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24 / 7 / 2020

35 Jahre Deutsches Spielearchiv und 10-jähriges Jubiläum in Nürnberg

Eine Bestandsaufnahme

10 Jahre ist es her – da wurden 30.000 Spiele, Regale, Bücher und Dokumente eines einzigartigen Archivs in sieben Lastwägen samt Anhängern gepackt und von Marburg nach Nürnberg transportiert. Als Rettungsaktion gestartet stellte die umfangreiche Sammlung des Deutschen Spielearchivs die Beteiligten vor Ort erstmal vor Platz- und Personalpersonalprobleme. Doch schließlich erwies sie sich als Hauptgewinn für die Spiele- und Spielzeugstadt Nürnberg. Nun wird sie als bewahrendes Herzstück des zukünftigen Haus des Spiels gepflegt, erschlossen und wissenschaftlich genutzt.

Was war … in Marburg

Aber von vorn: Am 25. Juni 1985 eröffnete Dr. Bernward Thole – Germanist, Medienwissenschaftler und Spielekritiker – das Deutsche Spielearchiv in Marburg als wissenschaftliches Dokumentations- und Forschungszentrum. Auf der Grundlage seines Privatbestandes von ca. 5.000 Spielen begann die Sammlungs- und Archivierungsarbeit von Brett- und Tischspielen nach 1945. Die institutionelle Grundlage für die fortlaufende Sammlertätigkeit und Öffentlichkeitsarbeit des Archivs bildeten zunächst der Trägerverein „Deutsches Spielearchiv e.V.“ und der Verein „Spiel des Jahres e.V.“, den Dr. Thole 1978 mitbegründet und lange Zeit als Jury-Sprecher begleitet hatte. Für seine Idee und Arbeit erhielt Bernward Thole 1997 den Bundesverdienstorden und 2006 wurde das Archiv als innovative Einrichtung in die bundesweite Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ aufgenommen.

Dr. Bernward Thole im Spielearchiv Marburg, 1996.

Bis 2007 fungierte das Archiv dann als Geschäftsstelle des Vereins „Spiel des Jahres“. Nach dem Ende dieser Zusammenarbeit zeichnete sich jedoch ab, dass ein Archiv dieser Größenordnung in privater Trägerschaft auf Dauer nicht fortzuführen war. Die Stadt Nürnberg bezeugte frühzeitig Interesse, man wurde sich einig, dass diese besondere Sammlung in die Spielestadt umziehen sollte, und am 15. Mai 2009 beauftragte der Kulturausschuss die Museen der Stadt Nürnberg mit dem Ankauf und der Fortführung des Deutschen Spielearchivs als jetzt öffentliche Institution.

Spielekisten in der Ausstellung „Mitspieler gesucht!“, Stadtmuseum im Fembo-Haus 2010. Foto: Helmut Schwarz

Was war … in Nürnberg

In diesen letzten 10 Jahren hat sich viel getan und musste auch viel getan werden. Zunächst waren weder Büroräume noch festes Personal vorhanden. Die gesamte Sammlung wurde deshalb zuerst in einem Außendepot der städtischen Museen untergebracht. Schließlich wurde mit dem Pellerhaus eine neue Interimsbleibe für das Archiv gefunden. 2013 zogen die Spielekisten ein zweites Mal um und fanden ihren Platz in den ehemaligen Regalflächen der ausgezogenen Stadtbibliothek.

Im fast leeren Haus eroberte sich das Team des Spielearchivs Stück für Stück neue Räume. So entstanden das Alex Randolph-Schaudepot (2015), wechselnde, kleine Ausstellungen im Foyer und die ehemaligen Lesesäle der Stadtbibliothek wurden zu Spielesälen für Besuchende. Zudem etablierten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit viel Unterstützung von ehrenamtlichen helfenden Händen nach und nach verschiedene Veranstaltungsformate, wie die sonntäglichen Spielenachmittage, den Spiel-des-Jahres-Spieleabend „Frisch auf den Tisch“, das bundesweite Spieleevent „Stadt-Land-Spielt“ und einige mehr.
Wie ein Lesesaal zur Spielwiese wird

Das Alexander Randolph Schaudepot im Pellerhaus. Foto: Stefan Meyer

Die pädagogische und wissenschaftliche Nutzung des Archivs und seiner Schätze wurde weiter vorangetrieben: In den letzten Jahren entwickelten sich Workshops und pädagogische Angebote sowie Kontakte zu Hochschulen, die aus verschiedensten Disziplinen einen Blick auf die Spiele und deren Geschichte warfen. Ein Höhepunkt war 2016 sicher die Fachtagung der Board Game Studies. Das Archiv begrüßte zu der internationalen Veranstaltung 80 Gäste aus insgesamt 17 Ländern, die sich an den vier Tagen intensiv über ihr Forschungsobjekt, das „Spiel“, austauschten.
Die Welt zu Gast im Pellerhaus

