Originale von Albrecht Dürer sind rar in Nürnberg, obwohl der Superstar der Kunst gleich unter der Kaiserburg gelebt und gearbeitet hat. Zum Glück gibt es das Grafische Kabinett im Dürer-Haus, das in der Reihe „Original Dürer“ heuer vier Präsentationen mit Grafiken und Stichen zeigen wird. Was es mit „Maria“, „den „starken Männern“ und „Dürers Pferden“ auf sich hat, erklärt Christine Demele, die das Dürer-Haus und die Grafische Sammlung seit Oktober 2022 leitet.
Frau Demele, die erste Präsentation unter Ihrer Leitung gilt Maria. Was ist besonders, wenn Dürer die Mutter Gottes darstellt?
Es gibt unglaublich viele Mariendarstellungen von Dürer. Was auch daran liegt, dass die Marienverehrung um 1500 einen Höhepunkt erlebte. Der Markt und die Nachfrage waren also da, doch Dürer macht auch etwas Neues: Er holt die Maria vom Himmel auf die Erde. Sein erster datierter Kupferstich von 1503 zeigt nicht die traditionelle Strahlenkranzmadonna, sondern eine nicht mehr junge Frau, die auf einer Wiese sitzt und ihr Kind stillt. Dürer versetzt Maria in seine Gegenwart und in eine einfache irdische Umgebung. Das finde ich beeindruckend.
Albrecht Dürer ist 1528 gestorben, also vor fast 500 Jahren. Was macht seinen Reiz aus?
Mit seiner Innovationskraft und Modernität ist er zeitlos. Wir können seine Aktualität nachempfinden, wenn wir in der Reihe „Original Dürer“ Blätter aus seiner Hand betrachten. Was mich an Dürer reizt? Er war ein künstlerisches Ausnahmetalent, sehr vielseitig und absolut innovativ, was seine Bildthemen, Kompositionen und Techniken anbelangt. Gleichzeitig war er ein gebildeter Kunsttheoretiker und erfolgreicher Geschäftsmann.
Und was kann er uns heute noch sagen?
Zum Beispiel: Geh‘ deinen eigenen Weg – Dürer ist ja nicht Goldschmied geworden wie sein Vater, sondern Maler und Grafiker, weil er seiner Leidenschaft folgte. Dürer fordert die Menschen auf, eigenständig zu denken und hat geschrieben, es wäre „ein gar spröder verstand, der sich nicht traut etwas Neues zu erfinden“. Außerdem hat er – anders als viele andere – sein Wissen bereitwillig geteilt. Das brauchen wir auch heute.
Ein reiches Schaffen. Doch die Reihe „Original Dürer“ zeigt jeweils nur sechs Werke – ist das nicht zu wenig?
Die Ausstellungsarchitektur der Reihe wurde dafür eigens konzipiert, sie ist hochwertig und sehr ästhetisch. Ich empfinde die Reduktion als sehr positiv, weil sie Konzentration erlaubt und einen nicht erschlägt. Auch kleinformatige Werke kommen so gut zur Geltung. Damit Besucherinnen und Besucher alle Details betrachten können, habe ich Lupen installieren lassen. Selbstverständlich sind im Grafischen Kabinett, das sich im 3. Obergeschoss des Dürerhauses befindet, aber auch umfangreichere Ausstellungen möglich. Auswahl haben wir: Die Grafische Sammlung Nürnberg hat einen Bestand von mehr als 100.000 Blättern und Fotografien.
Grafik steht in der Aufmerksamkeit des Publikums weit hinter Malerei und Skulptur. Woran liegt es, dass sie so unterbelichtet ist?
Farbige Gemälde catchen sofort das Auge, Grafik dagegen ist häufig schwarz-weiß und verhältnismäßig klein. Aber ich weiß, dass man Menschen für Grafik begeistern kann. Dafür müssen nur die Details herausgearbeitet werden und die Texte spannend sein. An der Kunsthalle Bremen, wo ich zuletzt als Kustodin gearbeitet habe, haben wir zur Ausstellung „Mannsbilder“ aus den Grafiken einen „Mister Kupferstichkabinett“ wählen lassen und das Publikum auch beim Kuratieren beteiligt. Dafür braucht man aber die sozialen Medien, die das Albrecht-Dürer-Haus bisher leider noch nicht bespielt – was ich so schnell wie möglich ändern will.
Noch aber ist die Präsentation unterm Dach ganz klassisch. Auf „Maria“ folgen „Dürers Pferde“, im Sommer die „Starken Männer“ und im kommenden Winter dann „Engel“. Worauf dürfen sich Besucherinnen und Besucher freuen?
Für Dürer spielten Pferde eine wichtige Rolle, wie überhaupt im damaligen Alltag als Arbeitstiere und Fortbewegungsmittel. Er hat sie genauestens beobachtet und in seiner Kunst oftmals dargestellt, vielleicht sogar selbst eines besessen. „Dürer und die starken Männer“ präsentiert sechs Porträtstiche von bedeutenden Zeitgenossen Dürers, allesamt mächtige und einflussreiche Männer, die er persönlich kannte, und die ihn förderten und prägten. Und die „Engel“ passen einfach gut in die Weihnachtszeit. Ich finde reizvoll, dass Dürer oft auch Putten dargestellt hat, meist als verspielte Kleinkinder mit Babyspeck – wie aus dem Leben gegriffen.
Zur Person
Dr. Christine Demele, Jahrgang 1981, ist Kunsthistorikerin und beschäftigt sich schon lange mit Dürer. Sie hat über „Dürers Weimarer Selbstbildnis als Akt“ promoviert, an der Universitätsbibliothek Erlangen wissenschaftlich zu süddeutschen Renaissance-Zeichnungen geforscht und vor ihrem Wechsel nach Nürnberg als Kustodin im Kupferstichkabinett der Kunsthalle Bremen die Sammlung von Dürers Aquarellen, Zeichnungen und Druckgrafiken betreut. In ihrer Arbeit am Albrecht-Dürer-Haus will sie den bekanntesten Künstler aus Nürnberg als Inspirationsquelle für besucherorientierte wie auch wissenschaftlich fundierte Konzepte nutzen und das Museum sowie die Grafische Sammlung weiterentwickeln, die ebenfalls unter ihrer Leitung steht.
Weitere Informationen
Präsentation „Original Dürer! Maria“