Konzentriert kniet Meide Büdel vor ihrem kinetischen Objekt aus drei schmalen Holzstelen und platziert darauf lange geschwungene Metallstangen, die paarweise von einem vierkantigen Nagel zusammengehalten werden. Auf den winzigen Nagelspitzen schweben die filigranen Bögen im Gleichgewicht, unbeweglich im leeren Raum, sobald Bewegung entsteht, beginnen sie zu tanzen. Für den Betrachter einfach faszinierend, für die Künstlerin Ergebnis einer zeitintensiven Versuchsanordnung.
Wollte man das umfangreiche Werk von Meide Büdel in drei Begriffen zusammenfassen, so wären diese wohl mit „Spannung, Gleichgewicht, Bogen“ gut gewählt. Der erste „Büdelsche Bogen“ entstand während ihres Studiums an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg von 1982 bis 1988. Die dort als Boden verlegten Stirnholzklötze waren durch einen Schaden an der Decke regennass aufgequollen und hatten sich gewölbt. Mit dem Blick der gelernten Holzbildhauerin passte Büdel eine Reihe der hölzernen Klötze in einen Metallrahmen ein und entwickelte das spannungsreiche Verhältnis von Holz und Metall fortan weiter. Der Bogen ist dabei wiederkehrendes Motiv. Einen kleinen Platz vor der Wohnanlage „Am Stadtpark“ überspannte Meide Büdel 1995 mit einem zweiteiligen geöffneten Bogen aus Stahl und schlug so eine „Brücke“ zur Architektur von Harald Loebermann.
Dabei orientierte sich die 1961 in Bad Mergentheim geborene Kunststudentin zunächst an der streng figürlichen Ausrichtung ihres Professors Wilhelm Uhlig (1930-2022). „Aber mich hat mehr interessiert, was sich nicht figürlich abbilden lässt, sondern was sich in einem abspielt. Ich war immer schon an der philosophischen Ebene interessiert.“ Das intuitive Fühlen, das Nachspüren von nicht wahrnehmbaren Prozessen führte sie zur abstrakten Darstellung. „Das ist mein Ding.“
Eine Metallwerkstatt teilt sie sich mit ihrem Bildhauerkollegen Hubertus Hess im gemeinsam mit sieben weiteren Kunstschaffenden angemieteten Atelierhaus im Euckenweg in Langwasser. Hier und im Atelier nebenan entstehen die Modelle für ihre Objekte, mit denen sie bereits viele Kunstwettbewerbe für sich entschied oder die sie als Auftragsarbeiten vorwiegend für den öffentlichen Raum schafft. Wie geht sie eine Platzgestaltung an, wie 1994 die „Schranne“ in Bamberg oder 2005 den Nürnberger Heinrich-Böll-Platz? „Ich schaue mich um. Was ist da, was stört den Raum optisch? Wie verändert sich das Vorhandene, wenn ich etwas Neues mache – und was macht das Vorhandene mit meiner Gestaltung? Die ersten 20 Minuten sind wichtig, da hat man noch keine Schere im Kopf.“ In den ehemaligen Klostergarten in Bamberg versenkte sie diagonal einen Bogen aus Industriestahl, der von Wildbirnen gerahmt wird, die in barocker Geometrie gepflanzt wurden.
In den vergangenen 15 Jahren war sie auch viel für die Kirche tätig. Ein eindrucksvolles Beispiel findet sich seit 2008 in der Nürnberger Christuskirche. An vier Stahlseilen lässt sie dort eine massive Stahlplatte als Altar von der Decke hängen. „Damit wollte ich den Raum dreidimensional begreifbar machen und die Blicke nach oben lenken“, erklärt sie. Dem „Tisch des Herrn“ gesellte Meide Büdel einen sich verjüngenden Kubus aus dunklem Beton als Kanzel sowie ein Band aus gelbem Glas hinzu. Die Kirchen würden sich inzwischen sehr der zeitgenössischen Kunst öffnen, sagt sie, auch wenn es mit den Gemeinden viele Diskussionen bis zur Umsetzung gäbe, bis hin zu Anfeindungen, „wenn ich etwas verändere, was die Leute nicht verstehen“. Das höchste Lob daher: „Es kommt mir vor, als ob es schon immer da gewesen wäre!“
Die aktuelle Situation für Kunst im öffentlichen Raum schätzt die 61-Jährige etwas verhalten ein. Vor der Jahrtausendwende sei mehr los gewesen. „Es kommt auf die Kommunen an. Unistädte wie Erlangen und Bayreuth machen recht viel.“ Nürnberg habe da wohl noch etwas Nachholbedarf. Auch aus dem neuen Stadtteil Lichtenreuth sei noch nichts in Richtung Kunstszene gedrungen. „Das wäre jetzt der richtige Moment, Künstler zu beteiligen.“
In Nürnberg fühlt sich die bestens vernetzte Meide Büdel jedenfalls wohl. „Der provinzielle Beigeschmack, der der Stadt unterstellt wird, lässt mich kalt“, sagt sie. „Ich habe immer gewusst, was ich machen will. Das macht mich unabhängig, ich bin keinen Strömungen unterworfen.“ Dank vieler Kontakte und Weiterempfehlungen hat sie sich einen Namen erarbeitet und engagiert sich auch gerne in Kunstbeiräten. Einen Nachteil nimmt sie dafür in Kauf: Sitzt sie selbst in der Jury, kann sie an dem Wettbewerb nicht teilnehmen. Aber mit den Wettbewerben ist das so eine Sache. „Man könnte denken, dass man mit einem 1. Preis viel Geld gewinnt, aber die Ausschreibungssumme fließt zu einem sehr großen Teil an die Unternehmen, mit denen ich zum Teil seit Jahrzehnten zusammenarbeite, für Material, Schlosserarbeiten, Statik, Transport und was alles dazu gehört. Aber das ist es mir wert als freischaffende Künstlerin!“ Derzeit arbeitet Meide Büdel an mehreren Projekten in Bayern und Hessen, unter anderem an einem Urnenfeld in Ansbach mit einem kinetischen Objekt. Und im Neuen Museum am Klarissenplatz ist sie noch bis 24. September in der Schau „Momentum“ mit zwei Arbeiten vertreten.
Besucherinnen und Besucher des Museums Tucherschloss oder auch Passanten, die auf der Hirschelgasse unterwegs sind, können in einer der drei auf dem Museumsvorplatz ausgestellten Skulpturen eine echte Büdel aus Stahl und Eiche erkennen. Die 2004 für die Gemälde- und Skulpturensammlung der städtischen Museen geschaffene Plastik erhält immer wieder Besuch von ihrer Urheberin, die gleich um die Ecke zu Hause ist. „Es ist als ob ich bei meinen Kindern vorbeischaue. Schön!“
Bei den diesjährigen „Stadt(ver)führungen“ unter dem Motto „Schlüsselerlebnisse“ öffnet die Ateliergemeinschaft im Euckenweg 33 ihre Türen am Samstag, 16. September 2023, von 14 bis 15 Uhr und am Sonntag, 17. September, von 11 bis 12 Uhr.
Treffpunkt: Eingang vom Parkplatz, Euckenweg 33