Michael Wolgemut: Sein Name scheint heute untrennbar verbunden mit Albrecht Dürer, dem großen Renaissance-Genie, das als junger Bursche in Wolgemuts Werkstatt kam, um von ihm das Künstlerhandwerk zu erlernen. Leider wird dabei angesichts der enormen Bedeutung Dürers allzu schnell vergessen, dass auch sein Lehrmeister zu den profiliertesten und gefragtesten Künstlern seiner Zeit zählte – nicht umsonst exportierte seine Werkstatt während ihrer Blütezeit aufwändige Schnitzaltäre bis nach Zwickau, ganz zu schweigen davon, dass zu seinem Kundenkreis neben dem Rat der Stadt Nürnberg auch illustre Persönlichkeiten wie Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, zählten. Wer, also, war dieser Michael Wolgemut?
Erste Schritte
Wolgemuts Karriere begann in der Werkstatt seines Vaters Valentin, der Mitte des 15. Jahrhunderts als selbstständiger Maler in Nürnberg tätig war. Über die erste Hälfte seines Lebens ist nicht viel bekannt, nicht einmal sein genaues Geburtsjahr, das sich nur aus einer Inschrift auf einem Porträt von Albrecht Dürer errechnen lässt. Je nach Lesart wurde Wolgemut demnach 1434 oder 1437 geboren, wobei das frühere Datum wahrscheinlicher ist. Ebenso unklar ist, wie genau Wolgemuts Ausbildung damals ausgesehen hat – war er wirklich nur in der Werkstatt seines Vaters tätig oder schloss er sich um 1465 vielleicht doch der Werkstatt Hans Pleydenwurffs an, wie bisweilen vermutet wird?
Wir wissen es nicht. Sicher ist hingegen, dass Wolgemut schließlich nach München übersiedelte und dort um 1471 in der Werkstatt von Gabriel Mäleskircher als Geselle tätig war – eine hochangesehene (und wirtschaftlich äußerst erfolgreiche) Persönlichkeit der Münchener Gesellschaft, komplett mit Landsitz am Starnberger See und guten Kontakten in die Politik, die Mäleskircher 1485 das Amt des Zweiten Bürgermeisters einbringen sollten. Mäleskirchers Tochter Magdalena schien Wolgemut da als eine gute, nein: hervorragende Partie, und man schmiedete bereits erste Hochzeitspläne. Leider konnte sich Magdalena, als Wolgemut eines Tages von einer Reise nach Nürnberg zurückkehrte, plötzlich überhaupt nicht mehr an ihre Heiratsabsichten erinnern; die Hochzeit platzte.
Wege zum Ruhm
Glücklicherweise ergab sich durch den frühen Tod von Hans Pleydenwurff im Januar 1472 in Nürnberg rasch eine neue Option: Pleydenwurffs Witwe Barbara. Diese brachte neben einem Sohn nämlich auch das kostbare Werkstattmaterial ihres Mannes mit in die Ehe. Dem gewieften Geschäftsmann Wolgemut half die Assoziation mit der bekannten Marke „Pleydenwurff“ außerdem, bereits wenige Jahre nach der Gründung seiner Werkstatt erste Großaufträge an Land zu ziehen – darunter zum Beispiel die Verglasung des Hallenchors von St. Lorenz im Jahre 1476/77, die aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest in Teilen noch nach Entwürfen Pleydenwurffs vorgenommen wurde.
Das Geschäft brummte. Für ein monumentales Schnitzretabel für den Hochaltar der Zwickauer Marienkirche bekommt Wolgemut 1.400 Gulden; für die Illustration der berühmten Schedel’schen Weltchronik 1.000 Gulden (im Voraus!); für das Schwabacher Hochaltarretabel zwischen 600 und 1.000 Gulden; weitere, kleinere Aufträge sicherten Wolgemut und seiner Werkstatt, die sich mittlerweile auf die Herstellung von Schnitzaltären spezialisiert hatte, ein beständiges Auskommen, so dass sich Wolgemut im Jahre 1479 das traditionsreiche Malerhaus „Unter der Veste an der Schildröhre“ kaufen konnte – die ehemalige Werkstatt Pleydenwurffs. Das Anwesen diente Wolgemut bis zu seinem Tod als Atelier.
