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31 / 3 / 2016

Vergessen und wiederentdeckt!

Die letzte Kriegsruine Nürnbergs

Auf viele Menschen übt die Vergangenheit eine große Faszination aus. Wie lebten die Menschen in früheren Zeiten? Wo sind Spuren von ihnen zu finden? Was können wir heute noch von ihnen erfahren?

Zwei Jahre ist es her, dass der Nürnberger Bauplaner Georg Lang zum ersten Mal ein Anwesen in der Stadt betrat, das ihn so schnell nicht mehr loslassen sollte. Als er das Tor im straßenseitigen Mauerrest öffnete, erwartete ihn ein für viele im heutigen Nürnberg ungewohnter Anblick: ein Areal, das seit seiner Zerstörung im Krieg und dem Wegzug des letzten Besitzers quasi unberührt den Einflüssen der Natur überlassen worden war. In der Altstadt gegenüber den Sieben Zeilen gelegen, ist das frühere Anwesen Webersplatz 8 die letzte Kriegsruine Nürnbergs.

Ein zerstörtes Haus in einer ansonsten schon lange wieder aufgebauten Nachbarschaft wirft Fragen auf. Einst war es Wohn- und Arbeitsstätte erfolgreicher Nürnberger Handwerker und Maschinenbauer, die durch Erfindergeist und Geschick florierende Werkstätten aufbauen konnten. Zuletzt wurde es bewohnt von Josef Stürzer, der dort ab 1936 die Maschinenfabrik Georg Döll & Co. nebst der Gebäude übernommen hatte. Nach der Zerstörung fehlten ihm die Mittel, um das Haupthaus wieder aufzubauen. Daher richtete er sein Leben nach dem Krieg in der Werkstatt im hinteren Teil des Grundstücks mit angeschlossenem Büro und Wohnbereich ein.

Georg Lang fand im noch intakten Gebäudeteil die original eingerichtete Werkstatt vor. Sie wirkte, als wäre sie vor Jahrzehnten gerade einmal verlassen und seitdem nicht mehr angerührt worden. Der angebaute Wohnbereich dagegen hatte dem Einfluss von Witterung und Vegetation stark nachgegeben, das Dach war teilweise eingebrochen, Feuchtigkeit, Pflanzen und Tiere hatten ihre Spuren hinterlassen. Georg Lang recherchierte die Geschichte des Anwesens im Stadtarchiv und trug die Fakten zu einem Bild zusammen. Unterstützung bekam er von seinem Fotofreund Martin Kopp, der mit ihm gemeinsam das Areal in vielen faszinierenden Aufnahmen dokumentierte.

Es ist gut 70 Jahre her, dass Nürnberg durch massive Bombardierung große Teile seiner bis dahin viel bewunderten Architektur verlor. Auch das Areal um den Webersplatz glich einer Trümmerlandschaft. Das nahe gelegene Tucherschloss zum Beispiel – heute zum Glück wieder aufgebaut – bestand nur noch aus wenigen Mauerresten. Die einst malerischen Straßenzüge hatten sich in eine steinige Brachlandschaft verwandelt. Auch heute noch sind die Bilder der Zerstörung sowohl für hier geborene als auch zugezogene Bewohner Nürnbergs etwas, das ihnen im täglichen Leben immer wieder begegnet. Die, die heute noch von der Zeit erzählen können, waren damals jung. Kinder in der Innenstadt eroberten sich das Terrain auf ihre Weise zurück durch ihr Spielen in dem anarchisch anmutenden Steinlabyrinth, darunter sicher auch der Webersplatz 8. Nun erwartet auch dieses Fleckchen Stadt durch die anstehende Bebauung seinen Schritt in die Jetztzeit.

Georg Lang und Martin Kopp haben wertvolle Arbeit geleistet, indem sie die letzte Kriegsruine Nürnbergs dokumentiert und ihren bald nicht mehr existierenden Zustand für die Nachwelt in Bildern festgehalten haben. Einen Teil davon zeigen sie derzeit in ihrer Ausstellung im Museum Industriekultur.

Informationen zur Ausstellung „Webersplatz 8“

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