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21 / 2 / 2017

Kristalle aus dem Weltraum – der all-tägliche Werkstoff

Weltraumforschung aus Erlangen: Alle drei Jahre schießen die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts IISB einen Versuch ins All. Die Erkenntnisse, die sie in der Schwerelosigkeit gewinnen, kommen der industriellen Herstellung von Kristallen auf der Erde zugute. Über diese „Schlüsselmaterialien für das 21. Jahrhundert“ berichtet das Fraunhofer IISB parallel zur Ausstellung „All-täglich. Vom All in den Alltag“, die ab 22. Februar im Museum Industriekultur läuft.

Kristalle, könnte man meinen, sind gar nichts Besonderes: Auch Salz und Zucker sind Kristalle, Schneeflocken und natürlich Diamanten. Aber man kann Kristalle auch züchten, im Labor unter kontrollierten Bedingungen. Für Forschung und Technologie sind sie deshalb besonders interessant: Die Bausteine der Kristalle, die Atome, sind in einer regelmäßigen Struktur angeordnet und beispielsweise Strom oder Licht können dadurch nahezu ungehindert hindurchfließen.

Zu den Kristallen gehören auch die Halbleiter. Halbleiter können durch Einbringen von Fremdatomen so hergestellt werden, dass sie spezifische elektrische Eigenschaften besitzen. Genau die sind in Mikroprozessoren und Speicherelementen gefragt, sie kommen beispielsweise in Tablets, Smartphones, aber auch im Auto zur Anwendung. Mit einem Satz: Ohne Kristalle liefe im Alltag rein gar nichts mehr.

Dr. Jochen Friedrich, Leiter der Abteilung Materialien am Fraunhofer Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB. Bildnachweis: Kurt Fuchs/ Fraunhofer IISB

Dr. Jochen Friedrich, Leiter der Abteilung Materialien am Fraunhofer Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB. Bildnachweis: Kurt Fuchs/ Fraunhofer IISB

Darf man also – analog zu Marilyn Monroe und dem Song „Diamonds are a Girl‘s Best Friend“ – behaupten, dass Silizium der beste Freund der Forscher ist? Dr. Jochen Friedrich, der die Abteilung Materialien am Fraunhofer Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB in Erlangen leitet, schmunzelt und er nickt. Denn Silizium, das aus Quarzsand gewonnen wird, ist das wichtigste Halbleitermaterial – aber nicht das einzige.

Die Erlanger forschen auch an Verbundhalbleitern wie Siliziumkarbid, das Energieverluste minimiert, an Galliumnitrid, das für Leuchtdioden eingesetzt wird, und am Zukunftsstoff Aluminiumnitrid, mit dem sich UV-Licht etwa für die Wasserentkeimung oder das Härten von Kunststoff erzeugen lässt.

Versuche im All durchzuführen, sagt Jochen Friedrich, „sind ein nicht gerade billiges Hobby“. Aber sie erlauben den Wissenschaftlern ihre Theorien zu prüfen – ohne den Einfluss der Schwerkraft. Sie bewirkt, dass sich bei der Produktion von Halbleitern – die Ausgangsstoffe werden bei über 1400 Grad aufgeschmolzen und kühlen dann kontrolliert ab – feste Partikel absetzen und das Kristallgitter nicht perfekt aufgebaut wird. Im All herrschen einfach ideale Bedingungen.

Im vergangenen Jahr etwa hat das Fraunhofer IISB aus Erlangen im Weltall Silizium-Halbleiter für die Photovoltaik untersucht. Die Theorie der Forscher wurde bestätigt: Die Strömungsvorgänge in der Schmelze sind entscheidend. Wichtig ist also, dass bei der Herstellung gerührt wird – und zwar richtig.

Dass überhaupt so anwendungsorientiert geforscht wird in Erlangen, liegt – natürlich – an Siemens. Nach dem Krieg hatte das Unternehmen die Halbleiterforschung ins oberfränkische Pretzfeld verlagert. Das Schloss und der angrenzende Pferdestall schienen gut geeignet. Als Folge etablierte sich die Forschung an der Friedrich-Alexander-Universität, Mitte der 1980er Jahre dann wurde das Fraunhofer Institut IISB in Erlangen ansässig. Aktuell forschen dort 270 Mitarbeiter und zahlreiche Studierende in zwei Bereichen: der Halbleiter-Technologie und der Leistungselektronik etwa für Elektroautos.

Informationen zur Ausstellung „KRISTALLE! Schlüsselmaterialien für das 21. Jahrhundert“

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