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4 / 11 / 2016

Tanzen mit Musik im Herzen

Renaissance-Tanzkurs und Ball im Fembohaus

Wer denkt, beim Renaissance-Tanz gehe es förmlich und gemessenen Schrittes zu, täuscht sich gewaltig! Bei der „Branle des lavandières“ schimpfen sich die Waschweiber mit erhobenem Zeigefinger aus, beim „Tourdion“ fliegen die Füße und bei der „Indian Queen“ folgt auf die Mühle eine Kette – und flugs sieht man sich einem anderen Partner gegenüber. Lernen kann man das alles beim Tanzkurs mit Marie-Claire Bär Le Corre im historischen Ambiente des Stadtmuseums Fembohaus und bestaunen darf man es am 16. November 2016 beim großen „Ball der alten Tänze“.

Das Parkett knarzt. „Gut, dann ist es ein guter Tanzboden“, sagt Marie-Claire Bär Le Corre. Doch bevor die 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die historische Tänze eintauchen, lockern sie sich. Den Nacken, die Schultern, die Arme – ganz sanft kommt der Körper in Bewegung, ins Schwingen. Bis hinunter zum Fußballen, der in der Renaissance vorsichtig und elegant aufgesetzt wird. „Approché!“

Vor dem Tanzen kommt die Lockerung.

Vor dem Tanzen kommt die Lockerung.

Aber jetzt: Die Partner nehmen Aufstellung, der Herr links, seine Dame rechts. Zwei Schritte vor, jetzt Füße schließen. Die Paare halten sich an den Händen und drehen sich erst nach außen, dann nach innen und wenden sich einander zu. „Im Text steht, dass Sie dem Herrn in die Augen schauen können – oder auch den Blick züchtig senken. Das ist eine ganz kleine, feine Bewegung – aber wenn alle das machen, sieht es sehr schön aus“, schwärmt Marie-Claire Bär Le Corre. Die energiegeladene Französin, die seit 1997 in Nürnberg lebt, kann bei solchen Erklärungen aus dem Vollen schöpfen: Sie hat historischen Tanz studiert.

Verbindung in frühere Tanzwelten

Als sie Mitte der 1980er an der Sorbonne in Paris Tanz in allen Ausprägungen kennenlernte, fand sie die kleinen Schritte zunächst langweilig. Aber „nach sechs Wochen hat es mich gestochen“, erinnert sie sich. Denn die Tänze der Renaissance und des Barock eröffnen eine ganze Welt – eine Linie führt zum klassischen Ballett, die andere zum Gesellschaftstanz und sogar zu heutigen Formen wie Square- und Line-Dance.

Anders als beim heutigen Gesellschaftstanz, der sich auf das Paar hin konzentriert, steht in der Renaissance das Miteinander im Zentrum und entfaltet spürbare Energie. Bei Kreistänzen fassen sich alle Tänzer an den Händen, andere Figuren erfordern die Drehung mit und um andere Paare. Mal begegnen sich die Damen, mal die Herren und ab und zu wird unter verschränkten Händen durchgetaucht. In der Theorie.

In der Praxis kommen die Tänzer über den Schrittfolgen, Drehungen und Gesten schnell ins Schwitzen. Sie müssen sich, so scheint es, gelegentlich vorkommen wie Tausendfüßler – obwohl jeder nur zwei Füße hat. Meint man. „Links, rechts, links, dann ein kleiner Sprung und Drehung nach links“, lautet die Anweisung. Wer sich in Gedanken verstrickt und trotzdem nach rechts dreht, den necken die Mittänzer freundlich. „Nicht so, das andere links!“

Die einzelnen Schritte sind genau festgelegt.

Die einzelnen Schritte sind genau festgelegt.

Vorführungen im Tanzsaal von 1674

„Wir müssen viel mehr vorwärts kommen, meine Lieben“, macht die Tanzpädagogin Tempo. Es sind ja nicht nur die Schritte, auch die Bewegung der Paare im Raum muss stimmen und die Zeit drängt. Beim Ball der alten Tänze sind mehrere Vorführungen in dem historischen Tanz- und Festsaal geplant, den Christoph Jakob Behaim 1674 bauen und mit einer prächtigen Kassettendecke schmücken ließ. Zum Ball werden sich die Tänzer, die beim Workshop in Jeans und legeren Kleidern erscheinen, in Schale werfen und in historischen Kostümen auftreten.

Was man damals trug? Die Herren bauschige Kniehosen, eine eng anliegende Jacke und – wie die Damen auch – auf dem Kopf ein Barrett. Die feinen Damen schnallten sich Hüftpolster auf, trugen einen Unterrock und darüber eng ein geschnürtes Kleid. Die „Dynamik eines schweren Kleides“, solle man nicht unterschätzen, warnt Marie-Claire Bär Le Corre. Wenn es einmal schwingt…

Der lange Weg vom Kopf zum Fuß

Im Vordergrund steht jedoch die Lust daran, in die andere Zeit zurückzufinden: „Man ist absolut die gleiche Person, aber doch anders“. Das spüren wohl auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops im Fembohaus. Obwohl sie sich sehr konzentrieren müssen („Die Schritte haben einen langen Weg in den Kopf und sie brauchen noch einmal so ein lange, bis sie in den Füßen ankommen“, sagt Marie-Claire Bär Le Corre.) und obwohl manche sich mit körperlichen Einschränkungen plagen und beim besten Willen nicht so schnell sein können – Freude macht das Tanzen allen.

Die komplexen Schrittfolgen erfordern eine hohe Konzentration.

Die komplexen Schrittfolgen erfordern eine hohe Konzentration.

Queen Elizabeth I. habe schon vor dem Frühstück drei bis vier Gaillardes getanzt, berichtet Marie-Claire Bär Le Corre. Dabei ist die Gaillarde mit bis zu zwanzig Figuren und hohem Tempo der schwierigste Tanz überhaupt. Wer ihn aber beherrschte, so wussten damalige Zeitgenossen, werde „dafür heiß geliebt“.

Genießen, lächeln, von innen heraus strahlen

Tatsächlich will Marie-Claire Bär Le Corre in erster Linie die Freude an Bewegung, an Musik und Tanz vermitteln. Mit rascher Folge verschiedener Tänze – Pavane, Basse, Branle, Tourdion, Gaillarde – statt verbissenen Einschleifens eines einzigen. Jeder neue Schritt, jede neue Figur – so ist sie überzeugt – legt einen Keim. Für einen neuen Tanz, für den nächsten Workshop und natürlich den Ball der alten Tänze.

Tanzpädagogin Marie-Claire Bär Le Corre mit Teilnehmerinnen des Renaissance-Tanzkurses.

Tanzpädagogin Marie-Claire Bär Le Corre mit Teilnehmerinnen des Renaissance-Tanzkurses.

„Genießen, lächeln!“, erinnert sie, als die Gruppe zu den zarten Klängen von Flöte und Laute flott im Kreis schreitet und sich die Paare zunicken. Wenn die edlen Damen und starken Herren sich sicherer fühlen auf dem Parkett und sobald sie ihre Kleider aus Samt und Seide angelegt haben, werden auch ihre Gesichter strahlen. Ganz von innen heraus.

Informationen zum Ball der alten Tänze

Informationen zum Tanzkurs

Nachtrag:
Bildergalerie zum „Ball der alten Tänze“

Auch die „Frankenschau aktuell“ hat live aus dem Fembohaus berichtet, das Video können Sie in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks ansehen
Ball der alten Tänze auf BR Fernsehen

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