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27 / 12 / 2018

Viele Ideen für neue Wege

Das Stadtmuseum Erlangen wird in den nächsten Jahren erweitert und neugestaltet

Das ehemalige Altstädter Rathaus in Erlangen, vollendet im Jahr 1740, ist ein monumentaler Quader aus Sandstein. Mit seinen drei Geschossen, dem Gewölbekeller und bekrönt von einem Mansardendach dominiert es den Martin-Luther-Platz. Seit 1964 beherbergt dieser Barockbau das Stadtmuseum. Die Historikerin Brigitte Korn hat hier vor drei Jahren die Leitung übernommen. Nun steht die Zukunft des Hauses ganz im Zeichen des Wandels.

Juwel in der Altstadt: Das Stadtmuseum Erlangen wird erweitert

Korn hat viele Ideen. Die wird sie auch brauchen. Denn vor kurzem hat der Stadtrat beschlossen, das Museum baulich erweitern zu wollen. Damit wird auch die Neuaufstellung der Dauerausstellung verbunden sein. Wann genau die Planungen für den Anbau starten und wann sie abgeschlossen sein werden, ist noch offen. Am Horizont zeichnet sich derweil das Jahr 2025 als Ziel für die Fertigstellung ab. Das Museumsteam will sich bereits ab dem kommenden Jahr auf den Weg machen. „Ein Museum ist schließlich ein Dampfer und kein Schnellboot, das sofort reagieren kann“, sagt Korn, die sich sehr auf die bevorstehende Herausforderung freut. „Weil ich gerne aktiv gestalte.“ Das hatte sie zuvor schon als Leiterin des Fembo-Hauses in Nürnberg getan.

Brigitte Korn bei der Vernissage zur Ausstellung „Macht und Millionen“.

Während bislang nur rund 600 Quadratmeter für die Schausammlung im Stadtmuseum Erlangen und 350 Quadratmeter für die Sonderausstellungen zur Verfügung stehen, soll die Neukonzeption des Stadtmuseums mit einem Anbau die Fläche nahezu verdoppeln. Das sei Korn zufolge auch dringend notwendig. „Unter den Stadtmuseen der Metropolregion Nürnberg haben wir die kleinste Dauerausstellung überhaupt“, sagt sie. Viele Themen können nur angerissen werden, auf andere musste man ganz verzichten. Der Bedeutung der vielschichtigen Historie Erlangens als heutiger Industrie- und Universitätsstadt könne man so aber auf Dauer nicht gerecht werden.

Die Ausstellung „Faszination des Sehens“ über Friedrich Rückert.

Große Aufgabe: Bau und Dauerausstellung müssen neu geplant werden

Wegen des „großen Pakets an Aufgaben“, das von Leiterin und Team künftig neben dem Alltagsgeschäft zu stemmen sein wird, wird wohl das Programmangebot zugunsten der konzeptionellen Arbeit reduziert werden müssen. Dabei sind die Wechselschauen zu Kultur-, Zeit- und Wissenschaftsgeschichte sowie zur Bildenden Kunst eine der tragenden Säulen des Hauses. Es lockten zum Beispiel Ausstellungen zur „Faszination des Sehens“, über den Weltpoeten Friedrich Rückert (1788–1866), den Künstler Hans Barthelmeß (1887–1916) sowie eine Schau mit Werken der Fotografin Herlinde Koelbl. „Neue Schenkungen aus Kunst, Wissenschaft und Technik“ waren erst jüngst im Foyer zu sehen. Die Vorbereitungen für zwei weitere große Ausstellungen laufen momentan. Korn ist davon überzeugt, dass auch sie wieder zahlreiche Besucher ansprechen und ins Haus ziehen werden.

„Kleider machen Leute“, eine Schau mit Werken der Fotografin Herlinde Koelbl.

