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12 / 1 / 2017

Tatort Museum: Der Ausstellungs-Designer

Ankommen, eintauchen, sich ganz auf ein Thema einlassen – dazu laden Museen ein. Doch es gelingt nur, wenn Ausstellungen entsprechend inszeniert werden. Worauf es ankommt, erzählt Ausstellungsdesigner Matthias Kutsch, der gerade „Krone – Macht – Geschichte“ als neue Abteilung im Stadtmuseum im Fembo-Haus gestaltet hat.

Eine Aufgabe, die Matthias Kutsch und die Mitarbeiter seiner Agentur Impuls-Design herausgefordert hat: Fast tausend Jahre Nürnberger Geschichte in nur einem Raum! Und jetzt? „Für mich ist es einer der schönsten Museumsräume überhaupt“, sagt Matthias Kutsch beim Gespräch vor Ort. Die Atmosphäre ist sakral, wozu sicher Fotografien aus gotischen Kirchen und der nachgebaute Schrein der Reichskleinodien beitragen, die von der hohen Decke hängen. An den Stirnseiten spannen Paul Ritters Monumentalgemälde „Einzug des Kaisers Matthias“ und eine Aufnahme des zerbombten Nürnberg die Gegenpole auf, zeigen den Glanz und das Elend der ehemaligen Reichsstadt.

Blick in die Abteilung „Krone – Macht – Geschichte“. Foto: Stefan Meyer

Blick in die Abteilung „Krone – Macht – Geschichte“. Foto: Stefan Meyer

Süchtig nach Geschichten

„Ich sehe mich als Repräsentant des Besuchers“, sagt Matthias Kutsch. Dieser soll in ein Thema hineingezogen werden, selbst wenn er noch nichts davon weiß. Ausstellungsdesigner dagegen wissen: Besucher sind süchtig nach Geschichten und sie entscheiden blitzschnell. In den ersten zwei Sekunden muss ein Raum oder ein Kunstwerk oder ein neuer Beitrag auf dem Audioguide ihr Interesse wecken, sonst steuern sie das nächste Ziel an.

Dass ein Besucher im Fembo-Haus nun schon über eine Stunde auf den roten Sofas sitzt und dem Audio-Guide zu „Krone – Macht – Geschichte“ lauscht, ist für Matthias Kutsch der beste Beweis: Diese Ausstellung funktioniert.

Enge Absprachen und Lese-Marathon

Wie sie zustande kam? Am Anfang stand, wie üblich, ein Wettbewerb. Kutschs Agentur, 1988 in Erlangen gegründet, entwickelt dann eine Idee und arbeitet einen Entwurf aus. Erfolgt der Zuschlag, beginnt die Arbeit quasi „wieder bei Null“: Vor Ort und im Dialog mit den Museumsverantwortlichen werden die räumlichen Gegebenheiten in Augenschein genommen, die Ziele der Ausstellung festgelegt und dann fängt Matthias Kutsch an zu lesen. Alles, alles, was er über das Thema zu fassen bekommt. Im Fembo-Haus zum Beispiel ist ihm die zentrale Bedeutung der Reichskleinodien für Nürnberg und seine Geschichte bewusst geworden.

Aber Predigen, das liegt Matthias Kutsch nun gar nicht. Vielmehr will er die Neugier der Besucher wecken und bettet deshalb Schaustücke in Geschichten ein. Die künstlichen Fische, die sich unter den Reichskleinodien winden, sind ein gutes Beispiel: Unter Heringen getarnt war der Kronschatzes des Heiligen Römischen Reiches 1424 nach Nürnberg gebracht worden. Pracht und Profanes, Silber und Gold – sie spielen als Gegensätze zusammen.

Matthias Kutsch stellt bei der Eröffnung der neuen Museumseinheit den Medienguide vor. Foto: Uwe Niklas

Matthias Kutsch stellt bei der Eröffnung der neuen Museumseinheit den Medienguide vor. Foto: Uwe Niklas

Verzicht auf Medien-Schnickschnack

Welche originalen Kunstwerke zu sehen sind, wie sie durch Fotografien und Repliken ergänzt werden, welche Informationen das Thema konzentriert vermitteln, das legen Museumsverantwortliche und Ausstellungsdesigner gemeinsam fest. Lange Texte allerdings „törnen ab“, findet Matthias Kutsch. „Medienschnickschnack“ allerdings auch. Welche und wie viele Medien eingesetzt werden, hänge sinnhaft an der jeweiligen Ausstellung.

