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10 / 9 / 2018

Friedrich Wilhelm Wanderer

Künstler, Lehrer, Kulturpolitiker

Am Nordturm der Lorenzkirche spielt sich eine kuriose Szene ab: hockt dort doch ein bocksfüßiger Teufel auf dem Sims eines Brunnens und hält einen zappelnden Schuljungen am Kragen, dem vor lauter Strampelei schon Schulbuch und Schiefertafel heruntergefallen sind. Was aber hat der Junge Schlimmes verbrochen, dass sich der Höllenfürst höchstselbst aus seinem Feuer- und Schwefelheim nach Nürnberg hinaufbequemt und ihn am Schlafittchen gepackt hat? Hat er gespickt? Abgeschrieben? Seine Hausaufgaben nicht gemacht oder vielleicht sogar seinen Lehrern einen Streich gespielt? Nein, nein, sein Vergehen war viel diabolischer: Er hat seine Mitschüler während der Pause beim Murmelspiel auf dem Schulhof am Lorenzer Platz betrogen – im Schatten der Kirche also, unter den Augen Gottes. Und als wäre das noch nicht genug, hat er, als sie ihn schließlich ertappt und zur Rede gestellt haben, ganz rotzfrech alles abgestritten; fatalerweise mit dem Zusatz, dass, falls er lüge, ihn der Teufel holen solle. Tja.

Detail des 1888 gebauten Teufelsbrünnleins an der Lorenzkirche.

Ein vielbeschäftigter Mann

Die bekannte Nürnberger Sage um den „Schusserbou“ wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach einem Entwurf des Künstlers Friedrich Wilhelm Wanderer auf dem „Teufelsbrünnlein“ an der Lorenzkirche verewigt. Wanderer war zu diesem Zeitpunkt wohl der wichtigste und einflussreichste Künstler in ganz Nürnberg. Nicht nur hielt er eine Professur an der hiesigen Kunstgewerbeschule (der heutigen Akademie der bildenden Künste), sondern übte auch als offizieller künstlerischer Berater der Nürnberger Stadtverwaltung einen enormen Einfluss auf die Kulturpolitik aus. Wanderers Wort hatte Gewicht, etwa, wenn es um die Standortwahlen von Kunstwerken, die Vergabe von künstlerischen Aufträgen oder um denkmalpflegerische Belange wie den Umgang mit der Nürnberger Stadtmauer ging. Dass es gerade Wanderer in diese Position geschafft hat, ist dabei durchaus kein Zufall, wie ein kurzer Blick in seine Biografie beweist.

Friedrich Wilhelm Wanderer: Entwurf für einen Brunnen am Plärrer. Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen

Erste Schritte

Friedrich Wilhelm Wanderer, gebürtiger Münchner, kommt mit seiner Familie zu Beginn der 1850er Jahre nach Nürnberg. 1858, im Alter von 18 Jahren, beginnt er seine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule. Sein Lehrer dort ist der renommierte August von Kreling, ein Vertreter des Münchner Klassizismus, der mit seinem modernen Kunstverständnis ein wenig frischen Wind in die angestaubte Nürnberger Kunstlandschaft bringt. Unter seiner Ägide kommt der strebsame Wanderer bereits 1861 zu seinen ersten größeren Aufträgen: die Ausarbeitung eines Kartons für das große Glasfenster im Germanischen Nationalmuseum sowie ein zum Deutschen Sängerfest geschaffenes Transparentgemälde für das Dürer-Haus. 1863 wird Wanderer schließlich zum Hilfslehrer an der Kunstgewerbeschule, 1868 gar zum Professor ernannt – mit gerade einmal 28 Jahren.

Friedrich Wilhelm Wanderer: Mitgliedskarte der Albrecht-Dürer-Haus-Stiftung Lithographie, 1898. Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen

Der Weg zum Ruhm

Auch sein Engagement in der Nürnberger Kunst- und Kulturszene lässt nicht lange auf sich warten. Bereits wenige Monate nach seinem Studienbeginn hatte Wanderer zusammen mit 14 Kommilitonen im Wirtshaus „Grauer Kater“ zum gegenseitigen Gedankenaustausch die „Nürnberger Künstlerklause“ gegründet, die heuer ihren 150-jährigen Geburtstag feiern darf. Weitere Beschäftigungen folgen postwendend: Nicht nur wurde Wanderer auch noch Mitglied im Künstler-Verein, nein, 1871 war er sogar Mitinitiator der Albrecht-Dürer-Haus-Stiftung. Überhaupt, Albrecht Dürer! Der Nürnberger Meister hatte es dem rastlosen Wanderer sichtlich angetan. 1880 ist er für die Restaurierung und Neueinrichtung zweier Räume im 1. Obergeschoss des Albrecht-Dürer-Hauses verantwortlich. Die Räume beeindrucken weit über die Stadtgrenzen hinaus, so dass Wanderer 1893  mit der Gestaltung des Sterbezimmers von Martin Luther im fernen Eisleben beauftragt wird.

Und was noch?

Als gefragter Künstler ist Friedrich Wilhelm Wanderer fortan ein vielbeschäftigter Mann. Zahllose Entwürfe für sakrale und profane Glasfenster schmücken sein Portfolio ebenso wie Buchillustrationen, Gebrauchsgrafiken, Denkmäler, Brunnen, Skulpturen, Grabmäler und Wandgemälde. Als nettes Kuriosum gewinnt der nimmermüde Workaholic 1908 sogar einen Wettbewerb zur Neugestaltung des deutschen 100-Mark-Scheins. Ein weiteres Highlight seines künstlerischen Werdegangs ist außerdem die von 1895 bis 1901 vorangetriebene Ausstattung des Kleinen Rathaussaals im Nürnberger Rathaus: Neben ausladenden Leuchtern erschafft Wanderer hierfür auch sieben monumentale Gemälde, zu denen Aquarellentwürfe und mehr als 50 Figurenstudien erhalten sind.

Friedrich Wilhelm Wanderer: Entwurf für die Ausstattung des sog. Prunksaales im Nürnberger Rathaus, hier: Südwand mit dem Allegorischen Gemälde: „Die Stadt Nürnberg als Bewahrerin der Reichskleinodien“. Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen

1910 stirbt Wanderer, mittlerweile emeritierter Professor und Ehrenbürger der Stadt Nürnberg, im Alter von siebzig Jahren in München. Sein 178. Geburtstag am 10. September 2018 ist der ideale Zeitpunkt, sich den facettenreichen Künstler wieder ins Gedächtnis zu rufen – zum Beispiel mit einem Besuch des Albrecht-Dürer-Hauses oder des Teufelsbrünnleins.

Friedrich Wilhelm Wanderer: Berühmte Männer aus Nürnbergs großer Vergangenheit [oder: Meister des 17. Jhs.], Öl auf Leinwand, 1895-1901. Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen

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