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18 / 11 / 2020

Ein Zuhause für die Zitrusfrucht

Was ist eigentlich ein Pomeranzenkübel?

Zitrone, Orange oder Limette – heute sind das alles ganz normale Lebensmittel, die sich in jedem Obstkorb und jedem gut sortierten Kühlschrank finden lassen. Noch bis vor wenigen hundert Jahren war das jedoch ganz anders: Die aus Asien stammenden Zitrusfrüchte, egal, ob nun süß oder sauer, galten lange Zeit als absolutes Luxusgut, das sich überhaupt nur die Mächtigen und Reichen leisten konnten.

Eine der ersten nach Europa importierten Zitrusfrüchte war die Pomeranze. Die auch unter dem Namen „Bitterorange“ bekannte Frucht wurde vermutlich im frühen Mittelalter von arabischen Siedlern nach Europa eingeführt. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich ein reges Interesse an der Frucht, die zunächst als Arzneimittel geschätzt war. Für den Nürnberger Raum ist der Handel mit Pomeranzen etwa seit Beginn des 16. Jahrhunderts nachweisbar. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die bittere Frucht allerdings längst vom Arzneimittel in einen kulinarischen Leckerbissen verwandelt: In kandierter oder eingelegter Form waren Pomeranzen ein beliebtes Geschenk in der Nürnberger High Society.

Ein Nürnbergischer Baur und Gärtner. Kupferstich eines unbekannten Künstlers, um 1720. Rechts in einer geschützten Nische stehen in Kübeln exotische Pflanzen, darunter einige Pomeranzen.

Die Pomeranze als Statussymbol

Nach und nach entwickelten sich die sündhaft teuren Früchte zu einem Statussymbol. Dadurch wurde nun auch der Eigenanbau des prestigeträchtigen Gewächses für die vornehmeren Kreise der Gesellschaft interessant. Mit ein wenig gärtnerischem Geschick konnte man sich die Zitrusfrüchte schließlich auch im heimischen Garten ziehen – und, natürlich, gleichzeitig damit angeben: Nur, wer über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügte, konnte sich den Unterhalt der sehr pflegeaufwändigen und seltenen Zitrusbäumchen überhaupt leisten.

Die Hesperidensammlung des Herrensitzes Schoppershof. Sepiazeichnung von Johann Andreas Graff, 1685.

Das alles führte dazu, dass man seine Pomeranzen-Pflanzen natürlich auch entsprechend in Szene setzen wollte. Für die Präsentation der Bäumchen gab man häufig aufwändig gestaltete Gefäße und Kübel in Auftrag. Der titelgebende Pomeranzenkübel – eine Nürnberger Fayence aus dem Jahre 1720 – ist hierfür ein gutes Beispiel. Mit seinen filigranen Verzierungen und den stilisierten Vogelmotiven wirkt das Schmuckstück schon auf den ersten Blick deutlich imposanter als ein schnöder Blumentopf.

Vom Kübel zum Haus

Pomeranzen und ihre Kübel nahmen in den Gartenanlagen der Nürnberger Edelleute bald eine prominente Stellung ein. In den „Hesperidengärten“ wurden sie etwa auf so genannten Scherbenstühlen, steinernen Podesten, rings um die Beete oder entlang der Hauptwege aufgestellt, so dass sie von den Besuchern unmöglich übersehen werden konnten. Noch einen Schritt weiter ging der Nürnberger Kaufmann Johann Christoph Volkamer (1644-1720), der so viel Gefallen an Pomeranzen und anderen Zitrusfrüchten fand, dass er ihnen gleich ein ganzes Haus baute.

Das Volkamersche „Pomeranzenhaus“ wurde um 1700 vom Künstler Alexander Boener in einer Radierung festgehalten. Außerdem erscheint es prominent in Volkamers Buch „Nürnbergische Hesperides“, in dem der Hobbybotaniker sein Wissen über die Anzucht, Pflege und Veredelung von Pomeranzen und anderen Zitrusfrüchten beschrieb. Das Buch fand große Beachtung und brachte den berühmten Nürnberger Barockgärten – den bereits angesprochenen „Hesperidengärten“ – überhaupt erst ihren Namen ein.

Durch ihre zunehmende industrielle Kultivierung verlor die Pomeranze zu Beginn des 19. Jahrhundert schließlich ihre repräsentative Funktion. Heute wird sie unter anderem für die Herstellung von Orangeat, Marmelade oder Tee verwendet. Daneben findet die Pomeranze auch Verwendung in der Parfümindustrie – und das aus der getrockneten Frucht gewonnene Hesperidin dient, so schließt sich der Kreis, als Arzneimittel.


Alle Abbildungen stammen aus den Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg. Sie sind auch enthalten im Katalog „Lust und Lieb hat mich beweget. Nürnberger Gartenkultur“, der zur gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum im Fembo-Haus 2008 erschien.
Informationen und weitere Fotos zu Ausstellung

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