Wer im Nürnberger Künstlerviertel Gostenhof unterwegs ist, wird dort, ohne es zu merken, nicht nur auf spannende zeitgenössische Kunstschaffende treffen, sondern, unweigerlich, auch auf die großen Namen vergangener Jahrhunderte. Standesgemäß dienen die alten Meister dem Künstlerviertel nämlich als Namensspender für Straßen und Gebäude. Da finden wir zum Beispiel die Adam-Klein-Straße (Maler und Kupferstecher) oder die Glockendonstraße (Buchmaler), die Zickstraße (Elfenbeindrechsler) oder die Preißlerstraße und gar die Johann-Daniel-Preißler-Schule. Beide, sowohl Straße als auch Schule, sind benannt nach Mitgliedern der Nürnberger Künstlerfamilie Preißler, die sich im 17. und 18. Jahrhundert einen Namen als Maler und Kupferstecher gemacht haben. Eine ganze Familie voller Künstler? Na da schauen wir doch gleich mal etwas genauer hin!
Von Böhmen nach Nürnberg
Ursprünglich stammen die Preißlers aus Nordböhmen, wo sie als Glasmacher, Glasmaler und Glashändler tätig waren. Anfang des 17. Jahrhunderts musste die Familie dann aus konfessionellen Gründen die Heimat in Richtung Dresden verlassen. Den zweitältesten Sohn, Daniel Preißler, verschlug es 1652 bis nach Nürnberg, wo er bald schon Karriere als Maler machte und in den Größeren Rat berufen wurde. Sein Sohn, Johann Daniel, trat in die Fußstapfen des Vaters, wurde ebenfalls Maler und ab 1704 gar Direktor der vierzig Jahre zuvor von Jacob von Sandrart mitbegründeten Nürnberger Kunstakademie.
Ein weniger bekanntes Mitglied der illustren Nürnberger Künstlerfamilie feiert heute nun seinen 300. Geburtstag. Valentin Daniel Preißler, jüngster Sohn Johann Daniels, erblickte am 18. April 1717 das Licht der Welt – und sollte eigentlich gar nicht Künstler werden, sondern Wissenschaftler. An der Universität von Altdorf studierte Valentin zu diesem Zwecke zunächst Mathematik und Philosophie, ehe seine künstlerischen Neigungen doch noch Oberhand gewannen. Er ging beim Nürnberger Kupferstecher Bernhard Vogel in die Lehre und erlernte bei ihm das Mezzotinto-Verfahren.
Exkurs: Das was?
Das Mezzotinto-Verfahren. Während man bei einem herkömmlichen Kupferstich das Bild einfach in eine glatte Kupferplatte einritzt, wird beim aufwändigeren Mezzotinto die Oberfläche der Kupferplatte zunächst gleichmäßig aufgeraut. Anschließend überträgt der Kupferstecher die Bildvorlage, indem er dunkle Stellen rau belässt und helle mit einem Schabeisen wieder glättet. Dadurch ist ein kontrastreicheres Arbeiten möglich, welches sich vor allem für die Reproduktion von großen Gemälden eignet und sich im 17. und 18. Jahrhundert einer großen Beliebtheit erfreute.
Aber zurück zu Valentin
Die Wahl von Bernhard Vogel als Lehrmeister kam sicherlich nicht von ungefähr, galt der angesehene Kupferstecher doch als Koryphäe auf dem Gebiet der noch relativ neuen Mezzotinto-Technik. In der Folgezeit fertigte Valentin Daniel Preißler eine Vielzahl von Stichen an, häufig nach Gemälden aus dem Kreis der Familie. 1748 vermählte er sich mit der Lehrertochter Anna Sophia Volland, ehe es ihn an die Kunstakademie in Kopenhagen zog, wo er (die Welt ist klein) von seinem älteren Bruder Johann Martin Preißler unterrichtet wurde. Valentin Daniel Preißler starb 1765 im Alter von 48 Jahren in Nürnberg.
Ironischerweise sind es weniger seine qualitativ hochwertigen Mezzotinto-Arbeiten, durch die der Name Valentin Daniel Preißler der Kunstgeschichte im Gedächtnis geblieben ist – sondern seine Funktion als Herausgeber. Aus dem Nachlass seines Lehrmeisters Bernhard Vogel hatte Valentin nach dessen Tod nämlich einige Platten mit Stichen nach Gemälden Johann Kupetzkys erworben (und dadurch vor dem Einschmelzen bewahrt), die er 1745 zusammenfasste und, in Gedenken an den Lehrmeister, veröffentlichte. Diese Sammlung gilt heute als das Hauptwerk Bernhard Vogels; zu verdanken haben wir sie der Umsicht Valentin Daniel Preißlers.
Der Beitrag geht zurück auf den ausführlichen Artikel „Die Künstlerfamilie Preißler“ von Ludwig Sichelstiel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg. Er erschien im Katalog „1662-1806. Die Frühzeit der Nürnberger Kunstakademie“ zur gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum im Fembohaus 2012.
Bearbeitung des Artikels für den Blog: Sebastian Heider.