In schöner, sommerlicher Regelmäßigkeit holt das Museum Tucherschloss und Hirsvogelsaal Kunst in seinen Garten. Skulpturen, Installationen, Pflanzenkunst – und jetzt erstmals Malerei. Noch bis 6. Oktober zeigt der international bekannte Maler, Grafiker und Objektkünstler Moritz Götze farbenfrohe, poppige Emaille-Kunst. Mit „Amor & Psyche – eine Love-Story in Emaille“ interpretiert er Motive des Tucher’schen Tafelservices, des wertvollsten Exponates des Museums. Wie es dazu kam und was es alles braucht, damit eine Ausstellung zustande kommt, erklärt Ulrike Berninger, die Leiterin des Museums Tucherschloss und Hirsvogelsaal.
Frau Berninger, wie sind Sie auf Moritz Götze gekommen?
Durch Zufall. Für eine gemeinsame Dienstfahrt habe ich den Kollegen Urs Latus vom Spielzeugmuseum bei sich zuhause abgeholt. Dabei entdeckte ich an seinem historischen Haus ein Schild: ein geflügeltes Wesen in einem rotgestreiften Kleid mit einer Harfe in der Hand. Urs Latus sagte, das hätte ein Freund aus Halle an der Saale gemacht: Moritz Götze. Den Namen hatte ich noch nie gehört. Wochen später ging ich dann durch den Bahnhofstunnel und sah ein riesiges Poster, das für die Götze-Ausstellung in Quedlinburg warb. Da hat es Klick gemacht.
Aha?
Begeistert hat mich, dass Moritz Götze unter anderem mit Emaille arbeitet. Industrie-Emaille ist ja wetterfest, so dass wir zum ersten Mal Malerei im Schlossgarten ausstellen könnten. Ich habe dann versucht, Kontakt aufzunehmen. Nach etlichen Anrufen und E-Mails hat es geklappt. Der Künstler kannte zwar Nürnberg, aber nicht das Tucherschloss. Also habe ich Infomaterial, Texte und Fotos vom Garten gesendet…
Der Kontakt zum Künstler ist das eine, das Thema das andere. Wie sind Sie darauf gekommen?
Im Herbst des vergangenen Jahres kam Moritz Götze auf seinem Weg nach Süddeutschland mit seinem alten Benz zu Besuch. Ihm hat der Garten des Tucherschlosses gut gefallen, der kleine, abgeschlossene Garten – ein hortus conclusus – mit seinen festen Strukturen. Moritz ist sehr ein offener Mensch und war sofort von der Anlage angetan. Ich habe ihn später durchs Schloss geführt, Highlight war natürlich das „Tucher‘sche Tafelservice“. Das Tafelgeschirr, das aus Präsentiertellern, Konfektschalen und einer Weinkanne über einem Becken besteht, ist das bedeutendste, geschlossen überlieferte Exemplar seiner Art in Deutschland – deshalb sage ich gern, es ist meine „Mona Lisa“. Die feine Emaille-Arbeit, die um 1560 im französischen Limoges gefertigt wurde, hat den Künstler sofort begeistert, vier Schalen zeigen Szenen aus der antiken Geschichte von Amor & Psyche. Diese wurden zum Ausgangspunkt der Ausstellung.
Was ist außer dem Inhaltlichen nötig?
Der zweite Schritt ist immer die Frage, ob eine Ausstellung auch finanziell realisiert werden kann. Ich habe intern für das Projekt und ein größeres Budget geworben: Die Idee, die vorhandene Natur des Gartens zu nutzen und sieben alte, kegelförmig geschnittene Eiben als vegetabile Sockel einzubauen, ist ungewöhnlich und technisch sehr aufwändig. So etwas hatten wir noch nie!
Dabei haben Sie zuvor schon sieben Ausstellungen im Garten des Tucherschlosses verwirklicht. Geben Sie sich eigene Regeln oder Richtlinien, was eine Ausstellung leisten soll?
Mein Wunsch ist, dass sich Künstlerinnen und Künstler auf den Ort an sich, auf das architektonische Ambiente, auf die Vegetation und die Struktur des Gartens einlassen oder auch die Kunstwerke einbeziehen, die bereits vorhanden sind. Ich möchte nicht einfach Kunst in den Garten stellen, sondern sie soll eine Symbiose eingehen oder sich bewusst absetzen. Dabei ist wichtig, dass sich die gezeigten Kunstwerke in der Umgebung behaupten können. Dass eine Ausstellung ganz bewusst Bezug auf die im Museum gezeigten Exponate nimmt, gab es bisher nur einmal – beim „TUCHER-FLORILEGIUM“ von Martin Weimar. Die Love-Story von „Amor & Psyche“ ist die zweite.
Informationen zur Ausstellung „TUCHER-FLORILEGIUM“ im Jahr 2015
Wie muss man sich die Zusammenarbeit zwischen Künstler und Museum vorstellen?
