Der kleine Mirko ist hoch konzentriert. Mit den Greifarmen eines Spielzeugeichhörnchens versucht der Vierjährige, eine bunte Plastikeichel zu erfassen, die ein Spielkamerad gerade in ein farbig markiertes Loch in einer stilisierten Baumscheibe versenkt hat. „Fritz Stibitz“ heißt das Spiel, das Ursula Prieschl, seit 2018 pädagogische Mitarbeiterin und seit 2023 Fachkraft für Gesellschaftsspiele im Haus des Spiels, vorbereitet hat. „Es schult die Feinmotorik und fördert die Farberkennung“, erklärt Prieschl, die heute Vormittag im großen Spielesaal eine Nürnberger Kindergartengruppe betreut. Unterstützt wird sie von zwei jungen Leuten, die hier am Egidienplatz ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) leisten, sowie von den beiden Erzieherinnen der Kita. „Manche Kinder stürzen sich neugierig an die Tische mit den Spielen, andere schauen sich lieber erst um, und wer sich nicht mit Regeln befassen möchte, kann in unserer Spielecke einfach nur so für sich spielen“, beschreibt Ursula Prieschl das muntere Gewusel.
„Komm spiel mit mir!“ heißt das das elementarpädagogische Angebot der Einrichtung der städtischen Museen für Vorschulkinder im Alter von 4 bis 6 Jahren. Eine große Vielfalt an Gesellschaftsspielen trainiert das Farben- und Formenverständnis der Kleinen, fördert vernetztes Denken und vor allem den Umgang miteinander. Beim „Balamari“ etwa geht es um Kooperation: Vier Kinder halten je einen Zipfel eines rechteckigen Tuches und müssen versuchen, einen kleinen Holzfisch in eines der eingenähten farbigen Säckchen zu schütteln – nur nicht in eines der schwarzen „Löcher“, dann wäre der Fisch entwischt.
„Kooperative Spiele sind gut geeignet für kleine Kinder“, erklärt Ursula Prieschl. „Den Größeren macht es mehr Spaß, in kompetitiven Spielen gegeneinander anzutreten.“ Miteinander das Spiel zu besiegen, wie etwa bei „The Game“, bei dem Karten mit Werten von 2 bis 99 ab- oder aufwärts abzulegen sind, diene hervorragend zur Teambildung. Das kann für den Schulalltag wertvoll sein. So organisiert die ausgebildete Erzieherin zusammen mit der dortigen Schulsozialpädagogin regelmäßig „Soziale Lerntage“ für die 7. Klassen der Veit-Stoß-Realschule. „In dieser Jahrgangsstufe fällt die Entscheidung für den mathematischen, wirtschaftlichen oder sprachlichen Bereich. Die Klassen werden also auseinandergerissen.“
Damit die neuen Klassen miteinander agieren, finden die Jugendlichen auf den Tischen des Spielesaals vorbereitete Spiele, die in wechselnder Besetzung durchgespielt werden. „So lernen sich die Schülerinnen und Schüler besser kennen.“ Gefestigt wird der Zusammenhalt durch Großgruppenspiele, bei denen etwa jede und jeder eine Schiene hält, durch die eine rollende Kugel weitergegeben werden muss, ohne dass sie herunterfällt. Wichtig ist der Fachkraft eine abschließende Reflexion: Welche Spiele kommen gut an? Und Prieschl freut sich, wenn Kinder und Jugendliche, die Spiele von zu Hause nicht kennen und meist am Handy zocken, begeistert sind vom analogen Spiel.
„Spielend lernen“ steht über dem pädagogischen Angebot für Schulklassen, mit dem fachliche Kompetenzen in Ergänzung zum Unterricht gefördert werden. „Je nachdem, ob es um die Erweiterung des Wortschatzes oder der Rechtschreibung geht oder um das Rechnen, stelle ich zusammen mit den FSJ-Kräften Spiele bereit, die zum Alter und zum Thema passen. Die Mädchen und Jungen spielen in Vierergruppen und wechseln die Tische, sodass alle nach anderthalb oder zwei Stunden alle Spiele gemacht haben“, sagt Ursula Prieschl. „Ist ja cool“, hört sie da manches Mal, „ich hab‘ gar nicht gemerkt, dass das Mathe war!“ Mehr um den Spaß geht es bei dem Programm „Wandertag ist Spieletag!“, bei dem Quatschspiele wie „Crazy Coconut“ auf die Klassen warten. „Spielen muss Spaß machen“, betont die Erzieherin.
Auch Fachakademien und Fachoberschulklassen (FOS) werden von Ursula Prieschl und ihren Helferinnen und Helfern betreut. „Schülerinnen und Schüler der FOS, die Praktika in sozialen Einrichtungen wie Kindertagesstätten machen, lassen wir Spiele spielen und diese anhand von Fragebögen nach bestimmten Kriterien bewerten: Was macht ein gutes Spiel aus? Welches würde ich meiner Einrichtung empfehlen – und warum?“
300-400 neue Spiele schicken die Verlage pro Jahr an das Deutsche Spielearchiv im Haus des Spiels. Ursula Prieschl testet mit ihrem kleinen Team eine Auswahl auf ihre Eignung. „Für Förderklassen müssen die Regeln leicht verständlich sein.“ Das gilt auch für Berufsintegrationsklassen, in denen die Deutschkenntnisse der 16- bis 21-Jährigen meist sehr unterschiedlich sind. Da gibt es Sprachunterricht allein dadurch, dass die Spielerinnen und Spieler sagen „Du bist dran“ oder „Ich habe gewonnen!“
Obwohl Ursula Prieschl als Teilzeitkraft, die auch das Autorendepot führt und zusätzlich Büro- und Verwaltungstätigkeiten stemmt, mehr als ausgelastet ist, ist sie offen für weitere Projekte. „Wir könnten in Richtung Inklusion denken und Spielangebote für geistig beeinträchtigte Personen anbieten.“ Im Dezember startete mit der „Straßenkreuzer-Uni“ schon mal ein Angebot für Obdachlose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen. Dabei sind die bestehenden Veranstaltungen schon bis ins Jahr 2024 hinein ausgebucht. „Man sieht, wir treffen einen Nerv!“
Bildnachweis für alle Fotos: Haus des Spiels