Für „Krone – Macht – Geschichte“ beispielsweise waren so viele Originale vorhanden, dass Impuls-Design wenig Zusätzliches vorgeschlagen hat. Ein einziger Bildschirm zeigt Vorher-Nachher-Aufnahmen von Nürnberg, der Schrein, in dem die Reichskleinodien in der Spitalkirche verwahrt wurden, ist als Leuchtkasten repliziert, Fotos führen in die moderne Zeit. Welche Elemente wie und an welcher Stelle eingesetzt werden, schlagen die Ausstellungs-Grafiker vor und probieren das zunächst am Computer aus.

„Man hört auch ein Schmunzeln“

Etwa die Hälfte der Arbeit an der neuen Abteilung im Fembo-Haus hat das Tablet ausgemacht. Es begleitet die Besucher, ermöglicht die selbstständige Vertiefung. In neun Sprachen berichten prominente Erzähler aus vielen Jahrhunderten über wichtige Phasen und Wendepunkte der Nürnberger Geschichte.

Per Tablet bekommen die Besucher zusätzliche Informationen zur Nürnberger Geschichte. Foto: Uwe Niklas

Per Tablet bekommen die Besucher zusätzliche Informationen zur Nürnberger Geschichte. Foto: Uwe Niklas

Die Texte dazu schrieb Museumsleiter Dr. Thomas Schauerte, in der Agentur wurden sie mit Regieanweisungen ausgestattet. „Man hört auch ein Schmunzeln“, sagt Matthias Kutsch. Ihm gefällt am besten Kaiser Sigismund, „der lacht so schön“. Auf dem Schirm des tragbaren Computers leuchten zudem der Reichsapfel und das Schwert auf, wenn von den Reichskleinodien die Rede ist. Und wenn im Gemälde Kaiser Matthias einzieht, wehen die Fahnen. Solche Gimmicks begeistern den Ausstellungs-Designer. Denn es passiert etwas, das auch Besucher schmunzeln lässt.

Viele der Elemente, die zum Entstehen der Ausstellung nötig sind, erstellen die Grafiker, Produktdesigner, Medientechniker und Journalisten unter den 20 Mitarbeitern von Impuls-Design gleich in der Agentur. Anderes wie etwa die Schauspieler für die Sprechrollen – allesamt Muttersprachler – und das Aufnahmestudio beauftragt Matthias Kutsch. Der Agentur-Chef arbeitet dabei wie ein Architekt, der eine Baustelle organisiert, und muss gleichzeitig aufs Budget achten. „Ich finde es spannend, das Werden zu sehen.“

Vom Leben der Mönche bis Notspielzeug

Impuls-Design setzt Projekte in ganz Deutschland um und beschäftigt sich mit ganz unterschiedlichen Themen. Das kann das Leben eines Mönchs sein, das im Infozentrum der Benediktiner in Münsterschwarzach dargestellt ist, die Beziehung von Klimawandel und Meer auf Sylt oder Spielstationen für einen Baumwipfelpfad im Schwarzwald. Nürnberg, gesteht Matthias Kutsch, habe Impuls-Design bisher vernachlässigt.

Das ändert sich gerade: Eine kleine Ausstellung im Spielearchiv gehört schon zum Portfolio, außerdem gehören „Bitte lächeln“ und „Notspielzeug“ im Spielzeugmuseum zu den Arbeiten jüngster Zeit. Das Schöne daran sei, sagt Matthias Kutsch: „Kinder sind absolut ehrlich.“ Entweder zieht sie eine Ausstellung in ihren Bann – oder eben nicht.

Die Ohren offen, die Hände frei

Auch für Erwachsene in Museen hätte Matthias Kutsch eine Idealvorstellung: Ohren offen, Hände frei – allein der vom Interesse gelenkte Blick „öffnet“ Fenster mit zusätzlicher Information. Mit einer Datenbrille wie von Google könnte diese Zukunftsvision eines Tages Wirklichkeit werden könnte. Aber ganz gleich, mit welcher Technik Themen vermittelt werden: Ohne Exponate, ohne spannende Geschichten und ohne Dramaturgie, die Ausstellungsdesigner in Szene setzen, sind sie fad wie abgestandenes Wasser.

Dies ist der 3. Teil unserer Blogserie zur neuen Ausstellungseinheit „Krone – Macht – Geschichte“ im Stadtmuseum im Fembo-Haus
Teil 1: Krone – Macht – Geschichte. Wie die Kaiserkrone zur Ausstellung kam
Teil 2: Kraftakt für die Kunst oder: Wie kommt ein Monumentalgemälde an die Wand?

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