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18 / 2 / 2016

Dürer richtig deuten

Dürer & Celtis: Buch von Dr. Thomas Schauerte

Eigentlich war es Zufall. „Irgendwann sind die Blätter nebeneinander gerutscht“, sagt Thomas Schauerte. Dem Kunsthistoriker und Leiter des Dürer-Hauses bescherte dies einen Moment der Erkenntnis: Die Holzschnitte Ercules und Ritter und Landsknecht von Albrecht Dürer beziehen sich aufeinander. Mehr noch, denn sie sind gegengleich komponiert. Die Entdeckung mündete in sein neues Buch „Dürer & Celtis“, das ein neues Licht auf den genialen Künstler wirft.

Latein beherrschte Dürer nicht, auch die griechische und antike Mythologie kann er nur am Rande mitbekommen haben. Dennoch sind seine Holzschnitte nur im Kontext des Humanismus zu verstehen, ja zu lesen. Vermittler muss Konrad Celtis gewesen sein, der bedeutendste deutsche Dichter seiner Zeit, der seit 1496 mit Dürer zusammenarbeitete. Wie man sich das vorstellen soll? Sicher nicht als Lehrer-Schüler-Verhältnis, argumentiert Thomas Schauerte, eher als eine Partnerschaft auf Augenhöhe: Celtis, der 1487 in der Kaiserburg zum „Poeta laureatus“ also zum Nationaldichter erhoben worden war, wusste um die Bedeutung des Mediums Bild. Der Humanist hat mutmaßlich die Aussage von Dürers Holzschnitten formuliert, der aufstrebende Maler die Möglichkeiten und die Grenzen der Gestaltung beigetragen. Und natürlich die Ausführung. „Dürer hat als Buchillustrator angefangen, das ist seine Branche“, sagt Thomas Schauerte.

Albrecht Dürer: Druckersignet für Konrad Kachelofen, 1497; Holzschnitt. Aus: Michael Lochmair: Parochiale curatorum, Leipzig 1497. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign. 82-8-quod-2.

Albrecht Dürer: Druckersignet für Konrad Kachelofen, 1497; Holzschnitt. Aus: Michael Lochmair: Parochiale curatorum, Leipzig 1497. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign. 82-8-quod-2.

Die Holzschnitte, die er fertigte – neben Ercules und Reiter und Landsknecht auch das Männerbad –, weisen vielfältige Bezüge zur antiken Mythologie auf. Sie erzählen Weltanschauung. Aber konnten die Menschen damals denn Bilder lesen wie Bücher? „Das haben Dürer und Celtis wohl gehofft, aber es war ein Flop.“ Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn die Nürnberger Poetenschule größeren Erfolg gehabt hätte. Konrad Celtis war die treibende Kraft hinter diesem modernen, städtischen Gymnasium, das sich dem humanistischen Bildungsideal verpflichtet sah und in Konkurrenz zu den kirchlichen Lateinschulen stand. 1496 wurde die Poetenschule in der Reichsstadt eröffnet, sie existierte dort nur bis 1509.

Die frühe Bekanntschaft des Malers mit Celtis wirft auch ein neues Licht auf die Dürer-Deutung. „Hinter den Bildern steht ein konkreter Zweck, es ist nicht allein Dürers Genie, das ihn antreibt“, sagt Thomas Schauerte. Für ihn stellt das keinen Makel dar. Genauso wenig übrigens wie die Vorlagen, von denen Dürer sich inspirieren ließ. So lässt sich Reiter und Landsknecht beispielsweise auf den Holzschnitt „Alexander bei den Orakelbäumen“ zurückführen. Bröckelt da nicht der Sockel des Genies? „Im Gegenteil“, betont Schauerte, „Dürer hat aus einem primitiven Mini-Holzschnitt eine tolle Komposition gemacht.“

Wie groß der Einfluss von Celtis war und wie viel Bildung Albrecht Dürer aus seinen Begegnungen mit dem Humanisten gesogen hat, bleibt offen. Schließlich gab es auch schon damals deutsche Texte, die er als Grundlage nahm. Als Forscher bevorzugt Thomas Schauerte ohnehin einen andere Blickwinkel auf die Frage der Bildung: „Dürers Latein ist seine Kunst, und die gelingt ihm sein Leben lang perfekt. Das ist jetzt noch einmal deutlicher geworden.“

Dürer-Fans und passionierte Kunstfreunde werden ihre Freude an den so verständlich wie elegant formulierten Erkenntnissen aus „Dürer & Celtis“ haben, für den Autor selbst ist das Buch ein Ansporn zu weiterer Forschung: Frühe Werke Dürers müssen nun durch die Celtis-Brille betrachtet und neu bewertet werden.

buchcover

Thomas Schauerte: „Dürer & Celtis – Die Nürnberger Poetenschule im Aufbruch“, 208 Seiten, erschienen 2015 im Klinkhardt & Biermann Verlag München; ISBN 978-3-943616-29-3, 23,90 Euro

Ein Kommentar zu “Dürer richtig deuten

  • Dr. Monika Frenzel
    6 / 5 / 2018 | 21:48

    Lieber Kollege Schauerte,
    so treffen wir uns wieder! Ihr sehr interessanter Beitrag stösst bei mir auf grosses Interesse! Ich bin wieder thematisch eingebunden, da ich 2019 die Maximilians-Ausstellung in der Hofburg Innsbruck kuratiere. Wir hören voneinander!

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