Ausstellungen im Stadtmuseum 2019

„Was für ein Theater“ heißt es bis 3. März 2019. Hier erwartet Interessierte eine Schau zur 300-jährigen Geschichte des Markgrafentheaters, dem einstigen „Hochfürstlichen Opern- und Komödienhaus“. Und als ein „besonders ambitioniertes Projekt, mit dem wir uns einiges vorgenommen haben“, bezeichnet Korn die geplante Ausstellung „BarriereSprung“. Von Mai bis zum Oktober wird die Geschichte und Gegenwart von Behinderung in Erlangen in den Fokus genommen. Dabei wollen die Kuratoren historische Rückblicke wagen, zum Beispiel auf den Umgang mit Menschen mit Behinderung in der frühen Neuzeit, während der Aufklärung und zur Zeit des Nationalsozialismus. Aber auch aktuelle Diskussionen zum Thema werden aufgegriffen. „Die Ausstellung wird wohl eine Menge mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten kann“, so Korn. „Aber wir wollen ja auch zum Nachdenken anregen.“

Ganz gezielt will sie darauf hinarbeiten, dass sich das Haus noch stärker als bislang „zum Diskussionsort für städtische Themen der Bürgerschaft entwickelt“. Auf diese Weise soll es sich noch stärker in der Erlanger Stadtgesellschaft verankern.

Historische Exponate machen Geschichte vorstellbarer

Besuchern die Zeitgebundenheit des eigenen Lebens zu vermitteln und zu zeigen, dass Vergangenheit immer auch in die Gegenwart wirkt, ist ihr wichtig. Geschichte im Museum sinnlich erlebbar zu machen, sei unverzichtbar und eine immerwährende Aufgabe, betont Korn. Was genau sie damit meint, verdeutlicht sie an einem herausragenden Exponat der Dauerausstellung: dem Strumpfwirkerstuhl aus dem Jahr 1716, ein technisches Meisterwerk seiner Zeit und der älteste der wenigen in Deutschland erhaltenen Exemplare. 200 Jahre lang hat er täglich seinen Dienst getan und repräsentiert bis heute ein ehemaliges Hauptgewerbe der Erlanger Neustadt. „Dieses Objekt steht stellvertretend für eine ganze Lebenswelt.“ Es anzuschauen und seine Historie tiefer zu ergründen, sei lebendige Geschichtsvermittlung. So erzähle der Stuhl nicht nur von den harten Arbeitsbedingungen des beginnenden 17. Jahrhunderts und dem wirtschaftlichen Wert, den ein solches Arbeitsgerät für die Eigentümer hatte, sondern zeugt vom wirtschaftlichen Aufschwung einer Stadt.

Exponate der Elfenbeinkammfabrik „Bücking“.

Technische Errungenschaften und soziale Probleme vergangener Zeiten werden im Stadtmuseum auch am Beispiel der Elfenbeinkammfabrik „Bücking“, der Bürstenfabrik „Kränzlein“, der Lederwaren- und Kartonagenfabrik „Zucker“ sowie der „Erba-Spinnerei“ veranschaulicht. Wer in die beiden Räume des Gewölbekellers hinab steigt, taucht ein in die Vorgeschichte Erlangens. Hier wird zum Beispiel ein 25 000 Jahre altes Steingerät aus einer Spardorfer Lehmgrube gezeigt.

Die Zeitreise durch die Erlanger Geschichte führt Besucher schließlich weiter zu der Ansiedlung französischer Glaubensflüchtlinge im Jahr 1686. Hier stehen die von den Hugenotten eingeführten Handwerke und Manufakturen im Mittelpunkt. Es folgen Erlangens Bedeutung als Industrie- und Garnisonsstadt, später – aufgrund der reichen Arbeiterkultur – als Hochburg der SPD im „Dritten Reich“ sowie der Aufstieg zur wohlhabenden Großstadt durch die Ansiedlung der Siemens-Schuckertwerke AG im Jahr 1945.

Ein Schaukasten zur „ERBA“ Baumwollspinnerei.

Diese Themenvielfalt kann seit 2017 bei verschiedenen Spezialführungen entdeckt werden. In der sonderausstellungsfreien Zeit werden zum Beispiel Sprichwort-Touren oder Streifzüge durch Erlangens Geschichte bei freiem Eintritt angeboten. So kreiert Korn immer wieder ideenreich Neues, um für das Haus zu begeistern und neue Besuchsanlässe zu schaffen. Gemeinsam mit dem Standesamt hat sie das Museum in diesem Jahr an einem Tag zur besonderen Hochzeits-Location gemacht. Vier Paare gaben sich zwischen Exponaten längst vergangener Zeiten das Ja-Wort. Die Resonanz war überwältigend und gut fürs Museums-Image. Und eine Wiederholung ist nicht ausgeschlossen.

Informationen zur Ausstellung „Was für ein Theater“


Bildnachweis für alle Fotos: Stadtmuseum Erlangen, Fotos: Erich Malter

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