Ein großes Geschenk erhielten das Archiv und die Stadt Nürnberg dann 2017, als der Firmenerbe Francis Spear sein in England befindliches Firmenarchiv mit über 2.000 Objekten und Dokumenten als Schenkung nach Nürnberg transferierte. Viele der Spiele kehrten so wieder zu ihrem Herstellungsort zurück, war doch die Spielefabrik lange in Nürnberg-Doos angesiedelt. Das Spear Games Archive zeigt in seiner Gesamtheit eindrucksvoll nicht nur Spielegeschichte, sondern bildet auch eine bewegte Firmen- und Familiengeschichte über zwei Weltkriege hinweg ab. Nun werden die wertvollen Spielbestände sukzessive erschlossen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Das 2017 eröffnete Spear Games Archive. Foto: Stefan Meyer

Was ist … im Pellerhaus

Trotz aller Arbeit und Aktivität schwebte bis 2017 konsequent das Damoklesschwert der „Übergangsnutzung“ des Pellerhauses über dem ganzen Projekt. Doch das änderte sich schlagartig, als die Stadt Nürnberg beschloss, sich um den Titel der Kulturhauptstadt 2025 zu bewerben. Mit der Suche nach den richtigen Themen und Projekten für das Bewerbungsbuch wurde das sympathische Thema der Spiele- und Spielzeugstadt wiederentdeckt und sollte im weiteren Bewerbungsprozess eine Rolle spielen. Die lang gehegten Gedanken zur Umgestaltung des Pellerhauses in einen aktiven Kulturort inmitten der Innenstadt trafen auf offene Ohren und das sich immer weiter entwickelnde Konzept eines analogen wie digitalen Spieleortes für alle wurde zu einem der Leuchtturmprojekte der Bewerbung. Und so begannen die Planungen für das zukünftige Haus des Spiels. Mit der Veranstaltungsreihe „Testspiele“ finden seit 2018 in Kooperation mit vielen Partner und Partnerinnen analoge und digitale Spielveranstaltungen statt, die bereits jetzt erahnen lassen, welches Potential im Pellerhaus als Kultur- und Begegnungsort steckt.

Spielen im historischen Foyer des Pellerhauses bei der Blauen Nacht 2018. Foto: Marie Theres Graf

Was wird … im Haus des Spiels

Wen die Kommission der Kulturhauptstadt am 28. Oktober dieses Jahres zur Kulturhauptstadt küren wird, wissen wir noch nicht. Für das Archiv und seine Partner und Partnerinnen sind die spielerischen Pläne und Ideen jedenfalls in Gang gesetzt und sollen verwirklicht werden.

Nicht nur, was die beanspruchten Quadratmeter betrifft, wird das Spielearchiv eine zentrale Rolle im Haus des Spiels einnehmen. Es ist und bleibt das wissenschaftlich-dokumentarische Kernstück des Projekts, das aber in Zusammenarbeit mit vielen neuen Partnern und innovativen Kooperationen neue Akzente setzen und viel größere Strahlkraft als zuvor entwickeln kann.

Das zukünftige Haus des Spiels in der Blauen Nacht.

Ganz konkret heißt das allerdings, dass die Spiele in nicht allzu ferner Zukunft wieder in Kisten verpackt werden und zwei weitere Umzüge vor sich haben. Bis Ende 2022 muss das Haus leer sein, damit die umfangreichen Sanierungsarbeiten beginnen können. Schließlich soll das Haus des Spiels pünktlich 2025 eröffnen. Dann, pünktlich zum 40. Geburtstag des Spielearchivs, wird es hoffentlich endlich in frisch sanierten Depoträumen des Pellerhauses ein neues, dauerhaftes Zuhause haben und sich ein in die Zukunft gerichtetes Profil geben können – ohne den nächsten Umzug im Nacken und ausreichend Lagerfläche. Wir freuen uns darauf!


Das Deutsche Spielearchiv bietet mit dem Spear-Spielekabinett einen digitalen Einblick in das umfangreiche Programm der Spear-Spiele. Parallel zur Aufarbeitung dieses Bestands werden dort immer wieder besondere Fundstücke der Sammlung vorgestellt.
Spear-Spielekabinett

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