Seit 200 Jahren ist Fürth nun schon eigenständig und damit wie Nürnberg und München eine „Stadt erster Klasse“. Das wird gefeiert. Im Stadtmuseum an der Ottostraße hat man anlässlich des Jubeljahres ein buntes Geschenkpaket geschnürt, prall gefüllt mit Lesungen, Konzerten und Vorträgen. Auch in einer Sonderausstellung wird der atemberaubende Aufschwung Fürths seit 1818 facettenreich dargestellt. Gezeigt wird sie noch bis zum 14. April 2019.
Ruth Kollinger ist Sachgebietsleiterin im Museum und gehört zum Team der Ausstellungsmacher. Zu dem zählen außerdem ihre Kollegin Alexandra Herzog und Museumsleiter Dr. Martin Schramm. Gemeinsam haben die Fürth-Kenner fünf Schwerpunkte gesetzt. So wird die Wirtschaft der Stadt genauso thematisiert wie deren Bürgermeister von 1818 bis heute und die eigentliche Stadterhebung durch das Königreich Bayern. Beim Thema „Frauenleben im 19. und 20. Jahrhundert“ hat das Trio mit dem Museum Frauenkultur Regional-International kooperiert. Das hat seinen Standort in Burgfarrnbach, dem westlichsten Stadtteil Fürths.
Bauwerke als Ausdruck städtischen Selbstbewusstseins
Kollinger selbst hat sich für die Ausstellung, die unter dem Motto „200 Jahre eigenständig“ steht, intensiv mit der städtebaulichen Entwicklung Fürths seit 1818 beschäftigt. Denn als die Bürger zum ersten Mal in der Geschichte ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen konnten, begannen sie auch damit, ihre Stadt baulich aktiv zu gestalten. So sind viele soziale Einrichtungen und Gotteshäuser durch Einzelpersonen oder Vereine finanziert worden.
Kollinger hat insgesamt vier besonders markante und prägende Bauwerke in Szene gesetzt: das Rathaus, das Stadttheater, das Berolzheimerianum und die St. Paulskirche. Auf der Suche nach passenden Exponaten ist sie im Stadtarchiv fündig geworden. So zeigt sie beispielsweise Lagepläne, außerdem Entwürfe diverser Grundrisspläne sowie Vorder- und Seitenansichten der Gebäude. „Es sind Originalpläne. Sie sind verschmiert, es ist reingekritzelt, durchgestrichen, so dass man etwas von der Entstehungszeit sieht“, erklärt Kollinger. Ergänzt hat die Kuratorin historische Fotografien, die jeweils das Innen und das Außen zeigen.
Das Fürther Rathaus – ein Hauch Florenz
„Fürth ist authentisch“, sagt Kollinger. Denn während ein Großteil der Nürnberger Innenstadt nach der Zerstörung des Zweiten Weltkrieges wieder hatte aufgebaut werden müssen, sei Fürth nahezu im Original erhalten geblieben. So wie sein Wahrzeichen, das Rathaus mit seinem prägnanten, majestätischen Turm. Hier eiferte man dem Palazzo Vecchio nach, das dem florentinischen Stadtparlament als Verwaltungssitz diente. Nach dem Aufstieg Fürths zur Stadt erster Klasse mit eigener Selbstverwaltung, entschied man sich nach langem Hin und Her für diese bauliche Extravaganz als Sitz der städtischen Angestellten. Die Planungen starteten im Jahr 1823. Erste Entwürfe kamen vom Nürnberger Bauinspektor Johann Brüger und Leo von Klenze, Hofbaumeister König Ludwigs I. Entschieden haben die Verantwortlichen sich letztlich für den Architektenplan von Eduard Bürklein, der, wie sein Bruder Friedrich, ein Schüler des königlichen Oberbaurats Friedrich von Gärtner gewesen ist. Nach einem Streit zwischen Historikern im Jahr 2000 geht man mittlerweile übrigens davon aus, dass beide Geschwister am Entwurf mitgewirkt haben.