Auf eine gute Nachbarschaft!
Allerdings sollte der Kauf noch ganz andere Folgen haben. Nur einen Katzensprung von Wolgemuts neuer Werkstatt entfernt – drei Häuser weiter, um genau zu sein – machte derweil nämlich ein Junge seine ersten Schritte in der Kunstwelt, dessen Name später in die Geschichtsbücher eingehen sollte: Albrecht Dürer. Die räumliche Nähe war sicherlich mit ein Grund, weshalb Dürer am 30. November 1486, im Alter von 15 Jahren, seine Lehre ausgerechnet bei Michael Wolgemut begann. Wolgemuts exzellenter Ruf als Maler und Reißer für den Holzschnitt, sein unternehmerisches Geschick und nicht zuletzt auch die Geschäftsbeziehungen zu Dürers Taufpaten Anton Koberger waren die übrigen.
Vier Jahre lang blieb Dürer in Wolgemuts Werkstatt und war während dieser Zeit an etlichen seiner Projekte beteiligt. Obwohl die beiden Künstler wohl auch in späteren Jahren freundschaftlich miteinander verbunden waren – Dürer empfiehlt unter anderem in einem Brief aus dem Jahre 1506, seinen jüngeren Bruder Hans bei Wolgemut in die Lehre zu geben und fertigt 1516 ein Porträt des greisen Lehrmeisters an –, wurden sie irgendwann doch zu Konkurrenten: Dürers Erfolg war schlecht für das Geschäft der Wolgemut’schen Werkstatt, da plötzlich immer mehr Großaufträge, die früher an Wolgemut gingen, auf dem Tisch seines einstigen Schülers landeten.
Die letzten Jahre
Wolgemut versuchte noch, auf diese veränderte Auftragslage zu reagieren und ließ den jungen Künstlern in seiner Werkstatt während der letzten Schaffensjahren große künstlerische Freiheiten. Der Plan, dadurch auf den schleichenden Modernisierungsprozess am Nürnberger Kunstmarkt zu reagieren, ging nicht auf; die Werkstatt konnte sich nur noch mühsam über Wasser halten. Für seinen letzten verzeichneten Auftrag – die Restaurierung eines beschädigten Tafelbilds in der Wallfahrtskirche St. Jakob in Häslabronn – erhiehlt Wolgemut 1519 nur noch die bescheidene Summe von zwei Gulden. Wenig später, am 30. November, auf den Tag genau 33 Jahre, nachdem er den jungen Albrecht Dürer in seine Werkstatt aufgenommen hatte, verstarb er.
Zu seinem 500. Todestag wird Michael Wolgemut nun mit einer großen Ausstellung geehrt. Ab 20. Dezember können kunst- und geschichtsinteressierte Besucher im Albrecht-Dürer-Haus, dem Germanischen Nationalmuseum und dem Museum Tucherschloss sowie in verschiedenen Kirchen in Nürnberg und Schwabach einen Einblick in sein vielfältiges Schaffen erhalten – und dabei erfahren, dass Michael Wolgemut so viel mehr war als nur der Lehrer von Albrecht Dürer.
Informationen zur Ausstellung „Michael Wolgemut – mehr als Dürers Lehrer“
Der Text basiert auf mehreren Artikeln von Manuel Teget-Welz aus dem Ausstellungskatalog „Michael Wolgemut – mehr als Dürers Lehrer“, der Mitte Dezember 2019 erscheinen wird. Er wurde von Sebastian Heider für den Museenblog bearbeitet.
Verlagsinformation zum Katalog