Dekorative Objekte aus dem Jugendstil haben es ihnen angetan: Über 20 Jahre lang trugen Maria und Claus Pese Vasen, Kerzenleuchter, Dosen und andere schöne Jugendstil-Gegenstände zusammen, die um die Wende zum 20. Jahrhundert alle in Nürnberg gefertigt wurden. Ihre einzigartige Sammlung haben sie jetzt der Stadt Nürnberg vermacht, eine Vitrine im Museum Industriekultur zeigt herausragende Stücke in jährlichem Wechsel.
Frau Pese, Sie haben über 40 Jahre lang mit den Jugendstilschätzen gelebt. Ist es Ihnen nicht furchtbar schwer gefallen, sie abzugeben?
Maria Pese: Im Gegenteil: Wir haben uns sehr gefreut. So bleibt die komplette Sammlung, die einige sehr wertvolle Stücke enthält, in ihrer Geschlossenheit erhalten.
In einem Interview haben Sie, Herr Pese, gesagt, es würden vielleicht noch fünf Stücke zur Vollständigkeit fehlen. Welche?
Claus Pese: Dazu gehören drei Vasen, in Zinn montierte Keramik mit unterschiedlichen Glasurtypen. Die Keramik stammt aus Ungarn – die Firma existiert übrigens heute noch. In Nürnberg wurde sie in Zinn gefasst. Zwei Vasen, eine irisierend rot, die andere dunkelgrün, sind uns vor Jahren durch die Lappen gegangen. Eine blau-weiße, sehr teuer, ist vor einiger Zeit in Ungarn aufgetaucht. Die Sachen sind heute sehr selten, auch viel Geld hilft da nicht.
Sie haben nach Ihrer Heirat Anfang der 1970er Jahre angefangen, Jugendstil zu sammeln. Kann man von Jagdfieber sprechen?
Claus Pese: Der Begriff Jagdfieber ist absolut berechtigt, denn der Mensch hat sich als Jäger und Sammler entwickelt. Das kann man auf Gegenstände, mit denen man sich umgibt, übertragen. Wobei meine Frau die Jägerin ist, ich bin mehr der Enzyklopädist und trage das Wissen zusammen.
Nürnberg steht im Zentrum Ihrer Sammlung. Wie kam es dazu?
Claus Pese: Wir hatten in London eine Zigarettendose gekauft, am Boden eine Markenbezeichnung. Die habe ich ein Jahr später in der Zeitschrift „Die Kunst“ entdeckt und gesehen, dass die Dose in Nürnberg hergestellt worden war.
Maria Pese: Dass es sich bei ISIS-OSIRIS um eine Markenbezeichnung der Nürnberger Metallwarenfabrik Walter Scherf und Co handelte, das haben wir herausgefunden. Ein schöner Krug mit Becher aus Zinn, der auf einem Plakat des Victoria und Albert-Museums in London abgebildet war, stammte also von hier.
Claus Pese: Die Kenntnis der vielen Nürnberger Firmen, die zwischen 1897 und 1906 kunsthandwerklichen Jugendstil produzierten, hat sich ganz langsam erschlossen. Als ich 1980 meine Dissertation „Das Nürnberger Kunsthandwerk des Jugendstils“ vorgelegt habe, war alles bekannt: Es gab Meisterkurse in Nürnberg, bei denen führende Künstler die hiesigen Kunsthandwerker unterrichteten. Es gab Herstellerfirmen, die bis zu 1000 Mitarbeiter hatten, genauso wie den Ein-Mann-Betrieb. Nürnberger Kunsthandwerker nahmen an Weltausstellungen teil, sie waren Preisträger bei internationalen Wettbewerben. Im Lauf der Forschungsarbeit habe ich auch Kontakt mit den noch ansässigen Firmen gesucht, die leider nur sehr selten noch Unterlagen besaßen. Wir wussten in allen Fällen mehr über die Jugendstil-Produkte als die Firmennachfolger.
Hatte der Jugendstil eine besondere Bedeutung für die Stadt?
Maria Pese: Die Gegenstände waren Nürnberger Tand, der in alle Land ging – sie waren hauptsächlich für den Export bestimmt. Ob er einen Impuls für das Nürnberger Leben gegeben hat, ist fraglich.
Claus Pese: Ich sehe das anders. Nürnberg ist zwar nicht stilbildend gewesen, aber es gibt einige Objekte von herausragender Qualität. Produkte aus der Stadt haben vielleicht nicht die erste Geige gespielt, aber sie waren im ersten Drittel zu finden.
Führung „Jugendstil aus Nürnberg“
Informationen zur Museumseinheit „Jugendstil aus Nürnberg 1897 – 1906“