Errichtet wurde das Rathaus schließlich von 1840 bis 1850 an der Königstraße. Als L-förmiger Sandsteinbau mit drei Stockwerken und Walmdach. In der Mitte des Ostflügels hat man den Turm platziert. Den Nordflügel schmückt ein dekorativer Portalvorbau mit drei Rundbögen, darüber ein Balkon. Der hat vor allem für die Fans der SpVgg Greuther Fürth eine besondere Bedeutung. Denn nachdem die Fußballer 2012 in die erste Bundesliga aufstiegen waren, wurden sie auf eben diesem Balkon stehend von tausenden Anhängern bejubelt. Im Rathaus-Untergeschoss hingegen ist seit 2010 auf einer Ausstellungsfläche von rund 200 Quadratmetern ein Kriminalmuseum eingerichtet.
Exklusiv ist zudem die Melodie des Glockenspiels, das seit dem 1. November 2007 vom Turm erklingt, täglich um 12.04 Uhr, in C-moll: „Stairway to heaven“ von Led Zeppelin. Zu besonderen Anlässen wie der Michaeliskirchweih oder der Spielwarenmesse wird das Rathaus mit LED-Lampen erleuchtet.
Prachtvoll: Das neo-barocke Fürther Stadttheater
Wer von diesem zentral gelegenen Bau die Königstraße Richtung Osten wandert, gelangt bald zu einem weiteren Prachtbau: dem neo-barocken Stadttheater am Hallplatz mit kuppelbekrönter Hauptfassade und hohem Rundbogen-Portal. Sein Vorgänger, ein privat betriebenes Theater an der heutigen Theaterstraße, war für die schnell wachsende Stadt bald zu klein geworden. Außerdem schien es längst nicht mehr repräsentativ genug.
Weil die Fürther damals offenbar nicht kleckern, sondern klotzen wollten, erhielt das Wiener Architekturbüro Helmer & Fellner den Zuschlag. Das hatte im deutschsprachigen Raum zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 50 Theaterbauten entworfen, darunter die Staatsoper in Prag, das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg und das Wiener Konzerthaus. „Damals konnte man mit der Kutsche direkt vor den Eingang fahren. Mit den heutigen Treppen ist es etwas profaner geworden“, sagt Kuratorin Kollinger.
Eröffnet wurde das Stadttheater Fürth am 17. September 1902 mit der Galavorstellung von Beethovens Oper „Fidelio“. Bei der Besichtigung des Gebäudes wird den Gästen vor allem die üppige Deko innen wie außen aufgefallen sein. Darunter eine allegorische Figurengruppe des Wiener Bildhauers Ernst Hegenbarth sowie die ebenfalls von ihm geschaffenen Medaillons mit Porträts deutschsprachiger Künstler wie Mozart und Schiller.
Mit Blick auf die damals neu errungene Eigenständigkeit Fürths wollte man an diesem Gebäude zudem ein sichtbares Zeichen des Aufstiegs platzieren. So wurde direkt über dem prächtigen Eingangsportal das Stadtwappen mit Dreikleeblatt verewigt, das eine Mauerkrone trägt. Eindeutiger hätte der Hinweis auf den Stadt-Status Fürths kaum sein können.
Heinrich Berolzheimer – Jüdischer Fabrikant stiftet Jugendstilbau und fördert die Volksbildung
Vier Jahre nach der Einweihung des Theaters, folgte das Berolzheimerianum am heutigen Comödien-Platz, ehemals Theresienstraße. Es ist ein Paradebeispiel jüdischen Stiftungstums, das die Stadt stark geprägt hat. Namensgeber des Gebäudes ist Heinrich Berolzheimer, ein jüdischer Bleistiftfabrikant, der mit seinem Unternehmen bis in die USA expandierte.
Dort wurde er erstmals mit der Idee der kostenlosen Bildung für alle konfrontiert. Sie ließ ihn nicht mehr los. Sein Ziel war es fortan, diese Idee in der Industrie- und Arbeiterstadt Fürth umzusetzen. Deswegen spendete er 223 000 Goldmark, mit denen das Berolzheimerianum als damals innovatives Volksbildungsheim errichtet wurde und allen Fürthern zugänglich war. Ähnliches bewirkte der Industrielle in Nürnberg. Hier stiftete er das Luitpoldhaus am Gewerbemuseumsplatz, in dem heute die Stadtbibliothek untergebracht ist. Beide Städte honorierten die Großzügigkeit: Sie verliehen Berolzheimer die Ehrenbürgerwürde.
