich Lebensräume“ dorthin. Territoriales Verhalten gehört zu uns Menschen. Es beginnt beim Abstand, den man zu anderen hält, führt über mein Büro, mein Haus, meine Stadt zu Regionen und Ländergrenzen bis zum Globus. Wir setzen auf den Aha-Effekt.

Muss man besonders intelligent sein, um das künftige Spielzeugmuseum zu verstehen?

Nein, wirklich nicht! Wir wollen ein lustiges, lebendiges Museum werden mit Platz für viele partizipative Elemente. Schlauer wird man von alleine – das ist beim Spielen und Spielzeug immer so.

Das Spielzeugmuseum sucht für seine neue Dauerausstellung Fotografien von Menschen, die mit den Elementen Erde, Wasser, Feuer oder Luft spielen.
Zeigt her Eure Fotos!

Informationen zu den für das Jubiläumsjahr geplanten Veranstaltungen
Count Down: Drei – Zwei – Eins – Los!

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