Jürgen Becker liebt Alltagsgegenstände. Aus einem Müllbeutel und ein paar Büroklammern konstruiert er einen Heißluftballon, der fliegt wie der von Montgolfier. Thunfischdosen funktioniert er zu prima Kreiseln um und balanciert Besen auf den Finger, um Haft- und Gleitreibung zu erklären. Für die Physik ist der ehemalige Physiklehrer Feuer und Flamme und bringt sie seinem Publikum im Museum Industriekultur sehr vergnüglich nahe. Auch das „Lernlabor – Technikland staunen @ lernen“ hat er mit konzipiert.
Seine besondere Vorliebe gilt dem Physikalischen Spielzeug, das es schon seit der Antike gibt. Schaukeln, Stelzen oder Jo-Jos gehören dazu. Auch in seinen Shows bedient er sich verblüffender Balance-Akte, Metallspiralen, die wie von selbst Treppen hinablaufen, oder Stehaufmännchen. Anders als im oft trockenen Schulunterricht geht es Jürgen Becker darum, den Spaß an der grundlegenden Erkenntnis der Naturgesetze und ihrer Bausteine zu entwickeln.
Im Programm „Ich wollt‘, ich wär ein Huhn“ zum Beispiel schlägt er ein Spiegelei in die Pfanne. Und fordert das Publikum zur genauen Beobachtung auf: Welche Form hat das Ei? Wo beginnt es zuerst zu brutzeln? Welche Form haben die Blasen? „Daraus kann man Rückschlüsse auf die Inhaltsstoffe ziehen“, sagt er – und dann weiter nachdenken über die Prozesse im Ei und den Einfluss der Temperatur. In einem anderen Programm schlägt er den Bogen von „Da Vincis Brücke bis zur Handchirurgie“ – alles dreht sich um Konstruktionen, die halten wie von selbst.
Apropos tragend: Im Programm „Spielereien mit dem Gleichgewicht“ fordert der frühere Physiklehrer Kinder wie Erwachsene auf, einen ganz normalen Besen auf zwei Zeigefingern zu balancieren. Ganz an den beiden Enden des Stiels befinden sich die Finger zunächst, sollen dann zur Mitte rücken – oder vielmehr zu dem Punkt, an dem der Besen im Gleichgewicht ist. Wegen der schweren Bürste liegt er natürlich! näher am unteren Ende. Aber wo genau?
Wenn Kinder in die Schule kommen, sagt der 62-Jährige, haben sie längst eine eigene Vorstellung davon, wie die Welt funktioniert. Auch wenn die falsch ist. Das Geraderücken solcher „misconceptions“ versteht er als große Aufgabe und löst sie ein bisschen anders und lockerer als gewohnt. Da wird das Kolumbus-Ei in Salz gestellt, da kippelt ein Stock ganz gewaltig – aber Sektkorken halten die Balance, sobald Gabeln hineingestochen sind. Glauben Sie nicht?
„Wir haben das alles daheim ausprobiert“, versichert Jürgen Becker, der die Experimente zusammen mit seiner Frau Gerlinde, ebenfalls Lehrerin, entwickelt und präsentiert. Lange Zeit waren sie im Kindermuseum tätig, vor fünf Jahren meldeten sie sich im Museum Industriekultur: „Wir hätten da was.“ Die Zusammenarbeit ist fruchtbar. Der Ehrenamtliche war neben den Matineen und Workshops an der Neukonzeption des Lernlabors beteiligt und er hat sich vorgenommen, in Zukunft stärker in Themeneinheiten zu denken und an Exponaten des Museums Industriekultur anzudocken. Optik, Elektromotor, Schwungräder – es ist ja alles vorhanden in der ehemaligen Schraubenfabrik an der Äußeren Sulzbacher Straße.