Wer einmal eine Kostümführung mit der historischen Hausherrin Katharina durch „ihr“ Tucherschloss mitgemacht hat, ist begeistert, wie viel Interessantes und Neues man hier im stolzen Patrizier-Sommer-Haus über die vergangenen „goldenen Nürnberger Zeiten“ erfahren kann. Künftig sollen aber noch mehr Einzelbesucher in den Genuss eines ganz persönlichen Hausrundgangs kommen: Nicht nur eine Schauspielerin im historischen Gewand, sondern ein zeitgemäßer Multimediaführer in mehreren Sprachen soll künftig das Haus, seine Bewohner, seine Schätze und die Geschichte(n) hinter den kostbaren Exponaten lebendig machen.
Nürnberg-Prag in einem Tag
Wertvolle Anregungen für dieses neue Projekt holten wir uns – Museumsleiterin Ulrike Berninger und Abteilungsleiterin Dr. Gabriele Moritz – während eines Kurztrips nach Prag. Die jahrhundertealten engen Beziehungen zwischen Nürnberg und der heutigen Hauptstadt der Tschechischen Republik sind uns Museumsfrauen sehr wohl bekannt, feiern wir doch in diesen Tagen den 700. Geburtstag von Kaiser Karl IV., dem großen Freund und Förderer beider mittelalterlicher Metropolen.
Aber dass man ausgesprochen bequem und dazu noch äußerst flott mit dem Bahnbus quasi für ein Arbeitstreffen kurzerhand von der Pegnitz an die Moldau fahren kann, wurde uns erst auf unserem erkenntnisreichen Vororttermin am ersten richtigen Frühlingstag des Jahres bewusst.
Wunschziel: Palais Lobkowicz
Der Himmel strahlte, entlang der malerischen Straßen und Plätze bevölkerten Sonnenhungrige die Open-Air-Cafés, und überall wurde die touristische Schauseite des goldenen Prags aufpoliert, als wir unser endgültiges Ziel im Hradschin, dem historischen Viertel auf dem Burgberg, erreichten: das im 16. Jahrhundert erbaute Palais Lobkowicz.
Das heute im Privatbesitz der gleichnamigen berühmten Adelsfamilie befindliche Museum hat eine überaus bewegte Vergangenheit. Zweimal ist die Familie enteignet worden und musste ins Exil gehen: zunächst 1939 von den Nazis und dann 1948 von den Kommunisten. Erst nach der sogenannten Samtenen Revolution von 1989 erhielt die Familie Lobkowicz im Jahr 2002 ihren gesamten Privatbesitz wieder zurück.
Heute wird das Palais als Familienmuseum mit attraktivem Restaurant und opulenten Räumen für private und öffentliche Festivitäten und Veranstaltungen geführt. Die Dauerausstellung stellt die einstigen Reichfürsten von Lobkowicz als bedeutende Politiker, versierte Kunstsammler und engagierte Mäzene vor. Uns Museumsspezialistinnen hat aber besonders interessiert, wie die zahlreichen hochkarätigen Kunstschätze dieser privaten Sammlung – von unzähligen Ahnenportraits über Kunstwerke von Brueghel, Cranach bis hin zu Canaletto und Velazquez – den vielen Kulturtouristen vorgestellt und erläutert werden.
Höchst charmant! Die ganz persönliche fürstliche Führung
Und hier haben wir in der Tat eine im wahrsten Sinne des Wortes ansprechende Entdeckung gemacht: Das Museum bietet eine etwa einstündige kostenlose Audioguide-Führung in 8 Sprachen an. Per Knopf im Ohr begrüßen der derzeitige Hausherr Prinz William Lobkowicz und seine Frau Alexandra jeden Gast persönlich und geben ihrer Freude über das große Interesse an ihrer über 700 Jahre alten Geschichte ausgesprochen sympathisch Ausdruck. Uns werden einige berühmte Familienmitglieder – wie Ahnin Polyxena oder Großvater Maximilian – vorgestellt, und wir werden Augen- und Ohrenzeugen insbesondere der bewegten Geschichte der Lobkowicz im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert.
Die persönliche Ansprache, das Gefühl, hier willkommen zu sein, die authentisch geschilderten Familiengeschichten haben uns beeindruckt und uns viele Anregungen vermittelt. Wir kamen zu dem Schluss: Eine ganz persönliche mediale Tour für Jedermann und Jedefrau, geführt von einzelnen Familienmitgliedern durch das Tucherschloss, ist ein Projekt, das wir sicherlich bald in Angriff nehmen werden.
Unerwartete Begegnung …
Und als wir schweren Herzens unseren liebgewonnen digitalen Museumsführer wieder an der Kasse abgeben wollten, erlebten wir dort noch eine große Überraschung:
Wir hatten bislang den jetzigen Chef des Palais, William Lobkowicz mit seiner rumänischen Frau Alexandra, nur durch seinen Willkommensgruß auf dem Audioguide und viele persönliche Fotos während des Rundgangs kennenglernt. Nun standen die beiden plötzlich leibhaftig vor uns, und es war ein Leichtes, mit Ihnen als „Museumskollegen“ ins Gespräch zu kommen.
Wir bekamen fachkundige Tipps für unser Vorhaben zugesichert, und im Gegenzug luden wir die beiden zu uns ins Tucherschloss ein. Vielleicht klappt ja tatsächlich ein Besuch zu „grenzenlos“, unserem Internationalen Fest der Partnerstädte, bei dem in diesem August Prag im Mittelpunkt steht – wir würden uns riesig freuen, bei dieser Gelegenheit auch gemeinsam auf 700 Jahre engste Beziehungen zwischen den Partnerstädten Nürnberg und Prag anstoßen zu können.
Nach dieser überraschenden Begegnung und den vielen neuen Eindrücken im Lobkowicz-Palais machten wir uns wieder auf den Nachhauseweg: durch die alte Kleinseite, durch Prags barocke Neustadt, vorbei an unzerstörten Jugendstil-, Klassizismus- und den Plattenbauten der Kommunisten zum Bahnhof in der Nähe des Wenzelsplatzes. Nach vier Stunden auf der Goldenen-Straße-Autobahn kamen wir erschöpft, aber beglückt von den inspirierenden Erkenntnissen dieses ungewöhnlichen Arbeitstages wieder in Karls neuböhmischer Lieblingsstadt in Franken an.