Nachdem das Thema gefunden war, hatten wir einen sehr regen Austausch. Immer, wenn wir neue Ideen hatten, haben Moritz und ich uns geschrieben oder miteinander telefoniert. Er ist der erste Künstler, der so weit weg wohnt, dass ich nicht mal eben ins Atelier gehen konnte. Das macht es schwieriger. Geholfen hat, dass Moritz Götze ein rastloser und quirliger und gleichzeitig sehr belesener, reflektierter Künstler ist. Er hat unglaublich viele Ideen zugleich im Kopf, die er mit einer – im positiven Sinn – kindlichen Neugier verfolgt. Gleichzeitig ist er pragmatisch.
Bisher hatte ich immer Glück mit den Künstlerinnen und Künstlern, die im Garten des Tucherschlosses ausgestellt haben. So unterschiedlich sie auch waren, konnten wir offen, persönlich und konstruktiv zusammenarbeiten.
Moritz Götze hat die Arbeiten eigens für den Garten des Tucherschlosses angefertigt. Waren Sie neugierig, was entsteht?
Sehr, deshalb habe ich ihn Ende März in Halle besucht und im Atelier einige, bereits fertige Emaillen angeschaut. Das war wichtig für mein Verständnis und das weitere Vorgehen: Wie fühlen sie sich haptisch an? Wie groß und wie schwer sind die Werke? Wie müssen die Gerüste gestaltet werden? Einerseits dürfen sie die Eiben nicht verletzten, andererseits müssen sie standhaft sein und die Kunstwerke auch bei Wind halten.

Entstehungsphasen des „Amor & Psyche-Tableau“ in der Werkstatt von Moritz Götze. Foto: Ulrike Berninger
Das klingt anstrengend!
„Amor & Psyche“ ist die aufwendigste Ausstellung, die ich je gemacht habe. So etwas ist nicht jedes Jahr möglich.
Was fällt in der Vorbereitung noch in den Aufgabenbereich des Museums?
In meine Verantwortung fiel die gesamte Bewerbung: Die Texte und der Entwurf des Flyers, das Plakat, die Einladungskarte zur Eröffnung, die erläuternden Texte auf den Tafeln. Die habe ich geschrieben, mit dem Grafiker zusammen umgesetzt und mit dem Übersetzer für die englischsprachigen Texte korrespondiert. Bis gedruckt wird, sind viele Korrekturläufe nötig. Spontan ist noch eine Publikation dazugekommen. Zusätzlich habe ich das Begleitprogramm erarbeitet, von der Planung und Organisation der Vernissage über die inhaltliche Konzeption der Führungen in Absprache mit dem Kunst- und kulturpädagogischen Zentrum der Museen in Nürnberg (KPZ) bis zu einem Workshop, den Moritz Götze im Juli für Interessierte geben wird.
- Moritz Götze: „Wind & Wolken“, 2025. Foto: Ulrike Berninger
- Moritz Götze: „Kleinkram/ kleiner 2“, 2025. Foto: Ulrike Berninger
Ein unglaublicher Aufwand. Wird er durch das Publikum belohnt?
Ich hoffe es sehr, mal schauen. Bislang sind die Ausstellungen im Schlossgarten immer sehr gut angekommen. Nur bei der Gruppenausstellung „Beyond Boundaries“ gab es Fragezeichen, weil nicht alle Arbeiten auf den ersten Blick verständlich waren. Bei „Amor & Psyche“ ist das sicherlich anders! Auch wenn das Thema unbekannt sein sollte, die Namen hat jeder schon gehört: Jeder hat eine Psyche und man kennt Amor als Gott der Liebe. Noch dazu sind die Werke von Moritz Götze bunte, fröhliche Arbeiten, die Geschichte und Geschichten erzählen und einfach Spaß machen. Wer sie sieht, hat sofort ein positives Gefühl!

Museumsleiterin Ulrike Berninger mit Künstler Moritz Götze im Garten des Tucherschlosses. Foto: Oliver Groß
Die Vorbereitung hat Sie Nerven gekostet: Kurzfristig musste eine Druckerei gefunden werden, der Grafiker hatte noch andere Aufträge zu erledigen und die Fotos für den Katalog konnten erst gemacht werden, als die Werke fertig waren. Warum tun Sie sich das an?
Ich habe sofort gewusst: Das will ich machen. Die Idee, das berühmte Tucher-Service aus dem Museum, ein absolutes Highlight der Goldschmiedekunst aus der Renaissance, modern interpretiert und als gemalte Installation im Freien ausstellen zu können, das ist einmalig und war sofort ein Herzensprojekt. Sich so etwas zu überlegen und mit einem Künstler umzusetzen, den ich schätze, das beglückt mich.
Informationen zur Ausstellung „Amor & Psyche“
Für die Verwendung von Abbildungen der Kunstwerke von Moritz Götze wenden Sie sich bitte an die VG Bildkunst, Bonn:
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