Entworfen hat das an die Schwabacher Straße grenzende Berolzheimerianum der Stadtbaurat Otto Holzer. Die Nutzung dieses üppigen und asymmetrischen Jugendstil-Baus war vielfältig. Im Erdgeschoss gab es eine Bibliothek und einen Lesesaal mit 120 Plätzen. Im Obergeschoss war ein Saal mit Bühne zu finden, in dem Konzerte, Vorträge und Ausstellungen veranstaltet wurden. Heute wird das Gebäude vom „Grüner Brauhaus“ teilweise als Gaststätte genutzt sowie von der „Comödie Fürth“ als Theater. Hausherren sind unter anderem die bekannten fränkischen Kabarettisten Volker Heißmann und Martin Rassau, besser bekannt als „Waltraud und Mariechen“.
Sankt Paul – eine Kirche für die wachsende Fürther Südstadt
Die Entscheidung darüber, welche der Kirchen sie für die Ausstellung exemplarisch herausgreifen soll, hat sich Kollinger nicht leicht gemacht. „Ich habe dann die evangelische Sankt Paul im Süden gewählt, um nicht zu zentriert auf die Innenstadt zu sein“, sagt sie. Außerdem habe sie dadurch die Bedeutung der Südstadt für die Entwicklung Fürths hervorheben wollen. Dort siedelten seit 1818 verstärkt Handwerker und Arbeiter, so dass in diesem neu entstehenden Stadtteil bald eine eigene Kirche benötigt wurde.
Eingeweiht wurde das Sandsteingebäude an der Amalienstraße mit seinem 70 Meter hohen Fassadenturm am 17. September 1900. Rund tausend Gläubige fasst der Innenraum dieser gotischen Kirche. Ihre Ausschmückung ist reduziert neugotisch: Das Äußere zieren Ornamente aus geometrischen Formen, über dem Hauptportal prangt eine Rosette und in den Giebelfeldern der drei Kirchenportale sind Bibelsprüche zu finden. Im Innern beeindruckt ein weiter Raum mit Kreuzrippengewölbe.
„Fürther Glanzlichter“ lässt Bauwerke zum Jubiläum leuchten
Geschichtsträchtige oder besonders prägnante Gebäude wie diese stehen am 11. November 2018, von 18 bis 23 Uhr, im Mittelpunkt der 200. Wiederkehr der Stadterhebung. Unter dem Motto „Fürther Glanzlichter“ werden an diesem Tag ausgewählte Bauwerke wie der Rathausturm von Künstlern illuminiert. Auch das Stadtmuseum selbst wird Teil der Inszenierung. Schließlich ist es ebenfalls in einem historisch bedeutenden Bau untergebracht: einem dreigeschossigen Eckbau in spätklassizistischer Form, der ehemaligen Ottoschule, benannt nach ihrem Standort an der Ottostraße 2.
Informationen zum Stadtjubiläum
Informationen zum Stadtmuseum Fürth
Nachtrag:
Seit dem Erscheinen des Blogbeitrags wurden wir mehrfach gefragt, ob Fürth nicht schon 10 Jahre früher als Stadt anerkannt wurde. Deshalb haben wir bei Ruth Kollinger vom Stadtmuseum Fürth noch einmal nachgehakt. Hier die „offizielle“ Antwort:
Ja, das stimmt, Fürth wurde 1808 als Stadt anerkannt. 1818 wurde es zur „Stadt I. Klasse“ und es konnten ein Magistrat und ein Bürgermeister gewählt, ein Rathaus gebaut werden. Das wurde schon damals viel mehr gefeiert als 1808. Deswegen heißt ja das Jubiläumsjahr „200 Jahre eigenständig“.
Nina Daebel ist freie Journalistin, Historikerin und Leiterin des Historischen Museums Cadolzburg.
Reuter
6 / 7 / 2018 | 14:16
Sehr schöner Artikel!